Europa schaut angespannt nach Italien
Die rechte Lega und die populistischen Fünf Sterne einigen sich auf Regierungschef
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ROM - Am heutigen Dienstag wird Italien aller Voraussicht nach eine neue Regierung erhalten – mehr als zwei Monate nach den Parlamentswahlen. Am 4. März fand die Abstimmung statt, aus denen das MitteRechts-Bündnis mit der ausländerfeindlichen Lega als stärkster Partei und die Protestbewegung Fünf Sterne M5S als Sieger hervorgegangen sind.
Nach wochenlangen komplizierten Verhandlungen haben nun die Lega und die M5S zusammengefunden. Am Montagabend erklärten sie Staatspräsident Sergio Mattarella, dass sie eine Regierungsmannschaft zusammengestellt und einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs gefunden haben.
Interessant ist dabei, dass die Lega und die M5S während des Wahlkampfs in der jeweils anderen Partei eine Gefahr für die Demokratie sahen. Doch diese Kritik scheint nun vergessen. Mit dem Hinweis auf die dringenden Probleme Italiens habe man, so Luigi Di Maio, Chef der M5S, „alle Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt, und ein Regierungsprogramm erarbeitet, das sich endlich um die wahren Probleme des Landes kümmert“.
Während Di Maio und Matteo Salvini, Chef der Lega, in den vergangenen Tagen Kandidaten für die Ministerposten gesucht haben, war unklar, wer Regierungschef wird. Erst am Montag wurde bekannt, dass der Jurist und Hochschulprofessor Giuseppe Conte der Mann ist, auf den sich Lega und M5S einigen konnten. Ein ehemaliger Sozialdemokrat, der heute der M5S nahesteht, ohne deren Parteimitglied zu sein.
Wirtschaft ist besorgt
Am heutigen Dienstag wird mit großer Wahrscheinlichkeit Conte damit beauftragt, eine Regierung zu bilden. Damit wird es in Italien zum ersten Mal eine Regierung geben, die von zwei populistischen Parteien gebildet wird, die, so die Tageszeitung „La Repubblica“, „das Blaue vom Himmel versprechen“.
Das Wahlprogramm sieht teure Ausgaben vor und wird, nach vorsichtigen Schätzungen der Experten der italienischen Notenbank, mindestens 60 Milliarden Euro kosten. Geld, das Italien nicht hat. Die geplante Einführung eines Grundeinkommens für alle Arbeitslosen, sowie die Schaffung einer Einheitssteuer für alle Bürger, sind finanziell nicht abgedeckt. Di Maio und Salvini erklärten am Montag, dass die EU ihnen finanzpolitisch entgegenkommen müsse.
Tatsache ist, dass seit einigen Tagen internationale Investoren und Rankingunternehmen mit Besorgnis nach Italien schauen. „Da kommen finanzpolitische und rechte Barbaren auf Europa zu“, schrieb die britische Zeitung „Guardian“provokativ. Sicherlich nicht beruhigend wirken die ständigen Drohungen von M5S und Lega mit möglichen Volksbefragungen über den Verbleib in der Europäischen Union und die Beibehaltung des Euro. Unklar bleibt, ob der Staatspräsident Mattarella alle geplanten Minister der Regierung auch tatsächlich vereidigen wird. Vor wenigen Tagen erklärte er, dass er keine Regierung akzeptieren werde, deren Mitglieder ausgewiesene EU-Gegner seien.
Fraglich bleibt auch, ob der wahrscheinliche Regierungschef Conte auch tatsächlich und eigenverantwortlich sein Amt ausführen kann. M5S-Chef Di Maio sagte am Montag, dass „nicht der Name des Regierungschefs wichtig ist, wichtig ist nur das Regierungsprogramm“. Der Umstand, dass Conte nach der Verabschiedung dieses Regierungsprogramms ausgewählt wurde, an dem er nicht mitgearbeitet hat, weist darauf hin, dass er, so die Zeitung „Corriere della Sera“, „nicht viel mehr als eine Galionsfigur von Lega und M5S sein wird“.
Die Verfassung schreibt allerdings deutlich vor, dass nur der Regierungschef entscheidet. Angesichts der Konstellation zweier Parteichefs, die dem Ministerpräsidenten die politische Linie vorgeben, stellt sich die Frage, wie sich dieser bei internationalen und bilateralen Treffen, bei denen es um wichtige Entscheidungen gehen wird, verhalten soll. Di Maio und Salvini erklärten, dass man sich von Fall zu Fall absprechen werde. Offen bleibt, ob Staatspräsident Mattarella ein solches Triumvirat absegnen wird.