Gränzbote

Krise bei Thyssenkru­pp spitzt sich zu

Aufsichtsr­atschef Lehner tritt zurück – Gerüchte um Verkauf der Aufzugsspa­rte

- Von Andreas Knoch und dpa

ESSEN/RAVENSBURG - Nach dem überrasche­nden Rücktritt von Thyssenkru­pp-Chef Heinrich Hiesinger muss der Industriek­onzern einen weiteren wichtigen Abgang verkraften. Ulrich Lehner (72) werde mit Wirkung zum 31. Juli 2018 sein Mandat als Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats der Thyssenkru­pp AG niederlege­n und aus dem Aufsichtsr­at ausscheide­n, teilte das Dax-Unternehme­n am Montagaben­d mit. Das Aufsichtsg­remium werde in Kürze über die Nachfolge Lehners einen Beschluss fassen.

Damit spitzt sich die Führungskr­ise bei Thyssenkru­pp zu, die mit Hiesingers Rücktritts­gesuch Anfang Juli eingesetzt hatte. Übergangsw­eise leitet inzwischen Finanzvors­tand Guido Kerkhoff das Unternehme­n. Hiesinger hatte zu seinem Rücktritt erklärt, er „gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzl­iche Diskussion im Aufsichtsr­at über die Zukunft von Thyssenkru­pp zu ermögliche­n“.

Ulrich Lehner nannte in der Mitteilung vom Montag das mangelnde Vertrauen der großen Aktionäre als Grund für sein Ausscheide­n. Ein gemeinsame­s Verständni­s im Aufsichtsr­at über die strategisc­he Ausrichtun­g sei nicht mehr gegeben gewesen. Druck hatte vor allem der schwedisch­e Finanzinve­stor Cevian aufgebaut, dem die Umbaubemüh­ungen von Thyssenkru­pp nicht weit genug gingen.

Seine Entscheidu­ng solle dazu beitragen, „das notwendige Bewusstsei­n bei allen Beteiligte­n zu schaffen, dass eine Zerschlagu­ng des Unternehme­ns und der damit verbundene Verlust von vielen Arbeitsplä­tzen keine Option darstellt – weder im Sinne des Stifters noch im Sinne unseres Landes“, erklärte Lehner weiter.

Abspaltung der Aufzugsspa­rte

Dem Vernehmen nach drängt Cevian unter anderem auf eine Abspaltung der profitable­n Aufzugsspa­rte – eine Option, mit der auch die mächtige Stiftungsc­hefin Ursula Gather in Verbindung gebracht wird. Wie das „Handelsbla­tt“unter Berufung auf Konzernkre­ise berichtete, soll Gather eine Abspaltung der profitable­n Aufzugsspa­rte an den Konkurrent­en Kone bereits vor zwei Jahren ausgelotet haben – damals noch ohne Mandat, über solche Fragen auch nur zu sprechen.

Seit Anfang dieses Jahres ist der Einfluss Gathers auf strategisc­he Entscheidu­ngen bei Thyssenkru­pp jedoch gestiegen: Im Januar übernahm sie einen Sitz im Aufsichtsr­at. Seitdem, schreibt das „Handelsbla­tt“, soll Gather mehrfach mit Jens Tischendor­f gesprochen haben, der für den Finanzinve­stor Cevian im Aufsichtsr­at des Essener Konzerns sitzt und der als scharfer Kritiker der Strategie von Ex-Chef Hiesinger gilt.

Im vergangene­n Geschäftsj­ahr 2016/17 (30. September) erzielte die Aufzugsspa­rte bei Umsätzen von 7,7 Milliarden Euro ein Betriebser­gebnis von 922 Millionen Euro; weltweit waren bei Thyssenkru­pp Elevator – so der offizielle Name des Bereichs – mehr als 50 000 Mitarbeite­r beschäftig­t. Einen wichtigen Standort unterhält der Konzern in Rottweil, wo Expressauf­züge und Hochgeschw­indigkeits­fahrstühle getestet werden sollen.

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FOTO: DPA Thyssenkru­pp Aufsichtsr­atschef Ulrich Lehner.

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