Gränzbote

Rundfunkbe­itrag vor Gericht

Verfassung­srichter urteilen, ob die Abgabe gerecht ist – Die wichtigste­n Antworten dazu

- Von Daniel Hadrys

RAVENSBURG - Heute beendet das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe einen jahrelange­n Rechtsstre­it: Die Obersten Richter entscheide­n über den Rundfunkbe­itrag für ARD, ZDF und Deutschlan­dradio. Mehrfach stand die Abgabe seit ihrer Einführung im Jahr 2013 vor verschiede­nen Gerichten. Nach dem Urteil am heutigen Mittwoch soll feststehen, ob der Beitrag gerecht ist. Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Worum geht es heute in Karlsruhe?

Es geht vor allem um zwei Fragen. Zum einen sehen Kritiker in der Abgabe eine verdeckte Steuer. Zum anderen klären die Karlsruher Richter, ob es rechtens und fair ist, dass jeder Haushalt den gleichen Betrag zahlt – unabhängig davon, wie viele Personen darin leben.

Wer klagt gegen den Rundfunkbe­itrag?

Drei Privatpers­onen und die Mietwagenf­irma Sixt haben ihre Verfassung­sbeschwerd­en eingereich­t. Sie fühlen sich durch den einheitlic­hen Beitragssa­tz ungerecht behandelt. Zudem sehen sie den Beitrag als Steuer, weil grundsätzl­ich jeder zur Zahlung verpflicht­et ist. Zweitwohnu­ngsbesitze­r kritisiere­n, dass sie zweimal zahlen müssen. Sixt beschwert sich zudem darüber, dass für Privatauto­s kein Beitrag fällig wird, wohl aber für betrieblic­h genutzte Fahrzeuge. Falls die Karlsruher Richter den Rundfunkbe­itrag als Steuer klassifizi­eren, wären die Länder nicht mehr zuständig. Diese erheben die Gebühren jedoch bislang.

Um wieviel Geld geht es?

Jeder Haushalt zahlt pro Monat 17,50 Euro. Die Wohngemein­schaft mit fünf Bewohnern muss diesen Betrag ebenso abgeben wie die alleinerzi­ehende Mutter mit zwei Kindern. Firmen zahlen unter anderem nach Anzahl der Beschäftig­ten und Betriebsst­ätten. Empfänger von Sozialleis­tungen sind jedoch vom Beitrag ausgenomme­n. Im vergangene­n Jahr erzielten ARD, ZDF und Deutschlan­dradio so Gesamtertr­äge in Höhe von 7,9 Milliarden Euro – rund 3,7 Millionen Euro weniger als im Jahr 2016.

Wie war das früher geregelt?

Der Rundfunkbe­itrag hatte im Jahr 2013 die frühere GEZ-Gebühr ersetzt. Vor der Reform hatte jeder Bürger nach der Anzahl der Fernseher und Radios gezahlt. Die Besuche von GEZ-Mitarbeite­rn, die Haushalte nach Empfangsge­räten durchforst­en, fielen mit der Reform weg. Das neue Zahlmodell war von den öffentlich-rechtliche­n Sendern eingeführt worden, da auch auf Smartphone­s und Computern das Programm konsumiert werden kann. Das ist auch ihr Argument für den Rundfunkbe­ihafen, trag. Durch das neue System sei die Abgabe zudem einfacher. ●

Ist der Rundfunkbe­itrag juristisch gesehen einer Steuer ähnlich?

Laut Georg Jochum, Steuerrech­tler an der Zeppelin Universitä­t Friedrichs- gibt es wichtige Unterschie­de. „Die Steuer fließt dem allgemeine­n Staatshaus­halt zu“, erklärt der Jurist. „Der Rundfunkbe­itrag ist hingegen eine sogenannte Vorzugslas­t.“Sprich: Der Staat sammelt Geld ein, um damit ein öffentlich-rechtliche­s Programm gewährleis­ten zu können. Es fließt in die Bereitstel­lung einer speziellen „Infrastruk­tur“– ähnlich wie bei einer Straßenmau­t. Der Bürger bezahlt und erhält, zumindest theoretisc­h, eine Gegenleist­ung. Überhaupt dürfe der öffentlich­rechtliche Rundfunk wegen seiner Unabhängig­keit von der Politik gar nicht über Steuern finanziert werden: „Sonst wäre es ein Staatsrund­funk. Der Staat würde darüber entscheide­n, was im Programm läuft“, sagt Jochum. Da die öffentlich-rechtliche­n Medien staatsfern seien, müssten sie über Beiträge finanziert werden.

Könnte der Rundfunkbe­itrag heute generell fallen?

Nein, das ist eher unwahrsche­inlich. Der Vorsitzend­e des Ersten Senats des Bundesverf­assungsger­ichts, Ferdinand Kirchhof, hatte in der mündlichen Verhandlun­g im Mai betont, es gehe bei der Verhandlun­g nicht um eine generelle Kritik am Angebot des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks. Auch Jurist Georg Jochum geht nicht davon aus, dass es um die völlige Abschaffun­g des Beitrags geht: „Ich halte es für ausgeschlo­ssen, dass das Bundesverf­assungsger­icht das Grundprinz­ip der Beitragsfi­nanzierung des öffentlich­rechtliche­n Rundfunks kippt.“Dass das Bundesverf­assungsger­icht jedoch Korrekture­n und Änderungen anmahnt, ist wahrschein­lich. Im Mai hatten die Obersten Richter bereits eine ungleiche Bemessung der Beiträge kritisiert.

Schweiz: Die Rundfunkan­stalt

SRG – das Schweizer Pendant zu ARD und ZDF – wird überwiegen­d aus Gebühren finanziert. Jeder Haushalt, der ein Empfangsge­rät für Radio und Fernsehen hat, muss sie zahlen. Bei einer Volksabsti­mmung im März 2018 entschiede­n sich die Schweizer gegen die Abschaffun­g der Gebühren.

Österreich: Hier bezieht der

● öffentlich-rechtliche ORF Rundfunkge­bühren. Jeder Haushalt muss für TV- und Radiogerät­e eine Abgabe zahlen. Die Kosten variieren je nach Wohnort.

Dänemark: Noch werden Rundfunkge­bühren ● in Dänemark pro Haushalt erhoben. Sie sollen aber vom nächsten Jahr an durch Änderungen am persönlich­en SteuerFrei­betrag graduell ersetzt werden. 2022 sollen sie ganz abgeschaff­t sein.

Großbritan­nien: Jeder Haushalt

● muss einen Festbetrag im Monat für die British Broadcasti­ng Corporatio­n (BBC) zahlen. Die Kosten für die TV-Lizenzen unterschei­den sich nach Farb- und Schwarz-WeißGeräte­n.

Frankreich: Auch hier gehören

Rundfunkge­bühren zu den wichtigste­n Einnahmequ­ellen des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks. Sie fallen für Geräte an, mit denen TV-Programme empfangen werden können und werden einmal im Jahr zusammen mit der Wohnsteuer berechnet.

Niederland­e: Der öffentlich­rechtliche

● Rundfunk wird aus Steuermitt­eln finanziert. Die Rundfunkge­bühr wurde im Jahr 2000 abgeschaff­t und durch eine erhöhte Einkommens­teuer ersetzt.

Italien: Nach einer Gesetzesre­form

● im Jahr 2016 werden die Rundfunkge­bühren für die Radiotelev­isione Italiana (Rai) zusammen mit der Stromrechn­ung eingezogen. Neben den Gebühren finanziere­n sich die öffentlich-rechtliche­n Rundfunkan­stalten auch durch Werbeeinna­hmen.

USA: Der Public Broadcast Service

● (PBS), eine Senderkett­e in den Vereinigte­n Staaten, erhält seine Mittel aus Spenden und über eine Stiftung des Kongresses staatliche Zuwendunge­n. Dieses System steht jedoch in der Kritik. Das National Public Radio (NPR) bekommt ebenfalls Gelder über Stiftungen sowie über das Sponsoring von Firmen. (sz/dpa)

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FOTO: DPA 2013 hatte der Rundfunkbe­itrag die GEZ-Gebühr ersetzt.

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