„Europa muss enger zusammenrücken“
BERLIN - Mit Marcel Fratzscher (Foto: dpa), Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sprach Tobias Schmidt.
Ist das der Auftakt eines echten Handelskrieges?
Eine Eskalation ist jetzt ernsthaft zu befürchten. Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium sind eher ein symbolischer Schritt. Das wird bei den Europäern nicht viel Schaden anrichten den Amerikanern keine echten Vorteile bringen. Jobs werden dadurch nicht in die USA zurückkehren. Es ist offen, ob es Trump dennoch dabei belässt, weil er im Wahlkampf sagen kann, er habe sein „America-First“-Versprechen umgesetzt. Wenn er wirklich etwas ändern will, wäre die weitere Eskalation der logische nächste Schritt.
Europa muss sich auf Importzölle für Autos vorbereiten?
Diese Sorge ist sehr berechtigt. Trump hat dies mehrmals angekündigt. Und mit seinen möglichen Abwehrmaßnahmen wäre Trump gerade gegenüber Deutschland nicht völlig im Unrecht. Die Bundesrepublik hat einen enormen und viel zu hohen Handelsüberschuss. Da muss sich die Regierung endlich mal ehrlich machen und den Vorwurf akzeptieren. Deutschland bricht, was die Leistungsbilanz betrifft, seit Jahren die EU-Regeln. Es ist zynisch, die Nachbarn immer wieder zur Einhaltung der gemeinsamen Regeln zu ermahnen, während Berlin selbst dagegen verstößt.
Wie sollte die Bundesregierung reagieren?
Es muss mehr im Inland investiert und die Investitionsbedingungen für ausländische Firmen müssen verbessert werden. Überfällig ist auch, die Wettbewerbsbeschränkungen gerade im Dienstleistungsbereich zu lockern. Den massiven Exportüberschuss immer wieder durch die tollen Leistungen deutscher Firmen zu „entschuldigen“, ist Quatsch. Ursache ist, dass der Unterschied zwischen Exporten und Importen viel zu groß ist, also viel zu wenig importiert wird. Und daran lässt sich sehr wohl etwas ändern.
Wird Trump Europa spalten?
Sein Vorgehen stellt die Europäer vor eine wichtige Bewährungsprobe, das ist ein harter Stresstest. Europa muss die Herausforderung annehmen und enger zusammenrücken. Auch beim Brexit und in Italien manifestieren sich enorme Fliehkräfte. Die Botschaft ist: Die Bundesregierung kann Europa nicht länger ignorieren, wie sie es seit 2012 getan hat! Sie muss dringend einen Plan für Europa auf den Tisch legen und darf die EU nicht länger als marginales Thema betrachten.