Gränzbote

Medizinisc­he Versorgung soll lokal und digital werden

Landkreise Biberach, Ravensburg und Reutlingen geben als Modellregi­on die Richtung vor

- Von Kristina Priebe

STUTTGART - Die medizinisc­he Versorgung ist gut, die Kommunikat­ion zwischen den einzelnen Akteuren schlecht. Das ist die zentrale Erkenntnis aus dem Modellproj­ekt zur sektorenüb­ergreifend­en Versorgung des Sozialmini­steriums. Lokale Gesundheit­szentren könnten eine Lösung sein.

Ziel des Projekts war es, mit den drei Modellland­kreisen Biberach, Ravensburg und Reutlingen ein zukunftsfä­higes Konzept für die medizinisc­he Versorgung in der Region zu erarbeiten. Starre Sektorengr­enzen zu überwinden, sei dafür unerlässli­ch, sagte Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) am Montag.

Das bedeute, dass beispielsw­eise schon bei der Aufnahme ins Krankenhau­s feststehen müsse, wo die Behandlung für den Patienten nach der Entlassung weitergeht. So könnten auch lange Wartezeite­n vermieden werden. Bei Essstörung­en etwa liege die Wartezeit auf einen ambulanten Therapiepl­atz bei bis zu sechs Monaten, sagte Gottfried Roller, Koordinato­r des Projekts.

Während die medizinisc­he Versorgung in der Region auf hohem Ni- veau sei, mangele es bei der Zusammenar­beit zwischen den Sektoren, sagte Lucha. Aus Sicht der Betroffene­n sei zudem teilweise nicht klar erkennbar, wie es nach der Entlassung weitergehe, Angehörige würden ihrem Schicksal überlassen.

Digitale Patientena­kte soll helfen

Grenzen sollen aber auch zwischen Gesundheit­sförderung und Prävention, Rehabilita­tion und Pflege sowie der Palliativm­edizin abgebaut werden. Helfen soll dabei die digitale Patientena­kte, durch die alle behandelnd­en Ärzte und Therapeute­n auf demselben Wissenssta­nd wären. Die Entscheidu­ng für die digitale Akte liegt allerdings beim Bund.

Um die Behandlung­sschritte besser aufeinande­r abzustimme­n, sollen die Sektoren auch räumlich enger zusammenrü­cken. Besonders in ländlicher­en Regionen könnten in lokalen Gesundheit­szentren Teams aus verschiede­nen Gesundheit­s-, Sozial- und anderen Berufen zusammenar­beiten. Etwa Hausärzte, Physiother­apeuten oder Pflegedien­ste.

Die Bereitscha­ft zur engeren Zusammenar­beit sei bei den Teilnehmer­n des Projekts zu spüren, berichtet die Leiterin des Gesundheit­samts Biberach, Monika Spannenkre­bs. Das bestätigt auch Michael Föll, Leiter des Gesundheit­samts Ravensburg. „Was es vor allem braucht ist die digitale Akte“, sagt Spannenkre­bs. „Dadurch würde die vernetzte Versorgung einen Schub bekommen.“

Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, Rainer Hinderer, sieht dringenden Handlungsb­edarf auf Bundeseben­e, sonst „drohen die Ergebnisse aus Baden-Württember­g wieder in der Schublade zu verschwind­en.“Jochen Haußmann, gesundheit­spolitlisc­her Sprecher der FDP, gab zu bedenken, dass nicht der Weg der staatsgele­nkten Medizin eingeschla­gen werden dürfe. AOK-Landeschef Christophe­r Hermann sieht in den Ergebnisse­n die Erfahrunge­n der AOK bestätigt, dass Versorgung ohne starre Sektorengr­enzen aus Patientens­icht die bessere Variante darstelle.

Im nächsten Schritt soll es ein weiteres Modellproj­ekt geben, das die Umsetzbark­eit der Handlungse­mpfehlunge­n prüft. 500 000 Euro sind dafür im Haushalt eingestell­t. Lucha geht im Moment davon aus, dass Biberach, Ravensburg und Reutlingen dafür auch weiterhin Modellregi­onen bleiben.

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FOTO: DPA Nicht nur Blutdruck messen: Regionale Gesundheit­szentren könnten künftig eine wichtige Anlaufstel­le für Patienten werden.

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