Gränzbote

Erst Arbeitsplä­tze, dann kommen Schulen

Das Unternehme­n C. Hilzinger-Thum versucht, in Gambia Fluchtursa­chen zu bekämpfen

- Von Manuel Schust

TUTTLINGEN - Zum Abschluss der viertägige­n Veranstalt­ungsreihe „Fair statt Flucht“hat am Sonntag Michael Junginger in der evangelisc­hen Stadtkirch­e in Tuttlingen zum Thema „Arbeitsplä­tze für Gambia“gesprochen. Der Geschäftsf­ührer des Tuttlinger Werkzeughe­rstellers C. Hilzinger-Thum zeigt dabei auf, wie durch eine nachhaltig­e Entwicklun­gspolitik Perspektiv­en in Afrika entstehen und somit auch Flüchtling­sströme gestoppt werden können.

Das mehr als hundert Jahre alte Unternehme­n stellt Schleif-, Polierwerk­zeuge und Gummiwalze­n her und unterhält seit Jahrzehnte­n gute Verbindung­en nach Afrika. Durch die Bedeutung der Sisal-Agave, einer Faserpflan­ze, die für die Herstellun­g der Werkzeuge wichtig ist, hat Hizinger-Thum bereits in den 1960er-Jahren erste Sisal-Spinnereie­n in Afrika gegründet. Zum Leitbild des Unternehme­ns zählt es laut Junginger, rund zehn Prozent des Vorsteuerg­ewinns in nachhaltig­e Projekte zu investiere­n.

Ein Prozent schon weg

Ein Projekt, das von dieser Maxime profitiert, ist das „House of Skills“im westafrika­nischen Gambia. In Zusammenar­beit mit der evangelisc­hen Kirche vor Ort und dem weltweit tätigen Missionswe­rk WEC sollen junge Menschen dort eine qualifizie­rte Ausbildung in unterschie­dlichen Berufsfeld­ern erfahren. Denn vor allem die Perspektiv­losigkeit und Arbeitslos­igkeit gelten als Hauptgründ­e dafür, dass rund 16 000 Gambier im Jahr 2016 geflohen sind und einen Asylantrag in Europa gestellt haben. Das entspricht beinahe einem Prozent der Einwohner des Landes.

Junginger berichtet davon, dass ihm bei seinen Afrika-Aufenthalt­en immer wieder junge Menschen erzählen, dass sie nicht neue Schulen, sondern Arbeitsplä­tze bräuchten: „Natürlich sind Schulen und Bildung wichtig. Aber das wirkliche Problem sind die fehlenden Arbeitsplä­tze mit dauerhafte­r Perspektiv­e“, sagte Junginger.

Der Unternehme­r sieht in der Schaffung von Arbeitsplä­tzen einen roten Faden zur gesellscha­ftlichen Weiterentw­icklung in Afrika. Durch den Aufbau profitable­r Unternehme­n könne neben festen Arbeitsplä­tzen auch die Finanzieru­ng von sozialen Projekten wie Kindergärt­en und Schulen gesichert werden. Viele Projekte seien zu abhängig von Spendengel­dern. Blieben diese aus, sei schnell deren Fortbestan­d und die Zukunft der Menschen gefährdet.

Daher sei es wichtig, dass sich die Projekte schnellstm­öglich als profitabel erweisen und von finanziell­er Abhängigke­it lösen können. Junginger sprach von einer provokante­n These, dass Unternehme­r vielleicht die besseren Entwicklun­gshelfer seien. Doch dass in der Aussage auch ein Funken Wahrheit stecke, ließe sich kaum leugnen.

Ausbildung von Bäckern

Anhand des Beispiels des Bäckereibe­triebs im „House of Skills“rechnet Junginger vor, dass mit einem Investitio­nsvolumen von 131 000 Euro zehn gambische Bäcker ausgebilde­t werden könnten. Es handele sich bei den 13 100 Euro pro ausgebilde­ten Bäcker um eine kleine Summe, wenn man sie mit den Ausgaben vergleicht, die der deutsche Staat pro aufgenomme­nen Flüchtling leisten muss.

Junginger ärgert sich über das Misstrauen, das ihm lange Zeit vonseiten des Entwicklun­gshilfemin­isteriums entgegenge­bracht worden sei. Es sei noch immer schwierig, als mittelstän­discher Unternehme­r Fördergeld­er zu erhalten. Doch auch durch die Hilfe des Tuttlinger Bundestags­abgeordnet­en und Fraktionsv­orsitzende­n der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, erhoffe er sich eine baldige Verbesseru­ng der Situation und den Aufbau eines Investitio­nsförderpr­ogramms, das die Finanzieru­ng nachhaltig­er Projekt unterstütz­t.

 ?? FOTO: MANUEL SCHUST ?? Hilzinger-Thum-Geschäftsf­ührer Michael Junginger erläutert im Rahmen der Reihe „Fair statt Flucht“, was sein Unternehme­n seit Jahren zur Schaffung von Arbeitsplä­tzen in Gambia unternimmt.
FOTO: MANUEL SCHUST Hilzinger-Thum-Geschäftsf­ührer Michael Junginger erläutert im Rahmen der Reihe „Fair statt Flucht“, was sein Unternehme­n seit Jahren zur Schaffung von Arbeitsplä­tzen in Gambia unternimmt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany