Gränzbote

Europa schaut angespannt nach Italien

Die rechte Lega und die populistis­chen Fünf Sterne einigen sich auf Regierungs­chef

- Von Thomas Migge

ROM - Am heutigen Dienstag wird Italien aller Voraussich­t nach eine neue Regierung erhalten – mehr als zwei Monate nach den Parlaments­wahlen. Am 4. März fand die Abstimmung statt, aus denen das MitteRecht­s-Bündnis mit der ausländerf­eindlichen Lega als stärkster Partei und die Protestbew­egung Fünf Sterne M5S als Sieger hervorgega­ngen sind.

Nach wochenlang­en komplizier­ten Verhandlun­gen haben nun die Lega und die M5S zusammenge­funden. Am Montagaben­d erklärten sie Staatspräs­ident Sergio Mattarella, dass sie eine Regierungs­mannschaft zusammenge­stellt und einen Kandidaten für das Amt des Regierungs­chefs gefunden haben.

Interessan­t ist dabei, dass die Lega und die M5S während des Wahlkampfs in der jeweils anderen Partei eine Gefahr für die Demokratie sahen. Doch diese Kritik scheint nun vergessen. Mit dem Hinweis auf die dringenden Probleme Italiens habe man, so Luigi Di Maio, Chef der M5S, „alle Meinungsve­rschiedenh­eiten ausgeräumt, und ein Regierungs­programm erarbeitet, das sich endlich um die wahren Probleme des Landes kümmert“.

Während Di Maio und Matteo Salvini, Chef der Lega, in den vergangene­n Tagen Kandidaten für die Ministerpo­sten gesucht haben, war unklar, wer Regierungs­chef wird. Erst am Montag wurde bekannt, dass der Jurist und Hochschulp­rofessor Giuseppe Conte der Mann ist, auf den sich Lega und M5S einigen konnten. Ein ehemaliger Sozialdemo­krat, der heute der M5S nahesteht, ohne deren Parteimitg­lied zu sein.

Wirtschaft ist besorgt

Am heutigen Dienstag wird mit großer Wahrschein­lichkeit Conte damit beauftragt, eine Regierung zu bilden. Damit wird es in Italien zum ersten Mal eine Regierung geben, die von zwei populistis­chen Parteien gebildet wird, die, so die Tageszeitu­ng „La Repubblica“, „das Blaue vom Himmel verspreche­n“.

Das Wahlprogra­mm sieht teure Ausgaben vor und wird, nach vorsichtig­en Schätzunge­n der Experten der italienisc­hen Notenbank, mindestens 60 Milliarden Euro kosten. Geld, das Italien nicht hat. Die geplante Einführung eines Grundeinko­mmens für alle Arbeitslos­en, sowie die Schaffung einer Einheitsst­euer für alle Bürger, sind finanziell nicht abgedeckt. Di Maio und Salvini erklärten am Montag, dass die EU ihnen finanzpoli­tisch entgegenko­mmen müsse.

Tatsache ist, dass seit einigen Tagen internatio­nale Investoren und Rankingunt­ernehmen mit Besorgnis nach Italien schauen. „Da kommen finanzpoli­tische und rechte Barbaren auf Europa zu“, schrieb die britische Zeitung „Guardian“provokativ. Sicherlich nicht beruhigend wirken die ständigen Drohungen von M5S und Lega mit möglichen Volksbefra­gungen über den Verbleib in der Europäisch­en Union und die Beibehaltu­ng des Euro. Unklar bleibt, ob der Staatspräs­ident Mattarella alle geplanten Minister der Regierung auch tatsächlic­h vereidigen wird. Vor wenigen Tagen erklärte er, dass er keine Regierung akzeptiere­n werde, deren Mitglieder ausgewiese­ne EU-Gegner seien.

Fraglich bleibt auch, ob der wahrschein­liche Regierungs­chef Conte auch tatsächlic­h und eigenveran­twortlich sein Amt ausführen kann. M5S-Chef Di Maio sagte am Montag, dass „nicht der Name des Regierungs­chefs wichtig ist, wichtig ist nur das Regierungs­programm“. Der Umstand, dass Conte nach der Verabschie­dung dieses Regierungs­programms ausgewählt wurde, an dem er nicht mitgearbei­tet hat, weist darauf hin, dass er, so die Zeitung „Corriere della Sera“, „nicht viel mehr als eine Galionsfig­ur von Lega und M5S sein wird“.

Die Verfassung schreibt allerdings deutlich vor, dass nur der Regierungs­chef entscheide­t. Angesichts der Konstellat­ion zweier Parteichef­s, die dem Ministerpr­äsidenten die politische Linie vorgeben, stellt sich die Frage, wie sich dieser bei internatio­nalen und bilaterale­n Treffen, bei denen es um wichtige Entscheidu­ngen gehen wird, verhalten soll. Di Maio und Salvini erklärten, dass man sich von Fall zu Fall absprechen werde. Offen bleibt, ob Staatspräs­ident Mattarella ein solches Triumvirat absegnen wird.

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FOTO: AFP Matteo Salvini, Parteichef der rechten Lega Nord, zeigt sich am Montag zufrieden über das Ergebnis.

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