Das Sie ist das bessere Du
Früher war auch mehr Höflichkeit: Der Onkel, gerne alternativ Oheim genannt, wurde selbstredend gesiezt. Und dem Papa stand in der Anrede natürlich ein „Herr Vater“zu. Der Kunde war noch König, auch wenn er eher nicht mit „Seine Majestät“angesprochen wurde, so doch mit einem nicht verhandelbaren Sie. Dann zogen die Jahrzehnte ins Land, es kamen die 68er mit ihren ungewaschenen Haaren und noch ungewascheneren Gesellschaftsvorstellungen, und plötzlich stand es im Raum, das Du. Überall. Anlasslos. Offensiv.
Als eine der ersten Firmen traute sich das schwedische Möbelhaus Ikea seine Kunden aggressiv zu duzen, was in dem markanten Slogan „Wohnst Du noch, oder lebst Du schon?“gipfelte. Gleich zwei Duzer in nur einem Satz! Dem Beispiel sind inzwischen viele gefolgt. Auch die mächtige Computerfirma Apple.
Das Duzen ist eigentlich ein Symbol für Vertrautheit. Gesellschaftliche Gräben und soziale Unterschiede sollen mit dem Du überwunden werden. Freilich hat das Du auch eine dunkle Seite. Denn noch heute ist es so, dass der Mensch auch eine gewisse Verachtung mit dem Du auszudrücken vermag. Etwa im Straßenverkehr, wo es als Zeichen der Missbilligung anderer Verkehrsteilnehmer in Kombination mit Worten wie „Trottel“oder „Depp“zum Einsatz kommt. Da bekommt das gute alte Sie gleich einen ganz anderen, schimmernden Glanz von Nostalgie. Denn es ist schwerer, „Sie Depp“als „Du Depp“zu sagen. In diesem Sinne wünschen wir Dir – pardon, Ihnen – lieber Leser, ein majestätisch schönes Wochenende. (nyf )