Gränzbote

Verkorkste­s Projekt wird zum Glücksfall

Carina Diener aus Emmingen-Liptingen nimmt in Tansania ihr Schicksal selbst in die Hand

- Von Sebastian Heilemann

EMMINGEN-LIPTINGEN - Carina Diener aus Emmingen-Liptingen hat nach ihrem Abitur bei einem Hilfsproje­kt in Afrika mitarbeite­n wollen. Über eine Agentur ließ sie sich vermitteln. Vor Ort stellte die 19-Jährige dann aber fest: Es gibt gar kein Projekt. Doch anstatt einfach wieder nach Hause zu fliegen, suchte sie sich kurzerhand ihr eigenes und macht eine der für sie vielleicht wichtigste­n Erfahrunge­n ihres Lebens.

Drei Monate lang für den Umweltschu­tz einsetzen, Müll sammeln, Aufklärung­sarbeit leisten und mit Umweltakti­visten unterwegs sein. So hatte sich Diener ihre Reise nach Monduli in Tansania eigentlich vorgestell­t. Zwischen Abitur und Studienbeg­inn etwas von der Welt sehen und dabei noch etwas Sinnvolles tun. Über eine der zahlreiche­n Agenturen, die Freiwillig­e gegen eine Gebühr an soziale Projekte auf der ganzen Welt vermitteln, hatte sich die 19-Jährige ein Projekt in Afrika ausgesucht.

Doch als sie nach einem stundenlan­gen Flug und einer vierstündi­gen Fahrt mit einem Kleinbus in dem Ort ankommt, ist alles anders. „Die waren überhaupt nicht auf mich vorbereite­t“, sagt Diener heute. Im Volontärsh­aus ist sie fast ganz allein, ein Naturschut­zprojekt gibt es nicht. Hin und wieder wird sie zum Blumengieß­en auf ein Feld geschickt. Den Rest der Zeit gibt es nichts zu tun. Nichts ist so, wie es sich die Freiwillig­e vorgestell­t hat. „Am Anfang war ich total fertig, und meine Eltern wollten, dass ich nach Hause komme.“Für Diener keine Option.

Die Agentur bietet ihr ein Alternativ­projekt in einer anderen Region an, doch ihr Vertrauen in den Anbieter ist zu diesem Zeitpunkt bereits zerstört. Drei Tage lang grübelt die junge Frau darüber nach, was sie nun tun soll. Dann lernt sie eine einheimisc­he Familie kennen – der Wendepunkt ihrer Reise.

Eine neue Familie

Die Frau und ihr erwachsene­r Sohn betreiben ein Schulproje­kt in Monduli und fragen Diener, ob sie nicht mal vorbeikomm­en möchte. Außerdem bieten sie an, dass sie für ihre Zeit in Afrika bei der Familie wohnen kann – umsonst. Carina Diener nimmt an und zieht bei den beiden ein. „Sie haben sich wie eine Familie um mich gekümmert“, sagt die junge Frau.

Sie kochen gemeinsam, sitzen abends zusammen und reden und arbeiten gemeinsam in der Grundschul­e. Ein einfacher Betonbau, fünf Klassenzim­mer, rund 160 Schüler. Diener betreut Kinder, hilft beim Unterricht­en und beim Zubereiten des Schulessen­s. Im Unterricht schreibt der Lehrer Buchtaben in die Hefte der Schüler, die diese dann nachschrei­ben und sagen im Chor das Alphabet auf. „Zum Teil hat man die Schüler noch eine Straße weiter gehört, wenn sie das Alphabet geübt haben“, erinnert sich Diener.

In der Schule fällt sie durch ihre blonden Haare und ihr europäisch­es Aussehen auf und ist beliebt bei den Kindern. „Wenn man auf den Schulhof läuft, kann es schon passieren, dass 20 Kinder angerannt kommen und einen erst mal umarmen wollen“, sagt die 19-Jährige.

Das Leben in Monduli ist einfach. Es gibt keine geteerten Straßen. In dem einen Geschäft im Dorf gibt es von jedem Produkt nur eine Marke und keine riesigen Supermarkt­regale. Die meisten Menschen sind Bauern, und die Kinder hüten nach der Schule Vieh. „Ich fand es so schön, wie naturnah die Menschen dort leben“, erklärt Diener. Auch die Mentalität der Tansanier habe Diener beeindruck­t. „Die Menschen leben mehr in den Tag und freuen sich über das Leben“. Und das auch, wenn Armut und Hunger dort keine Fremdworte sind.

Auch der Zusammenha­lt der Dorfgemein­schaft sei groß gewesen. „Dort gibt es keine Gartenmaue­rn. Die Menschen leben einfach zusammen“, erzählt Diener. „Ich habe gemerkt was die Menschen dort haben, was wir weitgehend schon verloren haben.“

Der Abschied fällt schwer

Nach drei Monaten fällt Diener der Abschied schwer. „Ich hatte richtig Angst zurückzuko­mmen, weil ich dachte, ich komme nicht mehr klar“, erzählt Diener. „Die ersten Wochen habe ich mich auch gar nicht wohl gefühlt.“Den Kulturscho­ck habe Diener in Deutschlan­d erlebt und nicht in Afrika: Mit großen Autos fahren und überfüllte Regale im Supermarkt. „Es war eine Erfahrung, die komplett meine Sicht aufs Leben verändert hat“, sagt Diener. „Ich habe gelernt, dass das Leben nicht aus individuel­len Besitztüme­rn und materielle­n Dingen besteht. Das Wichtigste ist Menschlich­keit.“

Eins steht für Diener fest: Sie will wieder zurück nach Monduli. Ihre nächste Reise plant sie bereits. Und: Sie möchte den Menschen vor Ort helfen, die sie so herzlich aufgenomme­n haben, ohne jegliche Gegenleist­ung zu erwarten. Zu ihrem Abschied organisier­te sie vor Ort Handwerker und baute mit ihnen einen Spielplatz für die Schule. In Deutschlan­d würde Diener gerne aus Tansania importiert­en Massai-Schmuck verkaufen. Das Geld soll dann den Menschen vor Ort zugute kommen.

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FOTO: PRIVAT Carina Diener aus Emmingen-Liptingen mit den beiden Tansaniern, Lengai und Mama Lukumay, die sie aufgenomme­n haben.
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