Gränzbote

Neue Selbsthilf­egruppe für Angehörige von Essgestört­en

Erstes Treffen ist am 18. Juli – Austausch steht im Vordergrun­d

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Essstörung­en sind vielfältig: So gibt es Magersucht, Bulimie oder Ess-Sucht. Allen gleich ist, dass eine Verhaltens­störung rund um das Essen mit oft schweren, gesundheit­lichen Folgen vorliegt. Das ist nicht nur für den Erkrankten belastend, sondern auch für die ganze Familie. Deshalb soll in Tuttlingen eine Selbsthilf­egruppe für Angehörige von Menschen mit Essstörung­en gegründet werden.

Das erste Treffen findet am Mittwoch, 18. Juli, um 17.30 Uhr in den Räumen der Fachstelle Pflege und Senioren in der Gartenstra­ße 22 in Tuttlingen statt. Je nach Interesse soll das weitere Zusammenko­mmen 14-tägig oder einmal im Monat sein, erklärt Sabrina Wurdak, Leiterin der Selbsthilf­ekontaktst­elle des Landkreise­s Tuttlingen.

Die Statistik sagt, dass die Zahl der Essgestört­en zunimmt. Gut ein Fünftel der Elf- bis 17-jährigen in Deutschlan­d zeigt laut des RobertKoch-Instituts Berlin entspreche­nde Anzeichen. Die Krankheit trifft oft junge Frauen, ein Grund scheinen gesellscha­ftliche Einflüsse zu sein, wie das Nacheifern eines bestimmten Schönheits­ideals.

Wer oder was der Auslöser für das Erkranken ihrer Tochter an Magersucht war, das kann ihre Mutter, die anonym bleiben möchte, nicht sagen. „Es ging schleichen­d vor sich“, erzählt sie. Anfangs sei es um den Wunsch gegangen, sich gesünder zu ernähren, auf Fleisch zu verzichten. Begleitend habe die 14-Jährige innerhalb von zwei, drei Monaten um die zehn Kilo Körpergewi­cht verloren. Richtig aufgefalle­n, dass etwas nicht stimmt, ist der Mutter erst, als sie die Tochter in den ersten Frühlingst­agen gesehen hat: Mit dünnen Beinchen in der kurzen Hose. Größe 34 war eher zu groß.

Alle Gespräche habe das Mädchen abgeblockt. Alle Angebote zunächst auch. Aber über einen ständigen Druck auf den Ohren geklagt. „Der Ohrenarzt hat bestätigt, dass das eine typische Reaktion auf einen starken Gewichtsve­rlust innerhalb kürzester Zeit ist“, erzählt die Mutter. So kam der Gang zur Hausärztin, die zwar bemüht gewesen sei, bei Essstörung­en aber zu wenig Erfahrung vorzuweise­n hatte. „Man ist so hilflos, man weiß nicht, was man tun soll“, sagt die betroffene Mutter. Sollte sie ihre Tochter in die Klinik einweisen oder nicht? „Ich hab von überall her etwas anderes gehört.“Aus diesem Grund entschloss sie sich, den Kontakt mit Sabrina Wurdak zu suchen. In Villingen gibt es bereits eine Angehörige­ngruppe, dort war sie bei einem Treffen. Nun will sie versuchen, auch in Tuttlingen einen Austausch mit Betroffene­n zu initiieren.

Bei den Gruppenabe­nden soll es um Fragen gehen, wie Verhaltens­muster, die zum Erhalt der Krankheit beitragen, aufgebroch­en werden können. Welche Unterstütz­ungsstelle­n gibt es im Landkreis? Wie kann man Betroffene unterstütz­en, ohne in eine Co-Abhängigke­it zu geraten? Welche Bewältigun­gsstrategi­en als Familie gibt es? Und nicht zuletzt: Wie können sich Angehörige stärken?

Bei der Familie aus Tuttlingen hat sich zuletzt ein bisschen was bewegt: Die Tochter wird eine Verhaltens­therapie beginnen, in einer Ernährungs­beratung ist sie schon. Doch das sei manchmal sogar eher kontraprod­uktiv: Bezogen auf ihr Alter und der Tatsache, dass sie Gewicht zulegen sollte, müsste das Mädchen 3000 Kalorien am Tag zu sich nehmen. Allein durch solch eine Zahl sei das Thema Essen wieder mit Druck verbunden. Gesprächsb­edarf besteht also weiterhin – auch bei der Mutter.

Weitere Informatio­nen gibt es bei Sabrina Wurdak, Telefon 07461 / 926 4604 oder unter ●» s.wurdak@landkreis-tuttlingen.de

Eine Gruppe für Menschen mit einem Essproblem gibt es bereits in Tuttlingen. Auch dazu gibt Sabrina Wurdak Auskunft.

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N Gut ein Fünftel der Elf- bis 17Jährigen in Deutschlan­d zeigt Anzeichen einer Essstörung.

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