Der einzige Doublesieger heißt Niko Kovac
Der Coach hat einen Titel für Frankfurt abgeräumt – und Respekt bei Bayern gewonnen
●Der Wirbel um den versagten Elfmeter für den FC Bayern in der Nachspielzeit des DFB-Pokalfinals durch Schiedsrichter
Felix Zwayer
(Foto: dpa) lässt die Zweifel am Videobeweis schon vor der WM weiter kräftig wachsen. Als einer von 13 Unparteiischen ist der 37-Jährige bei der WM in Russland als VideoSchiedsrichter im Einsatz. „Dann brauchen wir auch keinen Videobeweis, dann können wir es auch lassen. Aber so ist es eine Vollkatastrophe“, zürnte Bayerns Torhüter Sven Ulreich über den ausgebliebenen Strafstoßpfiff Zwayers. Dass dieser in der Nachspielzeit auch nach Studium der Bilder an der Seitenlinie nicht auf Foul von Frankfurts Kevin-Prince Boateng an Javi Martínez erkannte, erleichterte selbst den Sensationssieger. „Ich treffe ihn, wenn er Elfmeter gibt, kann ich mich nicht beschweren“, gestand Boateng nach dem 3:1. Zwayer verteidigte am Montag seine Entscheidung. „Auf den Bildern habe ich keinen Kontakt gesehen, der mich überzeugt hat, meine ursprüngliche Wahrnehmung und Entscheidung zu ändern. Auch mit dem Abstand von zwei Tagen stehe ich zu dieser Entscheidung“, sagte Zwayer dem „kicker“. „Treffer und Wirkung haben für mich nicht zusammengepasst“, betonte er. DFB-Schiedsrichter-Boss Lutz Michael Fröhlich konnte diese Begründung zwar nachvollziehen, sagte dem „kicker“aber auch: „Gleichwohl machen wir uns in der Kommission intensiv Gedanken darüber, ob solche Entscheidungen in der Öffentlichkeit noch nachvollziehbar sind, da es dort schon eine erdrückende Meinungsmehrheit in Richtung Strafstoß gibt.“
Für Zwayer war es nicht der erste unglückliche Auftritt dieser Saison. Ende Oktober schaute er eine fragwürdige Elfmeterentscheidung beim Bundesligaspiel zwischen Wolfsburg und Hoffenheim noch einmal an – und blieb dabei. (dpa)
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FRANKFURT - Erbarme, die Pokalsieger komme’! Gefühlt ganz Frankfurt bebte am Sonntagnachmittag als der Eintracht-Tross samt Pott die Mainmetropole erreichte. Ausnahmezustand! Nach der Landung am Frankfurter Flughafen ging es in offenen Cabrios zur Innenstadt, die Spieler mit Bierflaschen ausgestattet, Sportvorstand Fredi Bobic und Trainer Niko Kovac filmten und fotografierten die Party – als Fans von den Fans.
Der Feier-Konvoi kam kaum voran durch das Spalier von abertausenden Anhängern. Im Rathaus folgte der Eintrag ins Goldene Buch, danach ging’s raus auf den Balkon am Römerberg, unten feierten 20 000 Fans den erfrischend unerwarteten Triumph der Eintrracht im DFB-Pokalfinale über den FC Bayern München.
Einer wurde auf dem Römer besonders gefeiert: Niko Kovcac. Jener gebürtiger Berliner, Sohn kroatischer Einwanderer, der Frankfurt den ersten Titel seit 30 Jahren bescherte und nun nach München geht, zum FC Bayern, den seine Mannschaft am Samstag mit 3:1 besiegte dank zweier Tore von Ante Rebic und eines Empty-Net-Treffers durch Mijat Gacinovic.
Kovac, seit Bekanntwerden seines künftigen Jobs bei Bayern nicht mehr wohl gelitten und teilweise ausgepfiffen, hat mit dem 3:1 nicht nur seinen ersten Titel als Trainer, sondern vor allem Respekt (zurück-)gewonnen. Sowohl auf der Ehrenrunde im Berliner Olympiastadion als auch während der Feier in Frankfurt wurde Kovac mit „Ni-ko! Ni-ko!“Sprechchören bedacht. Was für ein Emotions-Turnaround.
Der Gefeierte nimmt die Huldigungen sichtlich gerührt entgegen, am Abend zuvor hatte er vor der Fankurve Freudentränen geweint. „Ich schäme mich meiner Gefühle nicht. Die, die mich kennen, wissen, dass ich ein sehr emotionaler Mensch bin“, erklärte er, „ich gehe und wir sind Pokalsieger. Daher ist es ein schwerer, aber auch schöner Abschied.“Und ein würdevoller, strahlender. Beinahe märchenhaft.
„Trainer, du hast uns den Titel geschenkt und uns richtig heiß gemacht auf die Bayern“, rief KevinPrince Boateng auf dem Römer, „danke dafür! Deine Arbeit ist großartig und jetzt darfst du auch weiterziehen.“Absolution erteilt. Jeder gönnte Kovac diesen Coup.
Leidenschaft und Mentalität hatten Qualität besiegt, das war das Geheimnis des sensationellen 3:1. „Man hat von der ersten Minute an gemerkt, dass wir das Ding holen wollten. Wir sind eine Einheit, eine Mannschaft“, sagte Boateng und erklärte: „Wir wollten dem Trainer einen geilen Abschied bescheren. Dem Trainer gehören mindestens 90 Prozent. Seine Ansprache, sein Video, das er uns vor dem Spiel gezeigt hat – beides unglaublich emotional.“Und auch Kovac’ Matchplan ging auf. „Der Trainer hat wieder die richtige Taktik gefunden, hat die Mitte zugemacht. So musst du spielen, wenn du gegen Bayern bestehen willst“, meinte Bobic.
Erstes Pflichtspiel als Bayerncoach – gegen Frankfurt
Demnächst taucht Kovac ein in eine andere Welt, in den Bayern-Kosmos, den er von seiner aktiven Zeit (20012003) kennt. Er tritt in die riesigen Fußstapfen von Jupp Heynckes, wird aber – zum Glück aus seiner Sicht – nicht am Double oder gar Triple gemessen. Er muss seinen eigenen Weg finden im Umgang mit dem Superstarkader, mit den Erwartungen in München. Der Gradmesser für den echten Erfolg wird auch bei ihm die Champions League sein. Für Kovac, der bei Bayern einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat, dürfte die Ankunft an der Säbener Straße nun zumindest um einiges leichter werden. Er kommt nun, wenn man so will, als Doublegewinner. Als Frankfurter Held einerseits, der andererseits durch diesen Coup auch an Wertschätzung und Respekt in der Bayernkabine gewonnen haben dürfte.
„Wir haben Niko ausgesucht, weil er wie Jupp das Familiäre und Menschliche hat“, sagte Bayern-Präsident Uli Hoeneß am Sonntag, „das ist wichtiger, als wenn uns einer erklären kann, was eine falsche Neun oder flache Raute ist.“Da klang auch ein wenig Erleichterung heraus. Schließlich war Kovac nach Heynckes und Thomas Tuchel, der Paris St. Germain bevorzugte, die C-Lösung, auch mit Ralph Hasenhüttl hatte man Kontakt.
Am 8. Juli tritt Kovac nach dem Familienurlaub in Kroatien mit Frau Kristina und Tochter Laura seinen Dienst an in München, am zweiten August-Wochenende steht das erste Pflichtspiel als Bayerncoach an: Im Supercup. Gegen Pokalsieger Eintracht. In Frankfurt. Tja – selbst eingebrockt.