Gränzbote

Klare Regeln für das digitale Erbe

- Von Sebastian Heinrich ●» s.heinrich@schwaebisc­he.de

Es gibt zwei einfache Wahrheiten zur Digitalisi­erung: erstens, dass sie alle Lebensbere­iche umkrempelt; zweitens, dass der Gesetzgebe­r in Deutschlan­d den digitalen Wandel lange verschlafe­n hat. Es kann sehr schmerzhaf­t sein, wenn diese beiden Wahrheiten aufeinande­rprallen. Das zeigt der jahrelange Rechtsstre­it über das private Facebook-Konto einer verstorben­en Teenagerin, über den der Bundesgeri­chtshof am Donnerstag entschiede­n hat. Der Fall zeigt: Die bisherige Rechtslage ist viel zu schwammig. Der digitale Nachlass muss endlich sauber gesetzlich geregelt werden.

Es ist absurd, dass eine Mutter nach dem Tod ihrer Tochter mit ihrer Klage gegen Facebook über zweieinhal­b Jahre durch alle Instanzen gehen muss – bis endlich klar ist, dass der Zugang zu den privaten Nachrichte­n des Mädchens tatsächlic­h Teil des Erbes ist. Dieser teure und bedrückend­e Weg muss Erben in solchen Fällen künftig erspart bleiben. Auch Menschen, die zu Lebzeiten ein digitales Testament schreiben wollen, brauchen möglichst klare, für alle verständli­che Regeln.

Eine gesetzlich­e Regelung zum digitalen Nachlass ist auch deshalb nötig, weil der Staat Digitalkon­zernen dringend ihre Grenzen aufzeigen muss. Es ist anmaßend, wie Facebook bis heute mit den Profilen verstorben­er Nutzer umgeht. Wenn Facebook-Freunde dem sozialen Netzwerk den Tod des Nutzers melden, dann wird sein Profil in einen „Gedenkmodu­s“versetzt. Danach kann niemand – auch nicht die rechtmäßig­en Erben – auf die privaten Nachrichte­n des Nutzers zugreifen. Genau das war ja auch der Knackpunkt in dem Fall, über den der BGH heute entschiede­n hat. Das ist grotesk. Das ist so, als gingen nach dem Tod eines Mieters die privaten Briefe in seiner Wohnung an den Vermieter über. Betreibern sozialer Netzwerke muss klar sein: Ihre Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen dürfen nicht über deutschem Erbrecht stehen.

Im Koalitions­vertrag hat die Regierung vereinbart, den digitalen Nachlass rechtssich­er zu regeln. Es ist höchste Zeit, dieses Verspreche­n einzulösen.

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