Gränzbote

Bamf weist Vorwürfe in Asyl-Affäre zurück

Prüfung in weiteren Außenstell­en des Flüchtling­samts – FDP und AfD fordern Untersuchu­ng

- Von Tobias Schmidt

BERLIN(dpa) - In der Affäre um unzulässig ausgestell­te Asylbesche­ide weist das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf ) Vorwürfe zurück, die Aufklärung verschlepp­t oder etwas vertuscht zu haben. Zuletzt waren E-Mails bekannt geworden, in denen ein Bamf-Gruppenlei­ter darum gebeten hatte, den Vorfällen „geräuschlo­s“nachzugehe­n und nicht alles „bis ins Detail“zu prüfen.

Das Bamf erklärte dazu, Ziel sei es gewesen, „die Verfahren zunächst intern zu sichten“. Eine Prüfung der Hinweise sei „unverzügli­ch eingeleite­t“und die Personalab­teilung „unverzügli­ch informiert“worden.

Im Zentrum der Affäre steht die Außenstell­e in Bremen. Dort sollen Mitarbeite­r rund 1200 Menschen Asyl gewährt haben, ohne die Voraussetz­ungen ausreichen­d zu prüfen. Inzwischen überprüft das Bamf aber auch zehn andere Außenstell­en, die über- oder unterdurch­schnittlic­h oft Schutz gewährt haben.

Angesichts immer neuer Details in der Affäre pochen die FDP und die AfD im Bundestag auf die Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses. Dafür müsste ein Viertel der Abgeordnet­en stimmen, neben AfD und FDP bräuchte es eine dritte Fraktion. Die Grünen sind skeptisch: „Bis ein Untersuchu­ngsausschu­ss Ergebnisse bringt, dauert es mindestens zwei Jahre“, sagte die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin ihrer Fraktion, Luise Amtsberg. Die Linksfrakt­ion hielt sich eine Zustimmung noch offen.

Die SPD-Bundestags­fraktion fordert ein hartes Durchgreif­en von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) im Bamf. Dieser schloss am Montag personelle Konsequenz­en nicht aus. Er werde alles tun, „damit die Dinge ohne Ansehen von Personen oder Institutio­nen aufgeklärt werden, denn sie haben das Vertrauen in das Bamf beschädigt“, sagte der CSU-Chef der „Mittelbaye­rischen Zeitung“. CDU-Politiker Mathias Middelberg warb dafür, „nicht alles schlecht“zu reden im Bamf. Das Amt habe eine enorme Arbeitsbel­astung gehabt. 2017 seien in Deutschlan­d 524 000 Asylentsch­eidungen getroffen worden, in allen 27 anderen EUStaaten seien es dagegen nur 449 000 gewesen. In der Bamf-Zentrale waren die Unregelmäß­igkeiten schon Anfang 2016 bekannt. Im Januar habe es einen anonymen Hinweis beim Ombudsmann des Innenminis­teriums gegeben, sagte Staatssekr­etär Stephan Mayer (CSU) nach dpa-Informatio­nen in einer Sitzung des Innenaussc­husses.

BERLIN - „Geräuschlo­s“und nicht „bis ins Detail“: Diese Anweisung eines Abteilungs­leiters des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) zum hausintern­en Umgang mit falschen Asylbesche­iden der Bremer Außenstell­e stammt aus dem Februar 2017. Am Wochenende wurde das Schreiben bekannt. Darin findet sich keine Spur von offensiver Aufklärung der fragwürdig­en Vorgänge um die damalige Außenstell­enleiterin B. Vielmehr entsteht der Eindruck, die mehr als 1000 Betrugsfäl­le sollten unter den Teppich gekehrt werden. Über die internen Mails hatten „Spiegel Online“, „Süddeutsch­e Zeitung“und NDR berichtet.

Nachdem das Land Niedersach­sen schon Alarm geschlagen hatte, will der Mitarbeite­r aus Nürnberg den Deckel auf dem Skandal halten, damit es kein „Politgetös­e“gebe. Erstmal „vorsichtig nachbohren“, so die Devise. Den Experten ist klar, sollte die „Causa B.“an die Öffentlich­keit gelangen, „würde dies ein schlechtes Bild auf das Bundesamt werfen“.

Schallende Ohrfeige

Tatsächlic­h wurden die Betrügerei­en mehr als ein Jahr lang „geräuschlo­s“behandelt. Das Vertrauen der Bürger in das Flüchtling­samt schwindet. Das ist eine schallende Ohrfeige für Behördenle­iterin Jutta Cordt, aber auch für den verantwort­lichen Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Cordt hat nach Angaben eines Sprechers die E-Mail des Abteilungs­leiters vom Februar 2017 nicht zu Gesicht bekommen. Verzögerun­g? Keineswegs, die Prüfung der damaligen Hinweise sei „unverzügli­ch“erfolgt, betont der Sprecher.

Und alle Fake-Bescheide seien längst aufgehoben worden.

AfD und FDP reichen die Auskünfte nicht, für sie sind die neuen Medienenth­üllungen eine Steilvorla­ge für die Forderung nach einem Untersuchu­ngsausschu­ss im Bundestag. Das „Politgetös­e“, das das Bamf verhindern wollte, lässt sich nun nicht mehr einfangen. Jede neue Meldung – auch diejenige über ungewöhnli­ch hohe Anerkennun­gsquoten in rund zehn weiteren BamfAußens­tellen – setzen Seehofer und Cordt weiter unter Druck.

Der Innenminis­ter bleibt dabei, erst am 19. April von dem Skandal informiert worden zu sein. Ob das stimmt, will nun auch der Koalitions­partner SPD ganz genau wissen. „Ich bin sicher, dass Bundesinne­nminister Horst Seehofer die Vorgänge zügig und umfassend aufklären wird“, sagt SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil am Montag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

„Dazu gehört auch, offenzuleg­en, wann er welche Informatio­nen erhalten hat und wie er den Hinweisen nachgegang­enen ist.“Notwendig sei „absolute Klarheit darüber, wie es zu dieser Situation kommen konnte“. Und weiter: „Das massenweis­e Ausstellen falscher Asylbesche­ide ist absolut nicht hinnehmbar. Jetzt müssen wirklich alle Fakten auf den Tisch, und zwar schnell.“

Am Montagaben­d kündigte der CSU-Chef mögliche personelle Konsequenz­en an. Er werde alles tun, „damit die Dinge ohne Ansehen von Personen oder Institutio­nen aufgeklärt werden, denn sie haben das Vertrauen in das Bamf beschädigt“, sagte Seehofer der „Mittelbaye­rischen Zeitung“.

Zuvor hatte es bereits Diskussion­en über die Einrichtun­g eines Untersuchu­ngsausschu­sses gegeben, ein Viertel der Abgeordnet­en müsste dafür stimmen, neben AfD und FDP bräuchte es eine dritte Fraktion. Auch die Grünen verlieren die Geduld, sehen einen Untersuchu­ngsausschu­ss aber mit Skepsis. „Proaktiv“müsse der zuständige Minister jetzt mit den Abgeordnet­en zusammenar­beiten und Ende Mai in einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses Tacheles reden, verlangt deren flüchtling­spolitisch­e Sprecherin Luise Amtsberg am Montag.

Ein Untersuchu­ngsausschu­ss wäre aus ihrer Sicht aber nicht das richtige Instrument. Bis dieser Ergebnisse bringe, „dauert es mindestens zwei Jahre“, so die Grünen-Asylexpert­in. Aber das Bamf müsse „jetzt in die Lage versetzt werden, Asylverfah­ren rechtsstaa­tlich zu organisier­en“.

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FOTO: DPA Ein Abteilungs­leiter der Behörde hatte einen „geräuschlo­sen“Umgang mit falschen Asylbesche­iden der Bremer Außenstell­e gefordert.

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