Es gibt viel zu verlieren
Treffen sich ein Populist und ein Rechtsextremer – das ist nicht der Beginn eines schlechten Witzes, sondern die Gründung einer Koalition, die Italien künftig regieren will. Fünf-SterneBewegung und Lega haben sich zusammengetan, um das Land „radikal zu verändern“, wie Lega-Chef Matteo Salvini es ausdrückt. Künftig sollen, so ist es im Koalitionsvertrag festgehalten, die Interessen Italiens im Mittelpunkt stehen. Italien zuerst also. Gibt der Präsident grünes Licht, geht damit erstmals ein EU-Gründungsmitglied auf Distanz zur Staatengemeinschaft. Höchste Zeit, dass die Proeuropäer – die in Deutschland allen voran – entschlossen reagieren, denn es gibt viel zu verlieren.
Die europäische Idee beruht zuerst auf dem gemeinsamen Wunsch nach Frieden und nach Verständigung. Sie beruht auf gemeinsamen Werten und auf denselben Lehren, die große europäische Politiker aus der Geschichte gezogen haben. Sie beruht auf dem Streben nach Wohlstand. Sie beruht auch zunehmend auf der Notwendigkeit einer stetig engeren Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Staaten, will man in Europa neben den alten und neuen Machtzentren der Welt nicht zur Marginalie werden. Aus all diesen Facetten der europäischen Idee ist eine Erfolgsgeschichte erwachsen, die – bei allen Herausforderungen und Problemen – nach wie vor ihresgleichen sucht. Nur: Wer das so sieht, muss es auch laut sagen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron ist einer, der es bestimmt sagt, einer, der die EU weiterentwickeln und nicht zurückbauen will. Leider wartet er schon viel zu lange darauf, dass sich Deutschland mit all seinem politischen, ökonomischen und – ja – finanziellen Gewicht ebenso bestimmt an seine Seite stellt. Investitionen in Europa haben sich für die Bundesrepublik immer schon gelohnt. Deshalb darf sich Deutschland die Europäische Union im Zweifel grundsätzlich auch mehr kosten lassen.
Das stereotype Lamento, dass die EU nur unser Geld will, ist jedenfalls auch nichts anderes als ein kurzsichtiges „Deutschland zuerst“.