Nervenstark, geduldig und nahezu fehlerfrei
Angelique Kerber steht im Wimbledon-Finale – doch das große deutsche Sommermärchen bleibt aus
WIMBLEDON (SID) - Angelique Kerber steht zum zweiten Mal im Finale in Wimbledon. Ein deutsches Duell mit Julia Görges gibt es allerdings nicht, weil diese gegen US-Superstar Serena Williams verlor.
Kerber strahlte, nach dem erneuten Sturm ins Wimbledon-Finale wich der überglücklichen Kielerin das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht. Dass durch Görges’ Niederlage gegen Williams der Traum vom ersten deutschen Frauen-Endspiel seit 1931 unerfüllt blieb, konnte Kerbers Laune nicht trüben. „Schade, dass es nicht geklappt hat“, sagte sie in der ARD: „Aber ich freue mich trotzdem auf Samstag. Ich bin wirklich glücklich und stolz, hier wieder im Finale zu stehen.“
Zum zweiten Mal in ihrer Karriere kämpft die frühere Weltranglistenerste dann um den Titel beim prestigeträchtigsten der vier GrandSlam-Turniere. Zum Höhepunkt des deutschen Sommermärchens von London kommt es dabei allerdings nicht. Statt mit ihrer Freundin Görges bekommt es Kerber wie vor zwei Jahren mit US-Superstar Serena Williams zu tun. „Wimbledon ist ein besonderer Ort, jeder kennt dieses Turnier“, sagte sie: „Aber der Weg ist noch weit. Serena ist ein echter Champion.“
Wiedersehen mit Serena Williams
Nervenstark, geduldig und nahezu fehlerfrei hatte Kerber die letztlich zu riskant agierende Lettin Jelena Ostapenko in nur 68 Minuten 6:3, 6:3 bezwungen. Die zweimalige GrandSlam-Siegerin hat nun erneut die Chance, als erste Deutsche seit Steffi Grafs letztem Triumph 1996 im Rasen-Mekka zu triumphieren. Zum ersten deutschen Duell seit Cilly Aussem und Hilde Krahwinkel vor 87 Jahren kommt es jedoch nicht, weil Görges der siebenmaligen Siegerin Williams anschließend 2:6, 4:6 unterlag.
Williams, die die erste Auflage des Final-Duells 2016 gewonnen hatte, freute sich auch auf das Wiedersehen mit Kerber. „Ich liebe es, ihr zuzuschauen. Jetzt freue ich mich darauf, selbst auf sie zu treffen“, sagte die 23-malige Major-Siegerin. Erstmals seit ihrer Babypause ist die Rekord-Grand-Slam-Gewinnerin wieder in Wimbledon am Start: „Im Endspiel zu stehen, ist alles andere als selbstverständlich für mich“, befand sie.
Für Görges endete derweil eine bemerkenswerte Reise in London mit dem besten Grand-Slam-Resultat ihrer Karriere. „Es ist schön, jetzt auf dieser Stufe angekommen zu sein. Das macht mich stolz, aber motiviert mich auch noch mehr“, sagte sie. Den Ausschlag zugunsten von Williams habe am Ende deren größere Erfahrung gemacht, analysierte sie: „Der Unterschied war, dass sie weiß, wie sie solche Spiele gewinnt. Aber ich gehe mit erhobenem Haupt.“
Kerbers Gegnerin Ostapenko hatte auf dem Centre Court der altehrwürdigen Anlage von Wimbledon von Beginn an beeindruckendes Angriffstennis geboten. Die 21-Jährige, die im Vorjahr sensationell zum French-Open-Titel gestürmt war, ging hohes Risiko in fast jedem Ballwechsel und streute außerdem mehrere anspruchsvolle Stopps ein. Ostapenko sorgte mit ihrer Spielweise für viele „Ohs“und „Ahs“beim Publikum, doch auch Kerber agierte vor allem bei eigenem Aufschlag souverän.
18 Gewinnschläge gegen 19 „Unforced Errors“
Ansonsten wartete sie geduldig auf Fehler ihrer Gegnerin. Und davon machte die junge Lettin bereits im ersten Satz etliche. Insgesamt 19 „Unforced Errors“standen letztlich zu Buche, gegenüber 18 Gewinnschlägen. Beim Stand von 3:3 glückte Kerber, die selbst nur zwei vermeidbare Fehler machte, das erste Break, anschließend marschierte sie souverän zum Satzgewinn. Es war Ostapenkos erster Satzverlust im Turnierverlauf.
Auch im zweiten Durchgang ging das Duell der unterschiedlichen Spielsysteme weiter. Ostapenko versuchte sich an einem kunstvollen Tennis-Menü und scheiterte, Kerber bot vergleichsweise einfache Hausmannskost und war damit klar überlegen. Schnell führte sie mit 5:1, musste trotz des Breaks kurz nach ihrem ersten Matchball letztlich nicht mehr zittern. Die Bilanz von 7:36 leichten Fehlern aus Sicht Kerbers sprach am Ende Bände.