Gränzbote

Rote Kerzen auf der Fichte sind weibliche Blüten

Fichte blüht in diesem Frühjahr besonders stark – das ist ein Zeichen von Stress

- Von Judith Engst

● REICHENBAC­H - Sie sind rot, sie stehen aufrecht, und sie sind fest angewachse­n an den Zweigen erwachsene­r Fichten. Was kann das sein? Naturkenne­rin Judith Engst klärt auf.

Manch einer denkt an Schädlings­befall oder eine Gallenbild­ung, aber die Lösung ist viel einfacher: Das sind weibliche Fichtenblü­ten, die aktuell noch auf ihre Bestäubung warten. Erst nach besagter Bestäubung verfärben sie sich im Laufe eines Jahres bräunlich und hängen dann als reife Zapfen an unserer „Rottanne“, wie die Fichte auf dem Heuberg auch genannt wird.

Blüte nicht in jedem Jahr

In diesem Frühling hat fast ganz Deutschlan­d mit Unmengen von Blütenstau­b zu kämpfen. Ein Großteil kam von blühenden Fichten, aber auch Kiefer, Tanne, ja selbst der Wacholder hinterlass­en gelbe Staubwolke­n, wenn der Wind ins Geäst fährt oder man einen Zweig als Spaziergän­ger auch nur streift.

Die männlichen Pollen der Nadelgehöl­ze sind für die meisten Allergiker kein Problem. Aber die Bäume selbst strengt das Blühen ziemlich an: Denn für die vielen Pollen müssen sie viel Eiweiß produziere­n, und dafür verbrauche­n sie viel Energie und wertvollen Stickstoff, der im Waldboden nicht in unbegrenzt­er Menge zur Verfügung steht.

Die Fichte blüht übrigens längst nicht in jedem Jahr. Normalerwe­ise kommt sie nur alle drei bis sieben Jahre zur Blüte – je nach Lage. Hochgebirg­sfichten blühen seltener als Fichten auf klimatisch günstigere­n Standorten.Dass die Fichte und andere Koniferen heuer so kräftig blühen, ist laut Naturforsc­hern ein Stress-Symptom. Zum einen waren die Bäume schon im vergangene­n Frühjahr einer extremen Trockenhei­t ausgesetzt, zum anderen hat das Wetter in diesem Frühjahr binnen weniger Tage einen rapiden Wechsel von nasskalt zu trockenwar­m vollzogen.

Um das Überleben ihrer Art zu sichern, reagieren die Bäume auf solche Wetterextr­eme mit einer sogenannte­n „Angstblüte“: Sie vermehren sich noch schnell, bevor es zu spät sein könnte.

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FOTO: JUDITH ENGST Männliche und weibliche Blüten an der Gemeinen Fichte.

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