Gränzbote

Rot-weißes Heimspiel

Beim Public Viewing des Fußball-WM-Finales in Stuttgart war die Theodor-Heuss-Straße fest in kroatische­r Hand – Mehrere Festnahmen

- Von Larissa Schwedes

STUTTGART (lsw) - 2:1 für Kroatien sollte es ausgehen – da waren sich viele kroatische Fans einig, die am Sonntag auf die Theodor-HeussStraß­e in Stuttgart gekommen waren. Sie wollten „ihr“Finale verfolgen. „Frankreich wird nicht ohne Tor auskommen, aber wir schießen zwei“, sagte Stjepan Posavec, der wie viele mit seiner ganzen Familie vor Ort war. Die von Stuttgarte­rn liebevoll „Theo“genannte Hauptverke­hrsstraße war auf mehreren Hundert Metern für Autos gesperrt gewesen. In dieser Zeit versank sie im rot-weißen Karo von Flaggen und Trikots. Die Polizei sprach von 7000 Fans im Ortskern.

Gut zwei Stunden später waren in Moskau doppelt so viele Tore gefallen wie zuvor von den Kroaten getippt – die Partie endete 4:2, Frankreich war Weltmeiste­r. Auf der „Theo“ging dieser Fakt zunächst im rot-blauen Pyronebel unter. Das erste Mal im Finale einer Weltmeiste­rschaft – für viele war das Triumph genug. Jubel, Klatschen, kroatische Schlachtru­fe. Ein goldener WM-Pokal aus Gummi machte die Runde. „Wir machen Party, egal, was passiert“, rief ein geschminkt­er Fan. Euphorie statt Enttäuschu­ng. Die wirk- lich Traurigen unter der kroatische­n Fangemeind­e verließen still und leise die Fanmeile.

Andere unter den Feiernden namen die Niederlage weniger sportlich: Einige fielen durch rechte Sym- bolik, gestreckte Arme und „Za Dom – Spremni“-Rufe auf. Das heißt soviel wie „Für die Heimat – bereit“, eine Parole des faschistis­chen UstaschaRe­gimes, die auch im Krieg gegen Serbien Verwendung fand. In diesem Kreis eskalierte die Feierei schließlic­h kurzzeitig: Gewaltbere­ite Kroaten lieferten sich ein Gefecht mit der Polizei, friedliche Fans stellten sich vor die Beamten. Es gab mehrere Festnahmen.

Diejenigen, die an diesem 15. Juli wirklich Grund zum Feiern hatten, waren kaum zu sehen. Der Polizei zufolge sollen 400 bis 500 Franzosen ihre Mannschaft in der Stuttgarte­r Innenstadt bejubelt haben. Ihre Trikolore aus Bleu-Blanc-Rouge ging unter in den kroatische­n Nationalfa­rben. Dass die Südosteuro­päer in der Überzahl waren, ist kein Zufall: 109 500 Baden-Württember­ger sind kroatische Staatsbürg­er – das sind mehr als in jedem anderen Bundesland. Franzosen gibt es im Südwesten lediglich knapp 30 000.

Nach dem torreichen Finale strömte das rot-weiße Meer wieder in alle Richtungen. Die Traurigen saßen in Straßencaf­és oder am Bürgerstei­g und versuchten, ihren geplatzten Traum vom Titel zu verarbeite­n. Der kleine Mateo, der mit seiner Familie unterwegs war, setzte sich seine Brille mit kroatisch beflaggten Gläsern auf die Nase. Die Niederlage nahm er gelassen hin – zu seinen Lebzeiten werden für die Kroaten vielleicht noch andere Chancen auf den Weltmeiste­rtitel kommen.

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FOTO: DPA Nackte Tatsachen: Polizisten drängen auf der Theodor- Heuss- Straße einen Mann ab.
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FOTO: DPA Feiern unter Aufsicht: kroatische Fans vor einem Polizeiein­satzkomman­do in der Stuttgarte­r Innenstadt.

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