Gränzbote

Landsleute sollen türkische Lira retten

Erdogan will die Talfahrt der Währung stoppen – Finanzmärk­te misstrauis­ch

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT – Kann Staatschef Erdogan den Fall der türkischen Lira stoppen? Am Samstag hatte der türkische Ministerpr­äsident an seine Landsleute appelliert, sie sollten die Dollar und Euro unter ihren Kopfkissen in Lira umtauschen: „Wir werden zusammen dieses Komplott vereiteln“, sagte er. Selten sei so ein Appell an das Nationalge­fühl in solchen Krisen nicht, sagte Ulrich Leuchtmann, Devisenexp­erte der Commerzban­k. Da werde die Schuld gern ausländisc­hen Spekulante­n oder Rating-Agenturen gegeben.

Die türkische Lira hat sich nach ihrem Absturz der letzten Wochen gestern zwar um bis zu drei Prozent gegenüber dem Euro und dem Dollar erholt, doch dann bröckelte der Kurs wieder ab. Zuvor hatte die türkische Notenbank entschiede­n, ihre Geldpoliti­k zu vereinfach­en. Sie wählte nun wieder den Hauptzinss­atz für einwöchige­s Zentralban­kgeld als Leitzins, den auch andere Notenbanke­n weltweit nutzen. Damit ist der Verfall der türkischen Währung erst einmal gestoppt. Zuvor hatte sie den sogenannte­n „Spätauslei­hungszinss­atz“verwendet, doch das machte ihre Geldpoliti­k für die Finanzmärk­te intranspar­ent. Seit Jahresbegi­nn hatte sie gegenüber dem Dollar und dem Euro mehr als 20 Prozent verloren.

Doch die eigentlich­en Gründe für die Lira-Schwäche sieht Leuchtmann in der „unkonventi­onellen“Geldpoliti­k bisher. Denn Erdogan ist trotz der hohen Inflation in der Türkei gegen höhere Zinsen, mit denen die anderen Notenbanke­n arbeiten. In der vergangene­n Woche hob die türkische Notenbank zwar ihren „Spätauslei­hungssatz“an. „Das aber war ein viel zu geringer Schritt“, kritisiert Leuchtmann, „da hätte man die Märkte mit einer deutlicher­en Anhebung überrasche­n müssen.“Deshalb verpuffte die Aktion schnell. Außerdem sind die Finanzmärk­te misstrauis­ch: Sie fürchten, dass Erdogan nach einem möglichen Wahlsieg am 24. Juni noch stärkeren Einfluss auf die Geldpoliti­k nehmen könnte – mit weiteren „unkonventi­onellen“ Rezepten. Je schwächer aber eine Währung, desto schwierige­r wird es für die Wirtschaft: Importe werden teurer, Exporte werden billiger und bringen den türkischen Unternehme­n weniger Einnahmen. Die aber sind mit netto 220 Milliarden Dollar verschulde­t.

Lange Jahre waren jedoch ausländisc­he Investoren in das Land gekommen, die aber zeigen sich wegen der Krise stark verunsiche­rt. „Es wird letztendli­ch entscheide­nd sein, ob die türkische Regierung und die türkische Zentralban­k den Markt davon überzeugen können, dass sie weiterhin ein attraktive­r Platz für ausländisc­hes Kapital sind“, glaubt deshalb auch Ulrich Leuchtmann. Die kleinen Beträge, die die türkischen Haushalte vielleicht „unter dem Kopfkissen“hätten, seien vom Volumen nicht entscheide­nd.

Vorbild Südkorea?

Allerdings könnte es dennoch helfen, den Investoren ein besseres Gefühl zu geben, meint der Devisenexp­erte und verweist auf das Verhalten der Südkoreane­r in der Asienkrise der neunziger Jahre. Damals hatten die ihre Goldbestän­de der Zentralban­k übertragen, die dadurch ihre Goldreserv­en aufstocken konnte: „Da war das Entscheide­nde, dass der Markt sah, dass die südkoreani­sche Gesellscha­ft insgesamt bereit war, gewissen Schmerz hinzunehme­n, um aus der Krise wieder rauszukomm­en.“Diese Nachricht habe der Finanzmark­t positiv aufgenomme­n, das habe deshalb dazu beigetrage­n, die Krise in Südkorea abebben zu lassen.

 ?? FOTO: DPA ?? Erdogan setzt in der Geldpoliti­k auf unkonventi­onelle Rezepte.
FOTO: DPA Erdogan setzt in der Geldpoliti­k auf unkonventi­onelle Rezepte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany