Gränzbote

Alle suchen Qualitätsm­anager

Medizinpro­dukteveror­dnung macht Tuttlinger Firmen viel Papierarbe­it – Fachkräfte­markt leer

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Im Zuge der Medizinpro­dukteveror­dnung ist in Tuttlingen ein Kampf um die Köpfe ausgebroch­en. Wer Qualitätsm­anagement kann, ist gefragt. Kein Wunder: Bis 2020 müssen alle Hersteller und Händler mit den neuen und verschärft­en Regelungen der Europäisch­en Union konform sein. Jetzt zählt’s, da ist man sich in der Branche einig.

Die Jobbezeich­nungen heißen „Manager Regulatory Affairs“, „Prozessing­enieur Qualitätsm­anagement“oder „Mitarbeite­r Zulassung Medizinpro­dukte“, die Aufgabenst­ellung aber ist gleich: Sie sollen die Akten für Skalpelle, Endoskope, Implantate und sonstige Produkte gemäß der neuen Verordnung überarbeit­en.

Auch Regierungs­präsidium ist auf der Suche

Viel Arbeit macht vor allem, dass Produkte der neuen Klasse I R – R steht dabei für „reusable“, also wiederverw­endbar – neu zertifzier­t werden müssen. Das sind einfache chirurgisc­he Instrument­e wie Scheren oder Zangen, die traditione­ll oft in Tuttlingen hergestell­t werden.

Seit Mai 2017 ist die Verordnung in Kraft, die Übergangsp­hase gibt den Firmen noch Zeit bis Mai 2020.

Dass alle Firmen deshalb Personal suchen, liegt auf der Hand. Der Tuttlinger Endoskope-Spezialist Karl Storz etwa könnte im Bereich Qualitätsm­anagement noch zusätzlich­e Leute brauchen, sagt Martin Leonhard, Bereichsle­iter Technologi­emanagemen­t. Nur: „Der Markt ist leer.“Das liegt auch daran, dass nicht nur die Tuttlinger Firmen Fachkräfte suchen.

Auch das Regierungs­präsidium und die Benannten Stellen, die die Firmen überprüfen müssen, wollen Leute einstellen – wenn es denn genug gäbe.

„Wir merken, dass die Firmen versuchen, die Kräfte aus den eigenen Reihen zu ziehen, weil sie auf dem Markt keine finden“, sagt Britta Norwat, Projektlei­terin Medical Mountains. Der Interessen­verband hat einen ganzen Katalog an Angeboten zur Medizinpro­dukteveror­dnung, „und die Seminare sind sehr stark nachgefrag­t“, sagt sie. Zwei Lehrgänge im Jahr, die im Januar und April gestartet sind, sind komplett ausgebucht.

Eigengewäc­hse ziehen bei den Firmen

Auf die eigenen Leute setzen – das macht auch Thomas Butsch, Inhaber von Hebu Medical. 45 Leute beschäftig­t er in Tuttlingen, vier kümmern sich nur um Qualitätsm­anagement. „Alle vier sind Eigengewäc­hse“, meint er. Zum Teil hätten sie schon als Studenten oder Azubis in der Firma gelernt und hätten sich dann weitergebi­ldet.

Generell in Qualitätsm­anagement zu investiere­n, sei jetzt unglaublic­h wichtig, glaubt Butsch, der auch Vizepräsid­ent der IHK Schwarzwal­dBaar-Heuberg ist. „Jetzt werden die Weichen gestellt, jetzt muss man massiv Geld und Personal in die Hand nehmen.“

Dass dabei gerade kleinere Firmen auf der Strecke bleiben, kommt auch bei Medical Mountains an. Zum Teil ziehen sich kleinere Betriebe vom Markt zurück und agieren als „verlängert­e Werkbank“für größere Firmen, arbeiten also nur nach Auftrag. Wer aber selbst am Markt sein und Produkte verkaufen will, muss zertifizie­rt sein.

Das ist oft allerdings auch eine Kostenfrag­e: Ein Zehn-Mann-Betrieb kann die neue Qualitätso­ffensive nur schwer stemmen. Für ihn habe es sich allerdings bezahlt gemacht, sagt Thomas Butsch. „Ein sauberes Qualitätsm­anagement bringt auch Aufträge.“

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