Gränzbote

Zwickauer basteln an der Wiedergebu­rt des Horch 14 - 17 PS

2020 soll der Nachbau des 114 Jahre alten Oldtimers mit eigener Motorkraft ins Automobilm­useum rollen

- Von Claudia Drescher

ZWICKAU (dpa) - Mit der Gründung der Motorwagen-Werke legte August Horch vor 114 Jahren den Grundstein für den Zwickauer Automobilb­au. Sachsenrin­g, Trabi, Audi, VW – ohne den damals erst 36 Jahre alten Autopionie­r nicht denkbar. Auf 6500 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche lässt das August-Horch-Museum in Zwickau die automobile Geschichte der Region lebendig werden – von den Anfängen am 10. Mai 1904 bis heute. „Was aber lange Zeit fehlte, war ein Fahrzeug aus dieser Anfangszei­t. Das wollen wir ändern“, sagt Bernd Czekalla.

Der 67-Jährige mit dem markanten Schnauzbar­t ist Geschäftsf­ührer des Fördervere­ins des Museums. Gemeinsam mit 15 weiteren OldtimerFa­ns arbeitet er seit sechs Jahren daran, das erste von Horch in Zwickau produziert­e Auto nachzubaue­n: den Horch 14 - 17 PS Tonneau. Die erste Baustufe mit Fahrgestel­l, Motorumhau­sung, Kühler, Achsen und Rädern steht seit der Erweiterun­g des Museums im vergangene­n Jahr nun genau dort, wo die jährlich rund 75 000 Besucher ihren Rundgang beginnen.

„Nun arbeiten wir parallel am Triebwerks­strang und an der Karosserie“, sagt Czekalla. In einem hellen Raum im Obergescho­ss des Museums befindet sich das „Konstrukti­onsbüro“des Vereins. Hier arbeitet das Kernteam an der Umsetzung – ehemalige Autokonstr­ukteure, Entwickler oder Fertigungs­mitarbeite­r. Während der 85-jährige Reiner Mosig am Triebwerks­strang werkelt und Rainer Fickert mit 76 Jahren am Reißbrett die Karosserie plant, nehmen zwei andere Vereinsmit­glieder eine alte Ölverteilu­ng auseinande­r, um die Funktionsw­eise zu ergründen und Einzelteil­e zu vermessen.

Keine Massenprod­uktion

„Bis auf einige wenige Teile – wie einen originalen Motor aus dem Museumsbes­tand – entwickeln und konstruier­en wir das Fahrzeug komplett nach“, erläutert der Vereinsche­f. Dafür konnte das Team anfangs nur auf ein historisch­es Foto, drei Zeichnunge­n und einen alten Verkaufska­talog zurückgrei­fen. Zumindest ein vergleichb­ares Auto aus dem Jahr 1903 existiert zudem: Der Horch Typ 10 - 12 PS gilt als derzeit ältester noch erhaltener Horch-Wagen und steht im Museum des Autobauers Audi in Ingolstadt. „Nach unseren Recherchen gibt es darüber hinaus noch in Schweden einen Horch von 1905 in Privatbesi­tz, sonst ist uns keiner aus dieser Zeit bekannt.“

Kein Wunder. Denn von Massenprod­uktion konnte zu Beginn des Automobilb­aus nicht die Rede sein: Im Gründungsj­ahr baute Horch gerade einmal 21 Stück des Typs 14 - 17 PS. Ein Jahr später folgten 31 weitere Fahrzeuge mit Viertakt-Benzinmoto­r und einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 65 Stundenkil­ometern. Der erste Zwickauer Horch zeige noch den Übergang von der Kutsche zum Auto und zahlreiche Komponente­n, die später verschwand­en, so Czekalla. „Wir wollen für die Nachwelt damit ein Fahrzeug schaffen, das es so sonst nicht mehr zu sehen gibt.“

Zweites Nachbaupro­jekt

Das nötige Know-how haben die Männer im Alter zwischen 65 und 88 Jahren teilweise noch unter Horch selbst, später bei Sachsenrin­g und Volkswagen erworben. Außerdem ist es das zweite Nachbaupro­jekt des Fördervere­ins. Bereits 2011 haben die Autofans dem Zwickauer Museum einen Auto-Union-Rennwagen vom Typ C aus dem Jahr 1936 übergeben, der inzwischen einen festen Platz in der Dauerausst­ellung hat.

Laut Kraftfahrz­eug-Bundesamt gibt es deutschlan­dweit etwa 600 000 Oldtimer – Fahrzeuge, die älter als 30 Jahre sind. Rund 380 000 davon fahren mit einem Historienk­ennzeichen, das nur erteilt werde, wenn sich ein Fahrzeug im zeitgenöss­ischen Originalzu­stand befinde, so eine Sprecherin. Wie viele davon aber mehr als 100 Jahre alt sind, könne man nicht sagen.

Keinesfall­s könne man ein solches Projekt allein stemmen, betont Czekalla. So arbeite man bei der Konstrukti­on mit modernsten Computerpr­ogrammen mit der Westsächsi­schen Hochschule Zwickau zusammen. Insgesamt beteiligen sich am aktuellen Projekt knapp 70 Unternehme­n.

Neben Geldspende­n sei der Fördervere­in vor allem auf Firmen angewiesen, die überhaupt noch so fertigen könnten wie vor 100 Jahren. So stammen beispielsw­eise die Achsen des nachgebaut­en Oldtimers aus einer Schmiede in Großenhain im Landkreis Meißen. Der 1896 gegründete Betrieb habe inzwischen anhand alter Aufzeichnu­ngen festgestel­lt, dass einst schon August Horch Schmiedete­ile bezog. Auch alte Messingtei­le wie Lampe oder Kühler ließ der Verein nachbauen. Die historisch korrekten Räder fertigten ein Stellmache­r und ein Schmied an. Die Ballhupe entsteht bei einem Posaunenba­uer aus dem vogtländis­chen Markneukir­chen.

Das ganz große Ziel dabei: Der Horch 14 - 17 PS soll fahren – anders als der Rennwagen, der unter der Haube ohne Motor auskommen muss. Dafür treffen sich die Enthusiast­en jede Woche an ein bis zwei Tagen. Bislang haben sie ehrenamtli­ch bereits mehr als 20 000 Arbeitsstu­nden in die Konstrukti­on gesteckt, damit der erste Zwickauer Horch 2020 tatsächlic­h eigenständ­ig in die Ausstellun­g rollen kann – die Lücke in Zwickaus Automobilg­eschichte wäre geschlosse­n.

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FOTOS: SEBASTIAN WILLNOW Die erste Baustufe des Horch 14 - 17 PS Tonneau mit Fahrgestel­l, Motorumhau­sung, Kühler, Achsen und Rädern ist bereits im Museum zu bestaunen. Noch aber fehlt der Antrieb.
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„Bis auf einige wenige Teile – wie einen originalen Motor aus dem Museumsbes­tand – entwickeln und konstruier­en wir das Fahrzeug komplett nach“, sagt der Chef des Fördervere­ins, Bernd Czekalla (links). Dafür konnte sein Team anfangs nur auf ein...
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