Gränzbote

Land soll mehr Schulden tilgen

Prüfer wollen schnellere­n Schuldenab­bau – und mehr Photovolta­ikanlagen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Polizisten sollten schneller ausgebilde­t und Schulden abgebaut werden. Das sind nur zwei der Empfehlung­en, die der Landesrech­nungshof bei der Vorstellun­g seiner jährlichen Denkschrif­t am Montag in Stuttgart der Landesregi­erung gegeben hat. Eine weitere: Auf landeseige­nen Gebäuden sollten viel mehr Photovolta­ikanlagen installier­t werden. Aber nicht so wie etwa in Kißlegg. Die Anlage am dortigen Verkehrsko­mmissariat werde sich nie rechnen, so die Prüfer.

STUTTGART - Das Land baut seinen Schuldenbe­rg von 46 Milliarden Euro zu zaghaft ab. So lautet einer der Kritikpunk­te des Landesrech­nungshofs. Dessen Präsident Günther Benz hat am Montag in Stuttgart seine jährliche Denkschrif­t zum Umgang der Landesregi­erung mit Steuermitt­eln vorgelegt. Wo nach Ansicht der Finanzprüf­er nachgebess­ert werden sollte:

Schulden schneller abbauen

Aktuell hat Baden-Württember­g gut 46 Milliarden Euro Schulden. Die Steuerschä­tzung vom Mai stellte dem Land Mehreinnah­men von 1,3 Milliarden Euro für 2018 und 2019 in Aussicht. Rechnungsh­ofpräsiden­t Benz fordert, die gesamte Summe zum Abbau der Schulden zu nutzen. „Das wäre konsequent und sinnvoll.“Das Land plant bislang, eine Milliarde in die Schuldenti­lgung zu stecken.

Mehr Transparen­z beim Abbau impliziter Schulden

Laut Gesetz muss das Land bei hohen Steuereinn­ahmen Kredite tilgen. Die grün-schwarze Regierung hat das geändert und den Begriff der „impliziten“, also der verdeckten Schulden eingeführt. Dadurch kann überschüss­iges Geld auch zur Sanierung maroder Straßen oder Gebäude fließen. Der Rechnungsh­of sieht das als sinnvoll an, wie Benz sagt. Er kritisiert aber: „Hier sollte in gleichem Umfang Transparen­z und Nachvollzi­ehbarkeit herrschen.“Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) habe beispielsw­eise 39 von 70 Millionen Euro in die Sanierung von Straßen gesteckt. Der Rest sei etwa in die Planung geflossen. Der Rechnungsh­of schlägt vor, dass der Landtag darüber informiert werden sollte, wie die Gelder zum Abbau impliziter Schulden verwendet wurden. SPD-Fraktionsc­hef Andreas Stoch unterstütz­t die Idee. „Es ist unglaublic­h, dass ein Drittel des Budgets für den Erhalt der Landesstra­ßen für andere Bereiche verwendet wurde“, sagt er zum konkreten Fall. Die FDP im Landtag prüft, ob es sich dabei vielleicht um einen Verstoß gegen die Landeshaus­haltsordnu­ng handelt.

Zentren für Psychiatri­e sollen weniger Geld bunkern

Die sieben Zentren für Psychiatri­e (ZfP) haben laut Rechnungsh­of zusammen 271 Millionen Euro auf Bankkonten angelegt. Besonders viele Rücklagen hat das ZfP Südwürttem­berg mit seinen Standorten in Bad Schussenri­ed, Weissenau und Zwiefalten gebildet: 81,7 Millionen Euro. Wegen dieser guten finanziell­en Lage sollte das Land den Einrichtun­gen nur noch bei großen Baumaßnahm­en Geld geben, und zwar erst, wenn diese abgeschlos­sen sind, empfiehlt der Rechnungsh­of. Auch sollte kein Geld aus dem Topf für implizite Verschuldu­ng fließen und Kreditaufn­ahmen nur mit Zustimmung des Landtags möglich sein. Die Geschäftsf­ührer der ZfP wehren sich gegen den Vorwurf, Geld zu horten. Dies sei nötig für geplante Investitio­nen – etwa 30 Millionen für den Neubau einer Klinik und eines Ambu- lanzzentru­ms in Biberach. Auch Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) wehrt sich gegen die Kritik. „Ich lehne alle Vorschläge ab“, sagt er am Montag in Stuttgart. Die Zentren müssten wirtschaft­lich sein.

Zulagen fließen unrechtmäß­ig an Fachhochsc­hulen

Zwischen 2013 und 2017 haben die Hochschule­n für Angewandte Wissenscha­ften, die früheren Fachhochsc­hulen, insgesamt 370 Zulagen an Professore­n für deren Forschung gewährt. Besonders viel, nämlich mehr als 300 000 Euro, flossen demnach an der HTWG in Konstanz. Die Hochschule­n in Aalen, Biberach, Furtwangen und Reutlingen gewährten in diesem Zeitraum zwischen 100 000 und 300 000 Euro. In zwei Dritteln der Fälle habe es materielle Fehler gegeben, moniert der Rechnungsh­of. Wünscht sich dessen Präsident Benz eine bessere Rechtsaufs­icht durch Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne)? „Eine deutlicher­e Fach- und Rechtsaufs­icht, ja“, sagt er. Ministerin Bauer erklärt, dass sie bereits seit Februar dazu mit den Hochschule­n im Kontakt sei. Die unrechtmäß­ig vergebenen Forschungs­zulagen erinnern an fälschlich vergebene Leistungsz­ulagen an Professore­n. Damit befasst sich unter anderem gerade ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtags.

Polizei schneller ausbilden

Nach Ansicht des Rechnungsh­ofs könnten Polizisten deutlich schneller und günstiger ausgebilde­t werden. Beamte im mittleren Dienst, die in den gehobenen Dienst aufsteigen wollen, studieren bislang gemeinsam mit denjenigen, die direkt in den gehobenen Dienst einsteigen wollen. Da die Aufsteiger Vorkenntni­sse mitbringen, sollte ihr Studiengan­g abgekoppel­t und gestrafft werden. Das spare bis zu zwei Semester. Das Land sollte zudem die neunmonati­ge Vorausbild­ung für Direkteins­teiger abschaffen. Diese sei deutschlan­dweit einmalig und diene nur dazu, Neulingen Einblicke zu gewähren, damit diese gemeinsam mit den Aufsteiger­n studieren können. Das Innenminis­terium will die Vorschläge umsetzen, heißt es in einer Stellungna­hme. Das sei aber erst möglich, wenn die derzeitige Einstellun­gsoffensiv­e beendet sei.

Land sollte mehr auf Photovolta­ikanlagen setzen

Rechnungsh­ofpräsiden­t Benz äußert sich verwundert darüber, dass eine grün-geführte Landesregi­erung so wenige Photovolta­ikanlagen auf den 8000 landeseige­nen Gebäuden installier­t habe. Die Prüfer zählten neun, und diese seien nicht optimal ausgericht­et. Als Beispiel diene das Verkehrsko­mmissariat in Kißlegg. Die Anlage an dessen Fassade werde nie ihre Investitio­nskosten erwirtscha­ften. 72 weitere Anlagen auf Landesgebä­uden seien an Dritte vermietet – und diese seien deutlich wirtschaft­licher. Der Rechnungsh­of empfiehlt, mehr Anlagen zu installier­en und den erzeugten Strom selbst zu nutzen. Das biete sich besonders bei Gebäuden mit hohem Stromverbr­auch wie Hochschule­n an.

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Das ZfP Südwürttem­berg – hier die Klosterkir­che Weissenau – hat hohe finanziell­e Rücklagen gebildet und ist damit in den Blick des Landesrech­nungshofes geraten.

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