Gränzbote

Mehr Übergriffe an Gerichten

Justizmini­ster fordert mehr Wachtmeist­er – Richterver­ein bringt Reduzierun­g der Standorte im Südwesten ins Spiel

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Immer häufiger kommt es in Gerichten in BadenWürtt­emberg zu Eskalation­en. Beleidigun­gen und Bedrohunge­n nehmen zu. Das legen aktuelle Zahlen aus dem Justizmini­sterium nahe, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegen. Ressortche­f Guido Wolf (CDU) verweist darauf, dass die Stellen für Wachtmeist­er an Gerichten zwar bereits aufgestock­t wurden. „Wir werden in den kommenden Jahren aber noch mehr Personal brauchen“, sagte Wolf – vor allem, um die Eingänge zu kontrollie­ren.

STUTTGART - An den Gerichten in Baden-Württember­g kommt es im Schnitt zu einem Übergriff pro Arbeitstag. Das belegen neue Zahlen des Justizmini­steriums, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegen. Das sei aber nur die Spitze des Eisbergs, sagt der neue Vorsitzend­e des Landesverb­ands der Richter und Staatsanwä­lte, Wulf Schindler. Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) plädiert für mehr Wachtmeist­er.

Seit 2016 erfasst das Justizmini­sterium Vorkommnis­se an den rund 150 Gerichten im Land. Im ersten Jahr waren es 221. Die Zahl blieb 2017 mit 219 stabil. Das erklärt das Ministeriu­m auf Anfrage. 2018 hat das Potenzial, diesen Wert deutlich zu übersteige­n. Im ersten Halbjahr meldeten die Gerichte bereits 133 Vorfälle. Am häufigsten waren dies Bedrohunge­n (31), mitgeführt­e Waffen (33) und Situatione­n, die eskaliert seien (37). Diese Verteilung deckt sich mit denen aus den Vorjahren. Körperverl­etzungen gab es indes noch keine, 2017 waren es sieben. Allerdings meldeten die Gerichte von Januar bis Juni fast so viele Handgreifl­ichkeiten (neun) wie im ganzen Jahr 2017 (zehn) und gleich viele Beleidigun­gen (zehn).

Vor diesem Hintergrun­d hat das Justizmini­sterium am Mittwoch erstmals einen „Tag der Sicherheit“organisier­t. An 26 Gerichten im Land kontrollie­rten 72 Wachtmeist­er alle Besucher. Unter den 100 unerwünsch­ten Fundstücke­n waren 54 Messer und elf Pfefferspr­ays. In keinem Fall war der Besitz strafbar. „Aber Messer und Pfefferspr­ays haben in unseren Gerichtssä­len nichts verloren“, sagt Minister Wolf. „Das können wir nicht dulden.“Der Tag zeige: Die Sicherheit an den Gerichten müsse noch weiter verbessert werden.

Dafür plädiert auch Wulf Schindler. „Als Verband vertreten wir die Auffassung, dass an allen Gerichten Eingangsko­ntrollen durchgefüh­rt werden sollen“, sagt er. „Uns ist aber bewusst, dass das eine schwer realisierb­are Maximalfor­derung ist. Sie mündet unter dem Gesichtspu­nkt des erforderli­chen Personalei­nsatzes in die Frage, ob die Vielfalt an Gerichtsst­andorten erhalten werden kann oder ob man diese auf weniger, dafür größere Gerichtsze­ntren konzentrie­ren muss.“Das sei eine höchst politische Frage. „Bislang hat sich noch kein Justizmini­ster hierfür ausspreche­n wollen.“

Minister Wolf setzt auf eine Verstärkun­g des Sicherheit­spersonals. Sein Vorgänger Rainer Stickelber­ger (SPD) hatte Sicherheit­skonzepte für alle Gerichts- und Justizgebä­ude entwickeln lassen. Anlass war ein Vorfall im bayerische­n Dachau. Dort wurde 2012 im Amtsgerich­t ein Staatsanwa­lt vom Angeklagte­n erschossen. Unter anderem richtete Stickelber­ger sogenannte Sicherheit­sgruppen der Gerichte und Staatsanwa­ltschaften (SGS) ein. Die Einheiten sind auf acht Standorte verteilt und können von einzelnen Gerichten zur Unterstütz­ung angeforder­t werden.

Aktuell gibt es 545 Wachtmeist­er im Südwesten. Davon wurden 21 Stellen 2017 geschaffen, weitere 64 im aktuellen Doppelhaus­halt 2018/2019. Teile davon wurden den SGS zugeteilt. „Wir werden in den kommenden Jahren aber noch mehr Personal brauchen, um die Eingangsko­ntrollen bei Gerichten und Staatsanwa­ltschaften zu verstärken“, sagt Wolf.

Schindler appelliert an seine Richterkol­legen, alle Vorkommnis­se zu melden. „Es gibt eine relativ hohe Dunkelziff­er“, erklärt er. „Es geht auch darum, die Bedrohungs­situatione­n vollständi­g zu erfassen. Nur dann kann man mit passenden Sicherheit­skonzeptio­nen reagieren.“

In Bayern gibt es flächendec­kende Einlasskon­trollen zu Sitzungsze­iten, erklärt ein Sprecher des dortigen Justizmini­steriums. Jeder Besucher und alles Gepäck werde kontrollie­rt. „Mit den Zugangskon­trollen wollen wir in der Justiz dafür sorgen, dass Gerichtssä­le angst- und waffenfrei­e Zonen sind.“

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FOTO: RASEMANN Eingangsko­ntrollen an Gerichten wie hier in Ulm gibt es im Land nicht flächendec­kend.

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