Gränzbote

Vor allem Radler leben gefährlich

Bundesweit weniger Verkehrsto­te – Ruf nach mehr Radwegen und Sicherheit

- Von Andreas Hoenig

BERLIN (dpa) - In Großstädte­n steigen immer mehr Menschen vom Auto aufs Fahrrad um. Auf den Straßen aber lauern große Gefahren, wie ein Blick in die Unfallstat­istik zeigt. Eine „besorgnise­rregende“Entwicklun­g gibt es bei Elektroräd­ern.

Es ist ein Horrorunfa­ll, vor dem sich viele Radfahrer fürchten. Im Mai vor vier Jahren fährt Janine Schulz in Bremen mit dem Rad von der Arbeit nach Hause. Plötzlich passiert es: beim Abbiegen übersieht sie ein Lastwagen und rollt ihr über Beine und Hüfte. Die Erzieherin liegt zwei Wochen im Koma, ist ein Jahr im Krankenhau­s, hat auch heute noch ständig Schmerzen und kann nicht mehr richtig laufen.

Janine Schulz sagt, sie habe „Glück im Unglück“gehabt: „Die meisten Menschen kommen bei der Kollision mit einem Lkw zu Tode.“Die 32-Jährige ist inzwischen eine Vorkämpfer­in für mehr Verkehrssi­cherheit von Radfahrern. Beim Bürgervere­in Campact hat sie eine Online-Petition gestartet, damit AbbiegeAss­istenten für Lkw zur Pflicht werden.

Am vergangene­n Freitag war Schulz bei Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) und übergab ihm dicke Mappen mit Unterschri­ften. „Alles, was Lkw-Fahrer vor Menschen im toten Winkel warnt und sie rechtzeiti­g bremsen lässt, ist gut“, sagt sie. Das Abbiegen dürfe keine „Todesfalle“bleiben.

Insgesamt sank zwar die Zahl der Verkehrsto­ten zwischen 2010 und 2017 um 13 Prozent, wie das Statistisc­he Bundamt am Donnerstag mitteilte. 2017 kamen bei Verkehrsun­fällen 3180 Menschen ums Leben, das ist der niedrigste Stand seit mehr als 60 Jahren. Die Zahl der tödlich verunglück­ten Radfahrer aber blieb laut Behörde zwischen 2010 und 2017 nahezu konstant.

382 Fahrradfah­rer kamen im Vorjahr bei Verkehrsun­fällen ums Leben. Besonders schwere Folgen haben Unfälle mit Lastwagen, dabei starben im vergangene­n Jahr 76 Radfahrer. Und: Bei solchen Unfällen trugen Radfahrer in nur 20 Prozent der Fälle die Hauptschul­d. Bei etwa jedem dritten Unfall mit Personensc­haden, an dem ein Fahrrad und ein Lastwagen beteiligt waren, handelte es sich um einen Abbiege-Unfall, weil Lkw-Fahrer oft Radler im „toten Winkel“übersehen.

Die Politik hat sich des Themas verstärkt angenommen. Elektronis­che Abbiege-Assistente­n können Lkw-Fahrer bei drohenden Kollisione­n warnen oder die Fahrzeuge abbremsen. Verkehrsmi­nister Scheuer will den Einbau von solchen technische­n Systemen in Deutschlan­d beschleuni­gen. Doch geschieht dies auf freiwillig­er Basis der Speditione­n. Einen verpflicht­enden Einbau kann es nur auf EU-Ebene geben, die Verhandlun­gen aber dauern.

Und auch ein anderes Thema könnte die Politik beschäftig­en: Unfälle mit Pedelecs, auch als Elektroräd­er bekannt. Die Zahl der Unfälle mit einem Pedelec hat sich zwischen 2014 und 2017 mehr als verdoppelt. Im vergangene­n Jahr gab es 5206 solche Unfälle, 68 Menschen starben. Der Präsident des Bundesamts, Georg Thiel, nannte die Entwicklun­g „besorgnise­rregend“.

Pedelec-Fahrer betroffen

Besonders betroffen waren ältere Radfahrer. Zwei Drittel der Getöteten waren 75 Jahre oder älter. Ältere Menschen fahren häufiger solche Räder mit Hilfsmotor, und bei Älteren sei die Wahrschein­lichkeit höher, dass sie sich bei einem Sturz schwer oder tödlich verletzen. Hinzu komme, dass viele ältere Menschen mit den höheren Geschwindi­gkeiten und dem höheren Gewicht dieser Räder in einigen Situatione­n überforder­t seien, zitierte die Behörde die Unfallfors­chung der Versichere­r.

Der Umgang mit Pedelecs wolle gelernt sein, sagt Ulrich Klaus Becker, ADAC-Vizepräsid­ent für Verkehr. Die Beschleuni­gung sei nicht mit einem herkömmlic­hen Rad vergleichb­ar. „Deswegen empfehlen wir, den sicheren Umgang mit dem Pedelec zu üben und zu trainieren.“

Generell fordern Verbände, die Infrastruk­tur für Radfahrer massiv zu verbessern. „Wir brauchen jetzt breite, geschützte Radwege und Kreuzungen, intelligen­te Ampelschal­tungen und verpflicht­ende Fahrassist­enzsysteme“, sagt die Sprecherin des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Stephanie Krone.

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FOTO: DANIEL BOCKWOLDT 382 Fahrradfah­rer kamen im Vorjahr bei Verkehrsun­fällen ums Leben.

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