193 355 Zuschauer können sich nicht irren
Am Sachsenring boomt die Motorrad-WM, und doch ist die Zukunft des Grand Prix’ offen
HOHENSTEIN-ERNSTTHAL (SID/ dpa) - Die donnernden Motoren waren für die Protestrufe dann doch zu laut, überhören konnte sie am Sachsenring aber niemand. „In der Eifel fahrt ihr ohne uns“, brüllten die Fans auf den Tribünen, auch mit Plakaten wurde dem Ärger über das drohende Aus Luft gemacht. „Nürburgring nicht unser Ding“, stand da etwa, oder „Der Sachsenring muss bleiben“. Beim Großen Preis von Deutschland wurde nicht nur auf der Strecke gekämpft.
Ein ereignisreiches Wochenende liegt hinter Hohenstein-Ernstthal, fast 90 000 Besucher kamen allein am Renntag. Ob es im kommenden Sommer wieder so sein wird, kann niemand sagen. Wie sehr den Menschen rund um die Karl-May-Stadt ihr WMLauf am Herzen liegt, wurde allerdings überdeutlich. „Die sächsische Staatsregierung steht mit der Region zusammen. Wir wollen, dass dieses Rennen auch in den nächsten Jahren hier stattfindet“, betonte Ministerpräsident Michael Kretschmer bei seinem Besuch an Ort und Stelle. Der CDU-Politiker führte „eine ganze Reihe von Gesprächen“; mit wem, wollte er „gar nicht so ausbreiten“. Es dürften Vertreter des WM-Vermarkters Dorna und des ADAC gewesen sein.
Der ADAC hatte wenige Tage vor dem Grand Prix bekannt gegeben, dass die Veranstaltung 2019 nicht mehr auf dem Kult-Kurs stattfinden werde, da keine Einigung mit der Sachsenring Rennstrecken Management GmbH (SRM) erzielt worden sei. Grund dafür ist offenbar eine fehlende Bankbürgschaft über 3,8 Millionen Euro. Der ADAC hat mit der Dorna einen Vertrag bis 2021 für den Deutschland-Grand-Prix, dieser ist aber an keine Strecke gebunden. Deshalb wird über einen Umzug an den Nürburgring diskutiert.
„Unsere Hand ist ausgestreckt, und ich hoffe, dass der ADAC sie auch ergreift“, sagte Kretschmer am Sonntag. Immerhin gab es positive Signale. „Zu 99,9 Prozent wird der Grand Prix von Deutschland auch im nächsten Jahr auf dem Sachsenring veranstaltet“, sagte Dorna-Boss Carmelo Ezpeleta dem Internetportal speedweek.com. Auch einen neuen Investor soll es geben.
Die Zuschauer haben den Schuldigen für die Probleme längst gefunden. Der Zorn richtete sich beim Motorsportvolksfest in erster Linie gegen den ADAC. „ADAC – Ach Du Armer Club“, „Grüße an den ADAC: Wir lassen uns NICHT mehr abschleppen“, stand auf Spruchbändern. Dabei sind die Hintergründe unklar, Fakten kamen kaum an die Öffentlichkeit. Tatsache ist, dass die SRM im Vorjahr ein Minus in sechsstelliger Höhe beklagte – nach Preiserhöhungen fehlten Zuschauer. Davon konnte diesmal keine Rede sein. 193 355 Besucher kamen verteilt über drei Tage – und damit deutlich mehr als 2017 (164 801). Die Atmosphäre stimmte, auch wenn Zukunftsangst mitschwang. Bei Traumwetter war am Ankerberg, wo die Camper residierten, in der Karthalle und auf der Partymeile Goldbachstraße jede Menge los. Das Aus für dieses Event wäre ein enormer Verlust für Hohenstein-Ernstthal. Für die Region. Für die Motorrad-WM.
Und so laufen die Bemühungen weiter. Es gibt eine Facebook-Initiative („Lasst den Sachsenring am Leben“) und eine Online-Petition („Die MotoGP muss am Sachsenring bleiben!“), prominente Fahrer wie der Ita- liener Valentino Rossi und der Spanier Marc Márquez machten sich für den Verbleib stark. „Ich liebe den Sachsenring“, sagte der Weltmeister aus Spanien nach seinem neunten Sieg in Serie auf dem Kurs. Er ist mit seinen Gefühlen nicht allein.
Am Rennsonntag sahen
89 242 Fans den WM-Läufen auf dem Sachsenring zu, Freitag kamen zum Training 32 657, Samstag zum Qualifying 71 456 Zuschauer. Der Rekord allerdings wurde bereits 2011 aufgestellt ( übers Wochenende 230 133 Besucher).