Ein Schuss hat gefehlt
Die Schweiz gewinnt Silber bei der Eishockey-WM und hadert doch mit ihrem Schicksal
KOPENHAGEN (SID) - Als die Schweden ihnen das Gold vom Silbertablett gerissen hatten, verließen die Schweizer Eishockeyhelden die letzten Kräfte. An die Bande gelehnt saßen sie auf dem Eis und starrten ins Nichts, Tränen füllten ihre Augen. „Eine riesige Leere ist im Moment da“, sagte Stürmer Simon Moser. Fast apathisch nahmen die Eidgenossen ihre Silbermedaillen entgegen. Als der alte und neue Weltmeister im goldenen Konfettiregen seinen elften Titel feierte, waren sie längst in der Kabine verschwunden.
Das Finaldrama von Kopenhagen weckte Erinnerungen an die deutsche Olympiasensation in Pyeongchang. Wieder hatte der krasse Außenseiter geführt, wieder war es in die Verlängerung gegangen, wieder hatte am Ende der Favorit triumphiert. Doch nach dem 2:3 der Schweizer nach Penaltyschießen wollte die Enttäuschung nicht so schnell weichen wie zwölf Wochen zuvor in Südkorea, als bei Marcel Goc, Christian Ehrhoff und Co. nach dem 3:4 gegen Russland mit Silber um den Hals der Stolz über den Schock siegte.
„Olympia ist noch mal eine andere Größenordnung, aber im Grunde ist es das Gleiche, das wir gemacht haben“, sagte DEB-Präsident Franz Reindl: „Es zeigt, dass alles möglich ist.“
Aber auch beim Empfang am Montagmittag auf dem Flughafen ZürichKloten strahlten die Schweizer Überflieger noch nicht, die Müdigkeit versteckte sich hinter Sonnenbrillen.
Der Absturz so kurz vor dem ultimativen Ziel war für sie schmerzhafter, weil sie ihn schon einmal erlebt hatten. Während für die Deutschen der Finaleinzug bei Olympia der größte Erfolg ihrer Eishockeygeschichte war, wiederholten die Eidgenossen in der Royal Arena ihren Coup von 2013. „Wieder haben uns die Schweden die Party versaut“, meinte Trainer Patrick Fischer, „sie sind Spezialisten darin.“
Wie 2013 – und doch anders
Anders als beim 1:5 vor fünf Jahren in Stockholm hatte die „beste Nati aller Zeiten“– wie der Boulevard das Team mit acht NHL-Profis getauft hatte – diesmal ihre erste Goldmedaille fast schon in der Hand. Nach Toren von Nino Niederreiter (17. Minute) und Timo Meier (24.) führten die Schweizer in der regulären Spielzeit zweimal, auch im Penaltyschießen lagen sie nach dem Treffer von Sven Andrighetto vorne. Doch immer fanden die Schweden eine passende Antwort: Gustav Nyquist (18.) und Mika Zibanejad (35.) glichen zweimal aus, Filip Forsberg verwandelte den entscheidenden Penalty. „Auf diese Art und Weise zu gewinnen, fühlt sich großartig an“, sagte Stürmer Lias Andersson, „eine Saison so zu beenden, ist unglaublich.“
Keinen Trost fand dagegen der Schweizer NHL-Verteidiger Roman Josi, einer von fünf Spielern, die schon 2013 im Endspiel gestanden hatten. „Es wird mir diesmal schwerer fallen, mit Silber glücklich zu sein“, gab der 27-Jährige zu. Allerdings glauben Josi und Co., dass sie eine weitere Chance erhalten werden – anders als die deutschen Olympiahelden, die ihren historischen Erfolg für einmalig hielten.
„Ich habe immer gesagt, dass die Schweiz irgendwann Weltmeister wird“, betonte Patrick Fischer: „Vielleicht erlebe ich es noch als Trainer, vielleicht als Fan, aber irgendwann werde ich es erleben.“Der 42-Jährige, im Dezember 2015 als Notlösung zum Cheftrainer gemacht, war nach dem frühen Olympia-Aus gegen die deutsche Mannschaft noch harsch kritisiert worden. Am Sonntag konnte er sagen: „Als ich vor ein paar Monaten vom Titel sprach, hat man mich ausgelacht. Jetzt hat ein Schuss gefehlt, so knapp war es.“
Der US-Amerikaner Patrick Kane ist bei der WM in Dänemark zum besten Spieler gewählt worden. Wie der Weltverband IIHF nach dem Endspiel bekannt gab, bekam der Stürmer der Chicago Blackhawks die meisten Stimmen der Journalisten und gehört auch zum All-Star-Team. Der dreimalige Stanley-Cup-Sieger Kane hatte die USA als Kapitän mit acht Toren und zwölf Vorlagen zu WM-Bronze geführt. Das Spiel um Platz drei hatten die USA am Sonntag mit 4:1 gegen Kanada für sich entschieden. Neben Kane wurden vier Spieler von Weltmeister Schweden ins All-Star-Team gewählt. Torhüter Anders Nilsson ist ebenso dabei wie die Verteidiger Adam Larsson und Oliver Ekman-Larsson sowie Stürmer Rickard Rakell. Der finnische Top-Torjäger Sebastian Aho komplettiert die Auswahl.