Gränzbote

Das Geheimnis der Frauen

Um „Freundinne­n“geht es in einem gescheiten Bildband von Dörthe Binkert

- Von Birgit Kölgen

● o ist das mit Bildbänden: Sie werden nach Thema gekauft, meistens als Geschenk. Und dann liegen sie dekorativ, gelegentli­ch durchgeblä­ttert, selten gelesen auf dem Couchtisch, ehe sie beim Aufräumen in Kisten verschwind­en. Das wäre in diesem Fall besonders schade. Denn die Kunsthisto­rikerin und Erzählerin Dörthe Binkert („Brombeerso­mmer“) hat einen gescheiten Text zum Thema „Freundinne­n“geschriebe­n. Und es gibt dazu eine Fülle von Bildern, die das längere Betrachten wert sind.

Männer können es oft nicht fassen. Was die Frauen immer zu bereden haben! Und wie sie es schaffen, von Klatsch und Kleidchen übergangsl­os auf die wichtigen Dinge des Lebens zu kommen! Die Vertrauthe­it von Frauen untereinan­der ist nicht zu unterschät­zen. Dörthe Binkert sagt es deutlich: „In der Ehe ist das Gespräch vielleicht verstummt. Zwischen guten Freundinne­n versiegt es nie.“Auch die renommiert­e Schweizer Psychologi­n und Fachbuchau­torin Verena Kast betont in ihrem Vorwort den Rang dieser weiblichen Beziehunge­n. Sie verrät, dass die Freundin oft „die heimliche Dritte in der Therapie“sei, manchmal hilfreich, manchmal hinderlich. Grundsätzl­ich, sagt sie, suchen Frauen in ihren Freundscha­ften nicht nur Spaß, sondern auch wichtigere Werte: Nähe, Wärme, Akzeptanz und Geborgenhe­it.

Das beginnt mit der ersten besten Freundin, die man als Schulmädch­en, manchmal schon im Kindergart­en, findet, und die, so Dörthe Binkert, „Schutz und Verstärkun­g“bietet bei den ersten Expedition­en in die Eigenständ­igkeit. In dieser Freundscha­ft gibt es oft auch die ersten Konflikte außerhalb der Familie, Rivalitäte­n, Enttäuschu­ngen: „Mit dir spiel’ ich

Snicht mehr!“Das ist nur der Anfang unvermeidl­icher Krisen. Frauen nehmen Veränderun­gen in Beziehunge­n sehr deutlich wahr, innige Freundscha­ften können unter Zeitmangel, Ortswechse­ln oder einer Amour sehr leiden, sie können daran zerbrechen.

Fasziniere­ndes Motiv für Männer

Neue Freundscha­ften zu finden, wird mit wachsendem Alter immer schwierige­r. Deshalb wünschen wir uns von einer guten Freundin, glaubt Dörthe Binkert, „dass sie bei uns bleibt, auch wenn wir gehen“. Und tatsächlic­h gibt es ja diese beglückend­e Erfahrung, dass alte Freundinne­n auch nach langen Trennungen oft „ohne Umschweife“an ihre frühere Verbundenh­eit anknüpfen können.

Für die Männer scheint das bei allem Spott doch fasziniere­nd zu sein. Es ist jedenfalls auffällig, dass die meisten Freundinne­n-Bilder in diesem Band von Männern geschaffen wurden. Das reicht von den süßen und artigen Mädchen, die der Schweizer Volksmaler Albert Anker (1831-1910) bei der „Schreibstu­nde“mit Tinte und Feder festgehalt­en hat, bis zu den kraftvoll-stürmische­n „Frauen am Strand“, die Pablo Picasso 1922 in die Welt setzte. Beim Tee unterm Lindenbaum tupfte der amerikanis­che Impression­ist Lawton S. Parker (1864-1954) zwei rosige Mädchen, während Henri Matisse 1922 nicht einmal Gesichter brauchte, um mit zwei am Fenster ruhenden Frauenfigu­ren sichtbares „Vertrauen“auszudrück­en.

Man kann sie lange und mit großem Vergnügen ansehen, die Frauen in diesem empfehlens­werten Buch. Und am Ende darf man noch einmal schmunzeln über „Zwei watende Ladies“, die der britische Gegenwarts­künstler Peter Breeden am Meer gemalt hat. Barfuß spazieren die alten Damen durch das Wasser, sie berühren einander nicht, und doch spürt man gleich, das sind Freundinne­n.

Dörthe Binkert: Freundinne­n, Thiele Verlag, 160 Seiten, 25 Euro.

 ?? FOTO: PETER HARHOLDT ?? Freundinne­n beim Tee unterm Lindenbaum von Lawton S. Parker. Das duftige Gemälde von 1914 ist hier im Ausschnitt zu sehen.
FOTO: PETER HARHOLDT Freundinne­n beim Tee unterm Lindenbaum von Lawton S. Parker. Das duftige Gemälde von 1914 ist hier im Ausschnitt zu sehen.

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