Gränzbote

Weitwander­n im Steuerpara­dies

Der Escaparden­ne Trail führt durch den Norden Luxemburgs bis nach Belgien

- Die Recherche wurde unterstütz­t von Luxembourg for Tourism. Von Christine King

D● ie Luxemburge­rin Carole Ewert ist immer noch ein bisschen erstaunt. „Viele meiner Mitstudent­en in Köln dachten, dass Luxemburg nur eine Stadt ist.“Von einem Land oder gar einer gleichnami­gen Provinz in Belgien hätten viele noch nie etwas gehört. Jetzt ist das kleine EU-Land mit seinen 600 000 Einwohnern und dem höchsten Lohnniveau in ganz Europa gerade dabei, sich einen Ruf als Wanderdest­ination zu schaffen. Das Großherzog­tum, dessen höchster Berg 560 Meter hoch ist, befindet sich schließlic­h zwischen bergigen Wanderregi­onen – der deutschen Eifel und den Ardennen. Wer zum Wandern kommt und nicht nur günstig Kaffee und Benzin kaufen will, kann viel über das Land und seine Bewohner erfahren. „Kaum jemand weiß“, sagt Carole, die für das regionale Tourismusb­üro arbeitet, „dass wir extrem viele Portugiese­n hier haben, und dass es von Nord nach Süd lediglich 80 Kilometer sind“. Ihr Deutsch ist perfekt, ihr Englisch und Französisc­h sind es auch. Nicht von ungefähr gelten Einheimisc­he als Sprachgeni­es – schließlic­h gibt es hier drei offizielle Landesspra­chen. Neben Deutsch und Französisc­h kommt noch „Luetzebuer­gesch“dazu, also Luxemburgi­sch, das sich für deutsche Ohren wie eine Mischung aus Saarländis­ch und Holländisc­h anhört. „Moien“hört man auch spät am Abend und wer „neitschen“(niesen) muss, hat Glück, wenn er ein „Nuesschnap­pech“(Taschentuc­h) zur Hand hat.

Prämierte Wege

Wanderer auf dem „Escaparden­ne“sollten es zücken, wenn sie einen der vielen giftigen Fingerhüte anfassen, die mannshoch zu Hunderten am Waldrand stehen. Ihr Violett passt besonders gut zum saftigen Grün. Der Regen scheint hier bis tief in den Boden gedrungen zu sein, Holunder, Schachtelh­alme und junge Buchen sprießen um die Wette. Wer da vor lauter Frische plötzlich singen oder schreien möchte, muss sich keinen Zwang antun. Kaum jemand wird es hören. Auf dem Fernwander­weg, der mit einer Gesamtläng­e von 159 Kilometern von Ettelbruck in Luxemburg bis nach La Roche-en-Ardenne in Belgien führt, ist man meist allein.

Eigentlich sind es zwei Wege, die diesen prämierten Weitwander­weg ausmachen. Bereits der kleinere, der Lee Trail mit 53 Kilometern à drei Etappen, hat es in sich. „Da braucht man schon ein bisschen Kondition“, sagt die Holländeri­n Mirjam Petry, die seit vielen Jahren in Luxemburg lebt und Touristen auf Wanderunge­n begleitet. Von Hoscheid nach Kautenbach zum Beispiel sind für die 15 Kilometer als Tagesetapp­e etwa fünf Stunden veranschla­gt, Schwierigk­eit: mittel. Auf Stöcke sollte der sportlich ambitionie­rte Wanderer nicht verzichten, schließlic­h gilt es allein auf dieser Etappe fast 1000 Höhenmeter zu bewältigen. Dafür belohnen immer wieder grandiose Ausblicke, wenn sich auf den zahlreiche­n Schieferfe­lskämmen („Lee“heißt „Fels“) plötzlich der Wald auftut, ein Weg am Steilhang zu enden scheint oder sich auf dem nächsten Hügel eine Burg präsentier­t. Und sich weit unten ein Fluss oder die Bahn durch die Landschaft schlängeln.

„Wer mal weniger machen will, nimmt einfach den Zug“, empfiehlt Petry. Der Lee-Wanderweg führt stets in unmittelba­rer Nähe zur Eisenbahnl­inie von Ettelbruck nach Kautenbach. Jede Stunde fährt ein Zug, in beide Richtungen. Ein fast zu verlockend­es Angebot. „Bei uns“, sagt Petry, „lässt sich alles mit allem ganz einfach verbinden.“

Luxemburg ist klein. Wer morgens ein paar Stündchen wandert, kann sich nachmittag­s noch eine der mehr als 100 Burgen und Schlösser oder ein Städtchen anschauen, sogar dort übernachte­n und am nächsten Tag mit der Bahn zum Wanderweg zurückkehr­en. Vianden würde sich hierfür bestens eignen. Der 2000Einwoh­ner-Ort, der sich mit grauen Schieferdä­chern idyllisch auf beiden Seiten des Flusses Our präsentier­t und dem einst Victor Hugo eine große touristisc­he Zukunft bescheinig­te, ist die kleinste der zwölf Luxemburge­r Städte. Hoch oben steht das „Schloos“, das eigentlich eine Burg ist, eine der größten erhaltenen westlich des Rheins. Führungen durch die riesige Anlage gibt’s auch in Englisch, ein Mittelalte­rfest lockt im Sommer, ein Walnussmar­kt im Herbst. Hinauf führt eine alte Sesselbahn, in der schon Mick Jagger saß.

Oder man besichtigt eines der vielen Museen, in Clervaux etwa befindet sich mit der „Family of Man“eine der bedeutends­ten Fotoausste­llungen der Nachkriegs­zeit. Der Luxemburge­r Edward Steichen hat in den 1950er-Jahren 500 SchwarzWei­ß-Bilder berühmter Fotografen für eine Ausstellun­g im MoMa in New York zusammenge­tragen, die anschließe­nd um die ganze Welt ging und seit gut zwanzig Jahren in Clervaux beheimatet ist.

Übernachte­n im Fass

Ruhig ist es hier, die Gegend ist dünn besiedelt, ab und zu kommt man an einem Hof vorbei, viel Wald. Übernachtu­ngsmöglich­keiten gibt es immerhin am Ende jeder Etappe. Kevin in’t Groen, ein findiger Campingpla­tzbesitzer bietet zum Beispiel für 40 Euro eine Nacht im „pod“, einem hölzernen Fass, an, bei dem allerdings der eigene Schlafsack mitgebrach­t werden muss. Ein paar Übernachtu­ngsmöglich­keiten mehr könnten es allerdings schon sein. Davon abgesehen ist auf dem Trail aber alles „tiptop“– ein Wort, das die Luxemburge­r lieben. Verlaufen ist praktisch unmöglich, und die Gastronomi­e hält lokale Spezialitä­ten mit wohlklinge­nden Namen wie „Feiersteng­szalot“(Feuerstein­salat) oder „Bouneschlu­pp“(Bohnensupp­e) bereit. Und außerdem gibt’s noch die Hauptstadt. Das Zugtagesti­cket fürs ganze Land kostet vier Euro. Alles wirklich sehr verlockend.

Der Name Escaparden­ne Trail setzt sich aus den Worten „escapade“(französisc­h für Ausflug) und „Ardennen“zusammen. Der Weitwander­weg hat die Auszeichnu­ng „Leading Quality Trails – Best of Europe“, für die strenge Auflagen gelten. Wenig asphaltier­te Straßen gehören genauso dazu wie eine bestimmte Anzahl an zu überwinden­den Höhenmeter­n oder an Einkehrmög­lichkeiten. Der 159 Kilometer lange Ardennenwa­nderweg, der in beide Richtungen gegangen werden kann, besteht aus zwei Wegen. Zum einen ist es der kleinere Lee Trail, der sich über 53 Kilometer durch die stillen Flusstäler von Sauer und Wiltz und durch unberührte Waldlandsc­haften schlängelt und der sich danach dem grenzübers­chreitende­n großen Bruder, dem Eislek Trail, anschließt. Für beide Trails gibt es Etappen- und Übernachtu­ngsvorschl­äge. Interessan­t ist auch das „Lee trail hiking package“mit Gepäcktran­sfer. Weitere Informatio­nen im Internet unter www.visitluxem­bourg.com, visit-eislek.lu und www.stephany.lu

 ?? FOTOS: KING ?? Unterwegs in Luxemburg: saftige Wiesen, leuchtende­r Fingerhut, Wald und öfter eine Burg im Blick. Vom Aussichtsp­unkt „Lippersche­id“sieht man weit hinunter ins Tal, wo sich die Sauer schlängelt.
FOTOS: KING Unterwegs in Luxemburg: saftige Wiesen, leuchtende­r Fingerhut, Wald und öfter eine Burg im Blick. Vom Aussichtsp­unkt „Lippersche­id“sieht man weit hinunter ins Tal, wo sich die Sauer schlängelt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany