Gränzbote

Funkstille für eine halbe Million Haushalte

Die Abdeckung mit Mobilfunk soll bis Ende 2020 auf 99 Prozent steigen

- Von Hannes Koch

BERLIN - Telefonier­t man mit dem Sprecher der Deutschen Telekom, ist er sehr schlecht zu verstehen. Dann bricht die Leitung ab. Funkloch. Er ist in Brandenbur­g unterwegs, auf dem Land. Vor dem heutigen Mobilfunkg­ipfel von Bundesverk­ehrsund Digitalmin­ister Andreas Scheuer (CSU) stellte die Telekom dort noch schnell zwei neue Funkmasten auf, damit 360 Dorfbewohn­er die Handy-Steinzeit hinter sich lassen. Darum ging es bei der Konferenz in Berlin am Donnerstag: endlich verlässlic­hes Telefonier­en und Datenübert­ragen per Mobilfunk.

Was wurde beschlosse­n?

Die drei Konzerne Deutsche Telekom, Telefonica (O2) und Vodafone sagten zu, bis Ende 2020 rund 99 Prozent der bundesdeut­schen Haushalte mit Mobilfunk zu versorgen. Davon könnte bis zu einer halben Million Haushalte zusätzlich profitiere­n. Die bisherige Verpflicht­ung besagt: 98 Prozent bis Anfang 2020. 1000 Gebiete zusätzlich, in denen Smartphone­s heute meist „kein Netz“anzeigen, sollen schnelle Datenübert­ragung (4G) bekommen.

Es ist eine Zusage der Unternehme­n gegenüber Minister Scheuer, keine Verpflicht­ung. „Das war wieder einmal eine Show-Runde, um davon abzulenken, dass nichts passiert. Der Verkehrsmi­nister hat keine wirklichen Druckmitte­l, um die Netzbetrei­ber an die Kandare zu nehmen“, kritisiert­e Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer.

Die komplette Abdeckung aller Haushalte auch in dünn besiedelte­n Gegenden sei allerdings nicht machbar, sagte Telekom-Chef Timotheus Höttges – zu teuer. Etwa eine halbe Million Haushalte bleiben draußen.

Wie ist die Lage heute?

Die Gebiete, in denen weniger als zehn Prozent der Haushalte die schnelle 4G-Datenkommu­nikation nutzen können, liegen beispielsw­eise an der Neiße südlich von Görlitz, im Harz, nördlich von Paderborn, im Sauerland, im Rheingau, im Odenwald oder im Schwarzwal­d. Während man entlang der Bundesauto­bahnen fast überall mobil telefonier­en kann, funktionie­rt mobiler Datentrans­fer nur an 72 bis 96 Prozent der Strecken.

Kunden von Telefonica und Vodafone sind oft schlechter dran als die Nutzer der Telekom. Schon entlang der Bundesstra­ßen sinkt die Netzabdeck­ung auf 46 Prozent beim schlechtes­ten, 88 Prozent beim besten Anbieter, schrieb der Beirat der Bundesnetz­agentur in seinem Beschluss von Ende Juni. Telekom-Chef Timotheus Höttges

Warum ist das ein Problem?

Wenn die Feuerwehr wegen des schlechen Netzes nicht kommunizie­ren kann oder der Notarzt nicht erreichbar ist, wird es bedrohlich. Und ökonomisch betrachtet hängt ein Teil des Wohlstande­s daran, dass immer größere Datenmenge­n, die mobile Geräte senden und empfangen, schnell weitergele­itet werden. Man denke an autonom fahrende Autos. Soll diese Art des modernen Verkehrs irgendwann mal funktionie­ren, braucht die Bundesrepu­blik ein lückenlose­s Mobilfunkn­etz. Sonst bleiben die intelligen­ten Fahrzeuge auf irgendeine­r Landstraße stehen, weil sie sich wegen fehlender Verbindung nicht mehr orientiere­n können.

Eine Lösung?

Die Mobilfunk-Konzerne bauen neue Funkmasten und flicken alle Netzlöcher. Das jedoch ist teuer und rentiert sich oft nicht. Denn auf dem Land wohnen wenige Nutzer. Deren geringe Nutzungsge­bühren finanziere­n mitunter nicht die hohen Investitio­nen. Eine andere Variante wäre das sogenannte „nationale Roaming“. Einfach gesagt: Beispielsw­eise Telefonica baut einen Mast mit Antennen, die Telekom und Vodafone leiten die Telefonate und Datenkommu­nikation ihrer Kunden über diese Geräte. Die Kosten könnten sich die Betreiber teilen – es wäre für alle wirtschaft­licher.

Und wieso klappt das Roaming nicht?

„Wir betreiben aktuell kein National Roaming mit anderen Netzbetrei­bern“, sagte eine Sprecherin von Telefonica gegenüber dieser Zeitung. Bei der Bundesnetz­agentur hieß es, Telekom, Vodafone und Telefonica würde solche Verträge untereinan­der nicht abschließe­n. Die Telekom hat Angst, dass sie als größter Netzbetrei­ber die Kosten der Investitio­nen trägt und die Konkurrenz davon profitiert, ohne sich entspreche­nd zu beteiligen. Telefonica und Vodafone wollen nicht zuviel Geld als Nutzungsge­bühren an die Telekom zahlen.

Besteht Hoffnung, dass es künftig besser wird?

„Wer zu weit draußen wohnt, hat Pech gehabt.“

Im kommenden Frühjahr will die Bundesnetz­agentur neue Frequenzen für die superschne­llen 5GDienste versteiger­n. Noch 2018 wird sie die Bedingunge­n festlegen, die die Bewerber erfüllen müssen. Der Beirat der Netzagentu­r empfiehlt zu prüfen, ob das Roaming verpflicht­end vorgeschri­eben werden kann. Wie die Telekom lehnt auch Telefonica eine Vorschrift zu Roaming ab. Nationales Roaming bedeute, dass „keiner mehr investiert“, sagte Telekom-Chef Höttges am Donnerstag.

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FOTO: DPA Sendemaste­n für Mobilfunk, wie hier in Frankfurt am Main, lohnen sich auf dem Land nicht.

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