Apotheker fürchten Fall der Preisbindung
Versandverbot für rezeptpflichtige Medikamente könnte Verbraucher einschränken
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RAVENSBURG - Den Versand von verschreibungspflichtigen Medikamenten verbieten. Dieser Gesetzesvorschlag steht im Koalitionsvertrag und würde die Position der deutschen Präsenzapotheken stärken. Die Versandapotheken im In- und Ausland allerdings sind bereit zu klagen, sollte das Gesetz kommen. Damit könnte auch die Preisbindung fallen.
„Wir befinden uns in der Situation eines ungleichen Wettbewerbs“, sagt Frank Eickmann vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg: „Ausländische Versandapotheken dürfen Rabatte geben, inländische Präsenz- und Versandapotheken nicht.“Diese Situation ist ein Resultat eines Urteils des europäischen Gerichtshofs (EuGH). Vor zwei Jahren entbindet das Gericht ausländische Versandapotheken von der Preisbindung für Arzneimittel. Auch für rezeptpflichtige.
Inländerdiskriminierung
Und die rezeptpflichtigen Medikamente machen das Hauptgeschäft der Apotheken im Allgemeinen aus. Laut Bundesverband deutscher Versandapotheken (BVDVA) waren 2017 die Hälfte aller verkaufter Medikamente verschreibungspflichtig. Gleichzeitig generieren sie den größten Umsatzanteil. Tendenz steigend. Durch die günstigeren Arzneimittel aus dem Ausland komme es laut Apothekerverband zu einer Inländerdiskriminierung, auch was die deutschen Versandapotheken angeht. Ein Verbot für den Versand von verschreibungspflichtigen Medikamenten würde in dieser Hinsicht zwar die deutschen Präsenzapotheken stärken, allerdings zum Nachteil aller Onlineapotheken.
„Sollte es zu einem Verbot kommen, werden wir dies rechtlich prüfen lassen und unsere Optionen abwägen“, sagt ein Sprecher des BVDVA. Bei DocMorris, einer der größten internationalen Versandapotheken, ist die Aussage deutlicher: „Wenn das Verbot kommt, werden wir klagen“, sagt Chefapotheker Christian Franken.
Und in diesen möglichen Klagen liege Sprengstoff, befürchtet der Apothekerverband. Denn wenn das Versandverbot von einem Gericht als Ungerechtigkeit zwischen den Wettbewerbern angesehen wird, dann könnte im gleichen Zug auch die deutsche Preisbindung als wettbewerbsverzerrend eingeschätzt und gegebenenfalls abgeschafft werden. Als eine der Folgen fürchtet der Apothekerverband Selektivverträge, die Krankenkassen mit Versandhändlern abschließen könnten. Für den Verbraucher könnte das bedeuten, dass er sein Rezept nicht mehr in der Apotheke um die Ecke einlösen kann, sondern es beispielsweise zu einem Onlinehändler schicken muss.
Das Verbot für den verschreibungspflichtigen Versandhandel sei daher kein Gesetz gegen das Internet, sondern die Garantie für einheitliche Preise und die freie Wahl der Apotheke, sagt Eickmann. „Der Gesetzgeber hat mit der Preisbindung das Wohl des Patienten im Blick gehabt.“Denn die Preisbindung verhindere nicht nur sinkende, sondern auch steigende Preise. Etwa durch hohe Nachfrage.
Christian Franken dagegen sieht im Verbot eine Zensur im digitalen Handel, „Der digitale Wandel kommt, ob wir wollen oder nicht. Durch die Bürokratie droht Deutschland den digitalen Wandel zu verschlafen.“Letztendlich entscheide der Patient, welche Angebote er nutzen will.
Noch ist das Verbot ein Entwurf. Das Bundesgesundheitsministerium teilte auf Nachfrage der Linken-Bundestagsfraktion mit, dass der „Meinungsbildungsprozess über die Art der Umsetzung dieser Vereinbarung“innerhalb der Regierung noch nicht abgeschlossen sei. Ein solches Verbot sei nur möglich, wenn es „zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt wäre“. Wie die Linken-Fraktion argumentiert, sei dieser Schutz notwendig, da die Onlineapotheken die Präsenzapotheken immer mehr aus den ländlichen Regionen verdrängen. Damit sei die Versorgung mit Medikamenten in der Nacht und an Wochenenden gefährdet.
Mit dem Arzt geht die Apotheke
Tatsächlich haben zwischen 2016 und 2017 rund 60 Apotheken in Baden-Württemberg geschlossen. Die Ursache sei aber nicht die Onlinekonkurrenz, sagt Eickmann: „Die Apotheken gehen, wenn die Ärzte gehen. 80 Prozent des Umsatzes werde mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gemacht. „Das ist mit Aspirin nicht zu kompensieren.“
Die Präsenzapotheken hätten gelernt, mit dem Onlinehandel zu leben. Zumal die Versandapotheken bei den rezeptpflichtigen Medikamenten laut Apothekerverband einen Marktanteil von gerade einmal einem Prozent hätten. Bei den rezeptfreien Medikamenten seien es immerhin 15 Prozent. Die Versorgung auf dem Land sei durch die Präsenzapotheken gegeben, etwa durch Botendienste und Rezeptsammelstellen. Die Frage lautet also nicht Online- oder Präsenzapotheke, sondern freier Handel oder fixe Preise.