Das zweite Leben der PET-Flaschen
Adidas verkauft eine Million Schuhe aus recycelten Ozeanplastik
● KREUZLINGEN - Vom Kühlschrank in den Kleiderschrank – die Auswahl an Mode aus recycelten PET-Getränkeflaschen kann sich mittlerweile sehen lassen. Turnschuhe, Trikot, Abendkleid – was vor wenigen Jahren noch eine Rebellion kleiner ÖkoLabels war, ist heute zum Vorzeigeprodukt großer Textilriesen wie H&M oder Adidas geworden. Das Geschäft lohnt sich. Zumindest für die Hersteller. Allein Adidas hat im vergangenen Jahr mehr als eine Million Turnschuhe aus Ozeanplastik verkauft.
Material gibt es genug. Allein der Große Pazifische Müllstrudel nordöstlich von Hawaii soll mehr als viermal so groß wie Deutschland sein. Tiere verenden, weil sie Plastikteilchen für Futter halten und mancherorts soll man vor lauter Müll gar keine Meeresbewohner mehr erkennen können. Laut Umweltbundesamt kommen jedes Jahr noch etwa zehn Millionen Tonnen Plastikmüll hinzu.
Angesichts dieses Szenarios haben sich neben Umweltorganisationen mittlerweile auch einige Bekleidungshersteller den Kampf gegen die Vermüllung der Ozeane auf die Fahne geschrieben. Herausgekommen sind Kollektionen aus Fischernetzen, Tüten und Plastikflaschen (siehe Kasten).
Elf Flaschen für ein paar Schuhe
Ganz vorne mit dabei ist Adidas. Der fränkische Sportartikelhersteller hat 2017 angekündigt, eine Million Turnschuhe aus Ozeanplastik verkaufen zu wollen. Hinter der Kampagne steht die Organisation Parley for the Oceans, die Adidas 2015 mitgegründet hat. Ziel dieser Vereinigung aus Kreativen, Denkern und Lenkern ist es laut Adidas, Ökoinnovation bei Material und Produkten voranzutreiben, ein Bewusstsein für die Umweltzerstörung zu schaffen und die derzeitigen Kunststoffe neu zu erfinden. Zudem soll verhindert werden, dass weitere Plastikabfälle ins Meer gelangen.
Dazu sammelt Parley zusammen mit Partnerorganisationen unter anderem an Stränden auf den Malediven PET-Flaschen ein. Ein lokales Team kümmert sich um die Sammelaktion vor Ort und überwacht die Arbeitsbedingungen. Bei jeder Reinigungsaktion soll auch die Bevölkerung aufgeklärt werden. Anschließend werden die Abfälle zu den Zulieferbetrieben nach Taiwan transportiert, wo sie zu Garnfasern und am Ende zu Trikots und Turnschuhen verarbeitet werden. Das Garn ist markenrechtlich geschützt.
„Mit der Herstellung von einem Paar Parley Schuhen sorgen wir dafür, dass circa elf Plastikflaschen nicht im Meer landen“, teilt Adidas mit. Die Botschaft kommt offenbar an. Die Nachfrage hat alle Erwartungen übertroffen. Mehr als eine Million Turnschuhe aus Ozeanplastik hat Adidas im ersten Jahr verkauft. 2018 sollen es fünf Millionen werden. Bei jährlich 360 Millionen Paar Schuhe ist das Segment bisher zwar überschaubar, doch es soll weiterwachsen. Auch Trikots, Badebekleidung und Outdoorschuhe sind bereits auf dem Markt. Die Fußballteams von Real Madrid und Bayern München hat Adidas werbewirksam mit den Ozean-T-Shirts ausgestattet und damit weltweit Beachtung gefunden.
Die aus PET-Flaschen gewonnenen Polyesterfasern eignen sich besonders für Sportbekleidung, weil sie Feuchtigkeit gut vom Körper wegtransportieren können. Grundstoff ist Polyester – ein Produkt, das aus Öl gewonnen wird und damit zunehmend knapper und teurer wird. Elf PET-Flaschen stecken laut Hersteller in jedem Ozean-Schuh.
Inwiefern auch die Umwelt von den Recyclingaktionen profitiert, steht allerdings auf einem anderen Blatt. „Die Ozeane rettet man dadurch nicht“, sagt Kai Nebel, Textilforscher an der Hochschule Reutlingen. Denn auch das Recyceln vom Waschen, Entfärben bis hin zum Einschmelzen verbraucht viel Energie und Chemie. Zudem würde nur ein ganz kleiner Teil des verbrauchten Erdöls zu Kleidung verarbeitet, sagt Nebel. „97 Prozent wird mit Autos in die Luft geblasen.“Für den Textilforscher ist die Ozeankollektion technologisch zwar interessant, insgesamt aber eher ein Marketinggag, um noch mehr Plastikkleider zu verkaufen. Wer für die Umwelt etwas tun will, sollte lieber weniger Kleidungsstücke kaufen und dafür lange tragen. Laut einer Greenpeace-Umfrage liegen alleine in Deutschland eine Milliarde Kleidungsstücke ungetragen im Schrank.
Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, hält die Herstellung von Kunststoffen aus den Weltmeeren zur Herstellung von Textilien für hochproblematisch, weil Plastik Wechselwirkungen mit seiner Umgebung eingeht und Schadstoffe besonders gut speichert. „Besonders kleine Plastikteilchen ziehen hochgiftige Stoffe wie Dioxine wie Magneten an“, so Fischer. „Solche Stoffe sind völlig ungeeignet für die Herstellung von Produkten, die auf der Haut getragen werden.“Besser wäre es, die PET-Flaschen zu Kleidung zu verarbeiten, bevor sie als Abfall in der Umwelt landen. Die Einwegflaschen aus den Automaten seien zur Herstellung von Kleidung sehr gut geeignet. Bislang würden jedoch nur rund 30 Prozent wiederverwertet. Hersteller von Funktions- und Sportbekleidung sollten daher für ihr komplettes Sortiment Recyclingmaterial verwenden. „Das Material ist da. Es muss nur genutzt werden.“