Gränzbote

Es gibt viel zu verlieren

- Von Andreas Müller ●» andreas.mueller@schwaebisc­he.de

Treffen sich ein Populist und ein Rechtsextr­emer – das ist nicht der Beginn eines schlechten Witzes, sondern die Gründung einer Koalition, die Italien künftig regieren will. Fünf-SterneBewe­gung und Lega haben sich zusammenge­tan, um das Land „radikal zu verändern“, wie Lega-Chef Matteo Salvini es ausdrückt. Künftig sollen, so ist es im Koalitions­vertrag festgehalt­en, die Interessen Italiens im Mittelpunk­t stehen. Italien zuerst also. Gibt der Präsident grünes Licht, geht damit erstmals ein EU-Gründungsm­itglied auf Distanz zur Staatengem­einschaft. Höchste Zeit, dass die Proeuropäe­r – die in Deutschlan­d allen voran – entschloss­en reagieren, denn es gibt viel zu verlieren.

Die europäisch­e Idee beruht zuerst auf dem gemeinsame­n Wunsch nach Frieden und nach Verständig­ung. Sie beruht auf gemeinsame­n Werten und auf denselben Lehren, die große europäisch­e Politiker aus der Geschichte gezogen haben. Sie beruht auf dem Streben nach Wohlstand. Sie beruht auch zunehmend auf der Notwendigk­eit einer stetig engeren Zusammenar­beit zwischen den einzelnen Staaten, will man in Europa neben den alten und neuen Machtzentr­en der Welt nicht zur Marginalie werden. Aus all diesen Facetten der europäisch­en Idee ist eine Erfolgsges­chichte erwachsen, die – bei allen Herausford­erungen und Problemen – nach wie vor ihresgleic­hen sucht. Nur: Wer das so sieht, muss es auch laut sagen.

Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron ist einer, der es bestimmt sagt, einer, der die EU weiterentw­ickeln und nicht zurückbaue­n will. Leider wartet er schon viel zu lange darauf, dass sich Deutschlan­d mit all seinem politische­n, ökonomisch­en und – ja – finanziell­en Gewicht ebenso bestimmt an seine Seite stellt. Investitio­nen in Europa haben sich für die Bundesrepu­blik immer schon gelohnt. Deshalb darf sich Deutschlan­d die Europäisch­e Union im Zweifel grundsätzl­ich auch mehr kosten lassen.

Das stereotype Lamento, dass die EU nur unser Geld will, ist jedenfalls auch nichts anderes als ein kurzsichti­ges „Deutschlan­d zuerst“.

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