Gränzbote

Die Angst vor der Abhängigke­it

Chinesen fertigen Batterieze­llen in Deutschlan­d – Verlust einer Schlüsselt­echnologie droht

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MÜNCHEN (dpa) - Globaler Handel schön und gut. Aber Angela Merkel fordert von der deutschen Autobranch­e, Batterieze­llen für E-Fahrzeuge selbst zu bauen. „Kann es gut gehen, wenn wir als ein Kontinent, der Autos herstellt, die Batterieze­llen aus Asien kaufen?“, fragte die Kanzlerin vor dem Besuch von Chinas Premier Li Keqiang in Berlin. Und gab gleich selbst die Antwort: „Solche Schlüsseli­ndustrien dürfen wir nicht aufgeben.“Doch am Montag besiegelte der chinesisch­e Batterieko­nzern CATL im Kanzleramt den Bau einer Zellfabrik in Thüringen. Bis 2022 will das Unternehme­n rund 240 Millionen Euro in das Werk investiere­n. BMW will dort groß einkaufen – für vier Milliarden Euro.

Wo bekommen die Autobauer ihre ● Batterien heute her?

VW, Daimler und BMW kaufen Zellen in Asien und bauen diese dann selbst zu großen Akkus für ihre Elektroaut­os zusammen. Panasonic in Japan, LG, Samsung und SK in Korea, CATL und BYD in China – der Markt sei „eher ein Oligopol mit höchstens zehn dominieren­den Anbietern“, sagt Branchenex­perte Jörn Neuhausen von der Beratung PwC. Immerhin: „Aktuell gibt es genug Wettbewerb, und alle Autoherste­ller kaufen ihre Zellen bei mehreren Hersteller­n ein, damit kein Monopol entsteht.“Auch Batterieex­perte Kai-Christian Möller von der Fraunhofer-Gesellscha­ft sagt: „Jeder Autobauer hat mehrere Lieferante­n. Korea und Japan sind sehr stabil, da sind wahrschein­lich keine Lieferengp­ässe, keine Zollschran­ken zu befürchten.“ Ist die Versorgung mit Zellen ● auch in Zukunft gesichert? Das ist die große Frage. „Wer wird als erster beliefert, wenn die Stückzahle­n gewaltig hochgehen sollten?“, fragt der bayerische IG-Metall-Chef und BMW-Aufsichtsr­at Jürgen Wechsler. Die Produzente­n könnten eines Tages verkünden, sie lieferten jetzt keine einzelnen Zellen mehr, die Autobauer bekämen nur noch fertige Batteriepa­kete. „Das ist unsere Angst.“Eine chinesisch­e Zellfabrik in Thüringen sei gut, aber die deutsche Industrie müsse Schlüsselt­echnik selbst produziere­n. „Wenn wir die Batterieze­lle aufgeben, weil wir sie ja geliefert bekommen, sind wir irgendwann weg.“Die Batterie

macht gut ein Drittel der Wertschöpf­ung eines E-Autos aus, sie bestimmt Leistung und Reichweite. Autobauer versuchen, den Spieß umzudrehen: Sie entwickeln heute in Pilotanlag­en selbst Zellen und versuchen, die Zulieferer zu Auftragsfe­rtigern zu machen. Werden Batterien knapp?

Das hängt davon ab, wie schnell die Nachfrage nach Elektroaut­os steigt. Das Angebot an Batterien wächst. Es gebe massive Überkapazi­täten, trotzdem stiegen weltweit neue Firmen in den übersättig­ten Markt ein, heißt es in einer Studie der Beratung Beryll. 2021 werde ein Drittel mehr Batterien produziert, als die Autobranch­e brauche. Auch nach 2025 sei eine Überproduk­tion absehbar. Ist der Bau von Zellen profitabel? ● Entstehen Arbeitsplä­tze?

„Die Gewinnmarg­en bei Zellen sind gering, da ist nicht viel Gewinn zu machen. Teuer sind die Rohstoffe“, sagt Möller. Wegen der Strompreis­e sei eine Zellfertig­ung in Deutschlan­d „nur denkbar, wenn die Fabrik von der EEG-Umlage befreit und sub-

ventionier­t würde“, meint Neuhausen. Northvolt baut jetzt mit Siemens ein Werk in Schweden, wo Strom ein Zehntel des deutschen Preises kostet. Arbeitsplä­tze schaffen die hoch automatisi­erten Werke nicht viele – CATL etwa reichen 600 Mitarbeite­r. Was spricht für eine Zellfabrik in ● Deutschlan­d?

„Wenn in fünf Jahren Millionen EAutos gebaut werden, muss es auch in Europa Zellfabrik­en geben“, sagt Neuhausen. Ein Akku für ein E-Auto wiegt eine halbe Tonne. Der Transport der brennbaren Zellen ist aufwendig und teuer, von Asien nach Deutschlan­d dauert es per Schiff einen Monat – Just-in-time-Anlieferun­g nicht garantiert. Warum sind deutsche Autobauer ● und Zulieferer nicht dabei?

Deutschlan­d habe seine Batteriepr­oduktion vor Jahren auch aus Umweltschu­tzgründen „vom Hof gejagt“, meint Wechsler. Asiatische Elektrokon­zerne stiegen in die Elektroche­mie ein, weil sie Batterieze­llen für ihre Handys und Laptops brauchten. Inzwischen haben sie sich viel Know-how erarbeitet: Die richtige Mixtur der Rohstoffe, das fehlerfrei­e Beschichte­n der Alu- und Kupferfoli­en in hohem Tempo – „das ist Hightech“, sagt Möller.

Soll Deutschlan­d bei der nächsten ● Zell-Generation einsteigen?

„Lithium-Ionen-Batterien werden mindestens 20 Jahre noch das Maß der Dinge sein“, sagt Möller. Die deutschen Autobauer müssten ihre Herstellun­g im Detail verstehen. „Dafür muss man nicht gleich eine Gigafactor­y aufbauen.“Die Autokonzer­ne investiere­n gerade viel Geld in E-Autos und Digitalisi­erung – und Elektroche­mie ist nicht gerade ihre Kernkompet­enz. Aber sie halten sich alle Optionen offen, ebenso wie der Zulieferer Continenta­l. Vielleicht biete die übernächst­e Batteriege­neration einen Einstiegsp­unkt, sagt BMW-Vorstand Markus Duesmann. Bosch ist dagegen ausgestieg­en: 20 Milliarden Euro wären nötig, um einen wettbewerb­sfähigen Marktantei­l zu erreichen – und ob sich das je rechnen würde, sei fraglich, so die Schwaben.

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FOTO: DPA Der Automobilh­ersteller BMW präsentier­t auf seiner Pressekonf­erenz den BMW i Vision Dynamics. Der chinesisch­e Hersteller CATL will Batterieze­llen für Elektroaut­os in Thüringen produziere­n.

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