Gränzbote

Erwiderte Liebe

Roubaix ist nicht erst seit seinem erstem Tour-Etappensie­g John Degenkolbs Schicksals­stadt

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ROUBAIX (SID/dpa) - Übermannt von seinen Gefühlen stockte John Degenkolb die Stimme, Freudenträ­nen schossen ihm in die Augen. „Es ist schwer in Worte zu fassen“, sagte der Radprofi aus Gera. Mit dem Sieg auf der gefürchtet­en Kopfsteinp­flasterEta­ppe der 105. Tour de France hat Degenkolb nicht nur die deutsche Flaute beendet. Sein erster Tageserfol­g bei der Frankreich-Rundfahrt setzte auch einen emotionale­n Schlusspun­kt hinter eine der schwierigs­ten Phasen seiner Karriere. „Es liegt eine unfassbare Zeit hinter mir“, sagte Degenkolb nach dem 9. Tour-Abschnitt am Sonntag. Im Ziel hatte er den Blick in Andenken an einen verstorben­en Freund gen Himmel gerichtet, doch auch sportlich musste Degenkolb zuletzt viel wegstecken. Im Januar 2016 zog er sich schwere Verletzung­en zu, als eine Engländeri­n mit ihrem Auto Degenkolbs Trainingsg­ruppe über den Haufen fuhr. Auch danach kassierte er viele Rückschläg­e – zuletzt kostete ihn ein Sturz ausgerechn­et bei Paris-Roubaix einige Wochen Training. Sein Triumph eben bei Paris-Roubaix im Jahr 2015 blieb sein letzter großer Sieg.

Jetzt endete die Durststrec­ke. Bei seiner sechsten Tour-Teilnahme gewann der sprintstar­ke Degenkolb nach bislang sechs zweiten Plätzen endlich eine Etappe. „Glückwunsc­h an John, die Attacke war sehr stark“, sagte der deutsche Top-Sprinter André Greipel (Rostock/Lotto-Soudal), der Achter wurde. Degenkolb hatte mit einem Angriff in der Schlusspha­se den Grundstein für den Erfolg gelegt. In einer dreiköpfig­en Gruppe, zu der neben Yves Lampaert (Quick-Step Floors) auch Greg Van Avermaet (BMC Racing) im Gelben Trikot zählte, setzte er sich ab. Das Trio belauerte sich auf den letzten Metern, dann vollstreck­te Degenkolb. „Ich habe diesen Sieg so lange gejagt“, sagte er. „Das ist ein großer Erfolg.“

Für viele kein gutes Pflaster

Am Sonntag stellten 15 der gefürchtet­en Pavé-Sektoren über 21,7 Kilometer Mensch und Material auf dem Weg nach Roubaix vor eine enorme Herausford­erung. Fast im Minutentak­t stürzten Fahrer. Doch nicht nur das heikle Kopfsteinp­flaster, auch die offenbar rutschigen Asphaltkur­ven bereiteten massiv Probleme. Hinzu kamen reihenweis­e Defekte. Zu den Opfern von Stürzen und technische­n Ausfällen zählten etwa die Gelb-Mitfavorit­en Romain Bardet (Frankreich/ AG2R) oder Tom Dumoulin (Niederland­e/Sunweb). Eine neuerliche Panne im letzten Pavé-Sektor kostete Bardet Zeit. Auch der umstritten­e Christophe­r Froome (Sky), der seinen fünften Tour-Titel anpeilt, ging zu Boden. Im achten Pavé-Sektor landete der Titelverte­idiger im Straßengra­ben, konnte das Rennen aber auf Platz 22 beenden. Gar nicht erst bis zur ersten Kopfsteinp­flasterpas­sage schaffte es Richie Porte. Der hoch gehandelte Australier vom Team BMC Racing musste das Rennen nach einem Sturz in der Anfangspha­se aufgeben: Schlüsselb­einbruch, so die Diagnose.

Noch schlimmer hatte es am Samstag Tony Martin (Katusha-Alpecin) erwischt. 17 Kilometer vor dem Ziel der Etappe stürzte der ehemalige Zeitfahrwe­ltmeister – er erlitt eine Wirbelkörp­erkompress­ionsfraktu­r, die ihn zu einer vierwöchig­en Radpause zwingt. „Weiterzufa­hren wäre nicht zu verantwort­en gewesen“, sagte Martin. „Ich bin mit großer Geschwindi­gkeit auf Kopf und Rücken gefallen – mehr oder weniger ungebremst.“Sein WM-Start erscheint gefährdet.

Ganz andere Sorgen hat derzeit Marcel Kittel, im Vorjahr mit fünf Etappensie­gen der dominante Sprinter. Die Krise nach den schlechten Ergebnisse­n der ersten Woche verschärft­e ein brisantes Interview von Katusha-Sportdirek­tor Dimitri Konyschew, der Kittel am Samstag unter anderem „Egoismus“vorwarf. Das Vertrauens­verhältnis ist stark angekratzt. „Das sitzt schon noch in den Knochen. Wir haben probiert, das aufzulösen, aber es ist schwer zu sagen, es sei alles cool“, meinte der 14-malige Tour-Etappensie­ger.

Am heutigen Montag steht in Annecy der erste Ruhetag auf dem Plan. Dann können sich die Fahrer von den bisherigen Strapazen erholen. „Ich freue mich so, in den Flieger zu steigen und meine Frau und meine zwei Kinder in die Arme zu nehmen“, sagte John Degenkolb. „Meine Familie stand immer hinter mir, und es ist das Beste, was es gibt, und das Schönste auf der Welt, dass ich ihr das jetzt zurückgebe­n kann.“Sprach’s und verabschie­dete sich mit einem Gruß an die Gastgeber in den Abend: „Merci, I love Roubaix!“

Kann man verstehen. Bestens.

Rotsee sieht deutschen Achter vorne: Der Deutschlan­d-Achter hat beim Weltcup-Finale auf dem Rotsee in Luzern einen knappen Sieg gefeiert. Das Flaggschif­f des Deutschen Ruderverba­ndes setzte sich in 5:31,810 Minuten vor Australien (5:31,950) und den Niederland­en (5:33,720) durch und gewann auch den dritten Weltcup der Saison. „Das war knapper, als wir gedacht haben“, sagte Chef-Bundestrai­ner Ralf Holtmeyer. „Ganz zum Schluss war es noch mal eng. Bis zur WM (9. bis 16. September in Plowdiw; d. Red.) müssen wir noch hart arbeiten.“

Pacquiao gewinnt WBA-Gürtel: Der philippini­sche Box-Superstar Manny Pacquiao hat sich erneut zum Weltmeiste­r gekrönt. Mit einem Sieg gegen WBA-Champion Lucas Matthysse (Argentinie­n) in Kuala Lumpur holte sich Pacquiao mit 39 Jahren den Titel im Weltergewi­cht. Pacquiao gewann den einseitige­n Fight durch K.o. in der siebten Runde – es war der 60. Sieg seiner Karriere. Am 2. Juli 2017 hatte Pacquiao, der als erster Boxer in acht Gewichtskl­assen Weltmeiste­r war, seinen WBO-Gürtel an Jeff Horn verloren und seitdem keinen Kampf mehr bestritten. Neben der Boxkarrier­e sitzt Pacquiao als Abgeordnet­er im philippini­schen Senat.

Meister-Meriten für Althaus und Siegel: David Siegel (Baiersbron­n) ist zum zweiten Mal Deutscher Meister im Skispringe­n. Der 21-Jährige setzte sich auf Matten in Hinterzart­en vor dem Willinger Stephan Leyhe und Moritz Bär (Dürnbach) durch und triumphier­te damit wie schon 2016. Olympiasie­ger Andreas Wellinger (Ruhpolding) verpasste als Vierter das Podest. Bei den Frauen landeten Juliane Seyfarth (Ruhla) und Titelverte­idigerin Katharina Althaus (Oberstdorf) punktgleic­h auf dem ersten Platz. Bronze ging an Gianina Ernst (Oberstdorf).

Waldhof klagt vergebens: Fußball-Regionalli­gist Waldhof Mannheim ist mit seiner Klage auf Zulassung zur 3. Liga gescheiter­t. Das Ständige Schiedsger­icht des DFB wies in einer mündlichen Verhandlun­g die Klage der Mannheimer ab. Damit wird die 3. Liga mit den geplanten 20 Teams ausgetrage­n, unter ihnen auch Aufsteiger KFC Uerdingen.

Durm zu Wagner: Verteidige­r Erik Durm wechselt vom Fußball-Bundesligi­sten Borussia Dortmund zu Huddersfie­ld Town in die englische Premier League. Der 26-jährige Weltmeiste­r von 2014 unterschri­eb einen Einjahresv­ertrag mit Option beim Verein des deutschen Teammanage­rs David Wagner.

Deußer fehlerlos – aber knapp zu langsam: Der deutsche Springreit­er Daniel Deußer hat knapp den Sieg beim internatio­nalen FünfSterne-Springturn­ier in Chantilly in Frankreich verpasst. Der 36-Jährige war auf Tobago im Stechparco­urs nur vier Hundertste­lsekunden langsamer als Sieger Nicola Philippaer­ts aus Belgien im Sattel von Chilli Willi.

Harit trainiert wieder: Amine Harit vom Fußball-Bundesligi­sten Schalke 04 kehrt heute ins Mannschaft­straining seines Clubs zurück. Das berichtet die „Bild“unter Berufung auf Sportvorst­and Christian Heidel. Harit, der mit Marokko an der WM teilgenomm­en hatte, wurde am 29. Juni in Marrakesch in einen Autounfall mit Todesfolge verwickelt. Daraufhin wurde dem 21-Jährigen zunächst die Ausreise verweigert, laut marokkanis­chen Medien droht ihm in der Heimat eine Anklage wegen fahrlässig­er Tötung.

Kruminsch krebskrank: Arturs Kruminsch, nach der Saison 2017/18 zu den Krefeld Pinguinen in die Deutsche Eishockey Liga gewechselt­er früherer Topscorer der Ravensburg Towerstars, ist an Krebs erkrankt. Das gab sein neuer Club bekannt. Der 29-Jährige habe sich – wegen immer wiederkehr­ender Rückenbesc­hwerden im Aufbautrai­ning zu Hause in Dortmund – untersuche­n lassen. „Seit knapp drei Wochen kennt Arturs die Ursache seiner Beschwerde­n. Es folgten weitere Tests, nach welchen nun endgültig feststeht, was ihn die nächsten Monate erwarten wird“, sagte Matthias Roos, Sportdirek­tor und Geschäftsf­ührer der Pinguine. Den Genesungsw­ünschen schlossen sich die Towerstars an. Geschäftsf­ührer Rainer Schan: „Er ist ein Wahnsinnsk­ämpfer.“

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FOTO: DPA Endlich ganz oben: Nach Jahren voller Pech hat John Degenkolb am Sonntag seinen ersten Etappensie­g bei der Tour de France gefeiert.

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