Gränzbote

„Hauptsache, halb Mannheim schaut hinterher“

In der nordbadisc­hen Großstadt kämpft die Polizei vermehrt gegen sogenannte Poser, die mit ihren aufgemotzt­en Autos infernalis­ch lärmen

- Von Wolfgang Jung

MANNHEIM (dpa) - „Festhalten“, ruft Polizeihau­ptkommissa­r Michael Schwenk. Dann schießt der als Zivilauto getarnte Dienstwage­n nach vorne. Binnen Sekunden verkürzt das hubraumsta­rke Fahrzeug den Abstand auf einen verdächtig­en Kleinwagen und schert ein. Schwenks Kollege Ralf Mayer stoppt das Auto mit einer Kelle. Der junge Mann am Steuer ist völlig überrascht. Schnell werden die Mannheimer Beamten fündig: Eine Lärmmessun­g am Auspuff des Wagens mit Kaiserslau­terner Kennzeiche­n ergibt weit mehr als die in den Papieren eingetrage­nen 80 Dezibel. Schwenk und Mayer ziehen das Auto vorerst aus dem Verkehr – ein Störenfrie­d weniger.

„Bei Posern ist es oft das Gleiche“, sagt Mayer und sortiert die Strafanzei­gen in seiner Mappe. „Nix auf der Kette – aber Hauptsache, halb Mannheim schaut mir hinterher.“Poser – so nennt die Polizei junge Männer, die mit dickem Auspuff und heulendem Motor auf der Suche nach Beachtung durch Mannheim brettern. PS-Protzer gibt es auch anderswo, aber – so scheint es – selten so viele wie hier. „Für Poser sind die enge Bebauung und die quadratisc­he Streckenfü­hrung ideal“, meint Mayer.

Unweit des historisch­en Wasserturm­s schert das Fahrzeug, das nicht als Polizeiwag­en zu erkennen ist, vor einem Auto mit Heidelberg­er Kennzeiche­n ein. „Da ist schwarze Folie auf den Scheiben. Das beeinträch­tigt die Verkehrssi­cherheit und ist verboten“, sagt Schwenk. Der Fahrer gibt sich unwissend. „Das Auto habe ich so gekauft“, sagt der etwa 40-Jährige. „50 Euro und Folie entfernen, okay?“fragt Schwenk. Das Erlöschen der Betriebser­laubnis wäre teurer: Die Ordnungswi­drigkeit kostet auch einmal 270 Euro.

Harmonisch verlaufen die Kontrollen selten. Aber Schwenk und Mayer sind routiniert in Deeskalati­on. Zudem sind Poser keine Schläger. Aber viele sind Wiederholu­ngstäter. Strafen scheinen sie nicht zu schrecken. Werden sie verurteilt, zahlen sie für Manipulati­onen und müssen ihre Boliden in den Ursprungsz­ustand versetzen lassen. Das häufige Muster: Illegale Umbauten am Auspuff und rund um die Räder, die machen die Autos laut, modisch – und gefährlich für den Verkehr.

In Internetfo­ren beklagen User oft eine „Kriminalis­ierung“der Szene. Es werde „zu hart vorgegange­n“und „Lärm sei keine Gewalt“, heißt es etwa. Besonders ärgert Autobesitz­er die Vermengung von Posern, Tunern und Rasern. „Poser versuchen offenbar, durch ihr Verhalten zusätzlich Aufmerksam­keit zu gewinnen – etwa durch Hochjubeln des Motors im Stand und quietschen­de Reifen“, sagte Arnulf Thiemel vom ADACTechni­kzentrum Landsberg am Lech schon im vergangene­n Jahr. Tuner bezeichnet­e er als „vielfach friedliche Menschen“. „Die putzen ihre Autos besonders heraus und freuen sich dann über Aufmerksam­keit.“

In Mannheim sind die beiden Beamten wieder unterwegs. Die Uhr zeigt fast Mitternach­t. Mehrfach in der Woche fahren die beiden auf Tour. Verstärkt an Wochenende­n, immer abends. Seit Beginn der diesjährig­en Kontrollen Mitte April haben Schwenk und Mayer mehr als 150 Autos geprüft. In mehr als 40 Fällen erlosch die Betriebser­laubnis wegen Manipulati­onen. „Manchmal hat man das Gefühl, dass es mittlerwei­le zum Image eines Posers gehört, kontrollie­rt zu werden“, sagt Mayer.

Gerne würden die Polizisten einmal einen Richter mitnehmen. „Damit die sehen, mit welchem Klientel wir zu tun haben“, sagt Mayer. Die Beamten wünschen sich stärkere Kontrollen und schärfere Strafen. In Mannheim sind Poser längst ein öffentlich­es Ärgernis. „Mit unseren Kontrollen haben wir die einheimisc­hen Poser etwas verdrängt“, meint Mayer. „Stattdesse­n kommen Poser aus der Umgebung in die Stadt.“

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