„Baby Bleus“wie alte Hasen
Frankreich abgezockt gegen Uruguay – Auf dem Weg zum Titel bleibt der Favorit souverän
NISCHNI NOWGOROD (SID) - Antoine Griezmann und Didier Deschamps feixten schon vor dem Schlusspfiff an der Seitenlinie, Uruguays beinharter Verteidiger Jose Gimenez stolperte derweil in Tränen aufgelöst dem Aus entgegen. Erstaunlich abgebrüht erreichten die französischen „Baby Bleus“das WM-Halbfinale, obwohl ihr Himmelsstürmer Kylian Mbappé beim 2:0 (1:0) von den Defensivkünstlern der Celeste eingebremst wurde. Der Sieg war nie in Gefahr, weil Uruguay ohne den verletzten Edinson Cavani jegliche Durchschlagskraft fehlte.
„Ich freue mich sehr und bin sehr stolz auf alle 23 Spieler. Ich bin froh, ein Franzose zu sein“, sagte Trainer Deschamps. Der Weltmeister von 1998 ist zudem glücklich darüber, wie schnell seine junge Auswahl dazulernt: „Wir haben gegen Argentinien Großes geleistet und das Niveau heute noch einmal gesteigert. Uns fehlt Erfahrung, aber wir haben den Willen.“
Das sechste Halbfinale der französischen WM-Geschichte am Dienstag (20 Uhr MESZ) wird für sein Team zur endgültigen Reifeprüfung – unter den Augen des Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der seinen Besuch angekündigt hat. Das Duell gegen Nachbar Belgien dürfte weit schwerer werden als das Spiel gegen Uruguay. Derart einfache Tore wie durch Raphael Varane (40.) nach einem Freistoß und Griezmann (61.) nach einem kapitalen Torwartfehler von Fernando Muslera werden die Franzosen wohl nicht wieder geschenkt bekommen.
Uruguay fehlte nach der Hiobsbotschaft vor Anpfiff jeglicher Mut. Cavanis linke Wade schmerzte nach seinem Doppelpack im Achtelfinale gegen Portugal (2:1) zu sehr. Ohne seinen kongenialen Sturmpartner hing auch Luis Suárez vor 43 319 Zuschauern in Nischni Nowgorod in der Luft. „Uns hat die Torgefahr gefehlt“, sagte Innenverteidiger Diego Godin traurig. Die Himmelblauen hatten schon vor Spielbeginn den Eindruck erweckt, ohne ihr Traumduo im Angriff nicht übermäßig an ihre Chance zu glauben.
Ganz anders die Franzosen, denen das Selbstvertrauen nach dem spektakulären 4:3 gegen Argentinien anzusehen war. In Hektik brachen sie selten aus, auch wenn Supersprinter Mbappé die Räume fehlten, um seine Schnelligkeit auszuspielen. Derart eingebremst setzten sie auf ungewohnte Mittel: Griezmann verzögerte bei seinem Freistoß geschickt, Varane setzte sich problemlos gegen den schwachen Cavani-Ersatz Cristhian Stuani durch.
Griezmann stoppt zweite Liebe
Für den Innenverteidiger des Champions-League-Siegers Real Madrid war das Tor eine besondere Genugtuung. Vor vier Jahren hatte er beim 0:1 im Viertelfinale gegen Deutschland das entscheidende Kopfballduell gegen Mats Hummels verloren, er war seitdem dafür in Frankreich kritisiert worden. „Mein Tor war für mich die reine Freude“, sagte Varane: „Jetzt tun wir alles dafür, um den Pott zu holen.“Auch Mittelfeldchef Paul Pogba kündigte nach dem „Sieg des Willens“an: „Es ist wunderbar. Wir haben eine weitere Etappe genommen, die wir vor vier Jahren nicht geschafft haben. Jetzt wollen wir bis zum Ende dabei sein. Wir müssen weitermachen, nicht aufhören. Unser Ziel ist nicht das Halbfinale.“
Etwas leiser feierte Griezmann. „Es war schwierig für mich, gegen all meine Freunde aus Uruguay zu spielen“, sagte der Stürmer, der sich selbst als „Halb-Uruguayer“bezeichnet und nach seinem Tor auf den Jubel verzichtete. Seinen Weitschuss hatte Torwart Muslera durch die Finger flutschen lassen. „Ich habe deshalb nicht gejubelt, weil ich früher von einem Trainer in Uruguay unterstützt wurde. Ich habe großen Respekt vor Uruguay. Für mich war es normal, nicht zu jubeln“, sagte Griezmann. Nach dem Spiel tröstete er dann auch seinen Gegenspieler Godin, der nicht nur sein Teamkollege bei Atletico Madrid ist, sondern auch der Patenonkel von Griezmanns Tochter.
Und Mbappé? Der 180-MillionenTeenager, der Argentinien und Lionel Messi im Höchsttempo düpiert hatte, erwischte keinen Traumtag. Nach einer Viertelstunde vergab er hektisch eine Großchance, später sorgte er mit einer Schauspieleinlage für Unmut. Das konnten die Franzosen an diesem Tag jedoch verschmerzen.