Lasst die Spiele beginnen
Der Gastgeber bittet zu Tisch. Alle vier Jahre wird das kostbarste Menü der Sportwelt serviert, jedes Mal kostspieliger: die Fußball-Weltmeisterschaft.
Russland, der im Westen umstrittene Gastgeber, gegen Saudi-Arabien – welch pikantes Eröffnungsspiel im sportpolitischen Sinne. Während sich andernorts soeben die NichtWM-Teilnehmer USA und Nordkorea an einen Tisch gesetzt haben, lädt Wladimir Putin zur Party, die im Idealfall völkerverbindende Wirkung haben soll. Die Welt zu Gast bei ... bei wem eigentlich?
Bei einem Staat, in dem Werte wie Menschenrechte, Demokratie und Freiheit einen Minderwertigkeitskomplex bekommen können. Bei einem Präsidenten, dessen Land völkerrechtswidrig die Krim annektiert hat und prorussische Separatisten unterstützt, die in der Ostukraine Krieg führen. Zahlreiche EU-Abgeordnete fordern, dass europäische Regierungschefs keine WM-Spiele besuchen sollten. Aber würde ein Boykott helfen? Die nächste WM 2022 findet in Katar statt. Ein schlechter Witz im Wüstenstaat. Aber man muss sich leider an Ausrichter wie diese gewöhnen.
Dialog sollte auf diplomatischer Ebene das Ziel sein. Politiker sollen miteinander reden – und Fans miteinander feiern. Das Sommermärchen 2006 wurde solch ein großer Erfolg, weil die Besucher feststellten, dass Deutschland gar nicht so spröde, verklemmt und unlustig sein muss. Bei der WM 2018 könnten ebenfalls gegenseitige Vorurteile abgebaut werden – und die Gastgeber erfahren, wie bunt – und hoffentlich ohne Ausschreitungen – das Fanvolk Russland bereichert.
Die Menschen, das habe ich in den ersten eineinhalb Tagen vor Ort gespürt, vom Taxifahrer zum Kellner bis hin zu den vielen Freiwilligen, freuen sich über die Gäste aus aller Welt, bemühen sich, kümmern sich – mal mit etwas Englisch, mal mit Händen und Füßen, immer mit Herz.
Also lasst die Spiele beginnen, den Ball rollen. Franz Beckenbauer verknappte dies stets auf: „Geht’s naus und spielt’s Fußball.“Der Russe sagt: Dawai!