„Katastrophale Situation“
Fast allen Trossinger Schulen fehlen Lehrer - Eltern der Friedensschüler laufen Sturm
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TROSSINGEN - An der Trossinger Friedensschule herrscht Krisenstimmung. Nach aktuellem Stand ist völlig offen, ob die Schule ab September einen geregelten Unterricht aufrecht erhalten können wird. Bis zu zehn Stunden drohen laut Rektorin Lotte Lehmann wöchentlich pro Klasse auszufallen, an der Rosenschule sieht es nicht viel besser aus. Die Eltern der Friedensschüler laufen deshalb jetzt Sturm.
„Es geht um nicht weniger als um die Bildung unserer Kinder“, sagt Martina Möbius, Elternsprecherin der Friedensschule. „Man mag es sich gar nicht vorstellen, in welche prekäre Stituation Schüler wie Lehrer kommen, wenn Klassen zu bis zu 60 Kinder zusammengelegt werden müssen, wenn ganze Schultage auszufallen drohen, weil es schlicht keine Lehrer gibt.“
Lotte Lehmann, die Rektorin der Friedensschule, rechnet mit düsteren Zahlen. „Im Moment sieht es schlecht aus“, sagt sie, „wenn es so bleibt, fehlen uns kommendes Schuljahr 126 Stunden pro Woche.“Statt 24 Stunden müsste im schlimmsten Fall jede Klasse mit 14 Stunden auskommen. „Wir hätten Klassen ohne Lehrer. Ein Lehrer müsste sich gleichzeitig um zwei Klassen kümmern“, stellt Lehmann fest. „Das ist schon heftig.“Bisher sei lediglich eine Versetzung in Aussicht.
Dazu kommt, dass die Schule eigentlich verpflichtet ist, die Kinder bis 11.45 Uhr zu betreuen. Sollte sich personell nichts ändern, sagt Lehmann, könne die Friedensschule diese Unterrichtsdauer aber nicht mehr stemmen. „Dann müsste ich und würde ich im Sommer einen Antrag stellen, dass wir das nicht mehr leisten können“, erläutert die Schulleiterin und fügt hinzu: „So schlimm war es noch nie.“Positiv sieht sie in der jetzigen Situation die Elternarbeit: „Die Eltern ziehen mit und sind sehr engagiert.“
Kellenbachschule muss wohl Stunden abgeben
Für Möbius selbstverständlich: „Das, was ab September der Friedensschule droht, das kann man nicht mehr hinnehmen. Deshalb wollen wir der Schule beistehen. Die Lehrer dürfen als Beamte nicht protestieren, wir als Eltern aber haben das Recht und die Pflicht, uns stark zu machen“, sagt sie. Gemeinsam mit anderen Eltern hat sie Briefe an das Schulamt, den Bürgermeister, den Gemeinderat, den Landtagsabgeordneten und Justiz-Minister Guido Wolf (CDU) sowie den Bundestagsabgeordneten Volker Kauder (CDU) geschrieben. „Wir wissen, dass es einfach zu wenige Lehrer derzeit gibt. Aber uns ist auch klar, dass Lehrer von besser besetzten Schulen abgeordnet werden können. Das ist in meinen Augen die einzige Möglichkeit, um das Problem wenigstens abzumildern.“
Mit diesem Gedanken hat sich auch das Staatliche Schulamt in Konstanz schon beschäftigt. Nur: „Rund um Trossingen gibt es nicht wirklich besser besetzte Schulen“, sagt Uwe Preiß, der dort unter anderem für die Lehrerversorgung zuständig ist. Im Landkreis Tuttlingen sei der Mangel derzeit besonders groß. „In Tuttlingen konnten wir das Loch etwas stopfen, aber Trossingen, Spaichingen und der Heuberg sind planerisch noch nicht durch“, so Preiß. Von den Trossinger Grundschulen steht einzig Schura verhältnismäßig gut da. „Die Kellenbachschule wird Stunden abgeben müssen“, kündigt er an. In welchem Umfang, sei allerdings noch nicht klar. Preiß hofft, dass sich über die Sommerferien andere Lösungen auftun.
Er wirbt auch für die Möglichkeit für angehende Gymnasiallehrer, die keine Stelle bekommen haben, nach einem Seminar ein Jahr als Grundschullehrer zu arbeiten. „Ich appelliere auch an Lehrer, früher aus Beurlaubungen oder Elternzeiten zurückzukommen“, sagt Preiß.
Auf die bisherigen Stellenausschreibungen habe es kaum Resonanz gegeben, der Markt ist leer. Aber das Schulamt versucht es weiter: Gerade erst wurde wieder eine Stelle für die Friedensschule eingestellt, bei einer laufenden Sammelausschreibung für den ganzen Kreis will Preiß unter anderem die Friedensschule bevorzugen, der zwei bis drei Lehrer fehlen. Genauso schlecht sieht es an der Rosenschule aus trotz Verstärkung durch Regine Mayer, die derzeit noch Konrektorin der Friedensschule ist.
Wieviele Wochenstunden der Friedensschule im kommenden Schuljahr Stand jetzt fehlen, kann Preiß schwer sagen. Auf dem Papier seien es derzeit für zwölf Klassen je 5,75. „Aber es sind zum Beispiel im Sportunterricht Zusammenlegungen möglich, was natürlich nicht ideal ist. Wir müssen gucken, wo wir streichen können.“Die Situation besorge auch ihn, so Preiß. Es sei, sagt er, rein objektiv gesehen enger als in den vergangenen Jahren, was die Lehrerversorgung angeht.
Drastischere Worte findet da Trossingens Bürgermeister: „Ich habe einen Brief an Kultusministerin Susanne Eisenmann geschrieben, sie auf die katastrophale Situation aufmerksam gemacht und in Summe dargestellt, wo bei uns überall Lehrer fehlen“, berichtet Clemens Maier (siehe Infokasten). Viel könne die Stadt nur leider nicht tun, um das Problem zu lösen, denn die Lehrerversorgung obliege dem Land BadenWürttemberg.
Neben der Friedensschule sorgt sich Maier vor allem um die Rosenschule, die im September mit der Ganztagesbetreuung startet. „Wir hatten dafür schwer zu kämpfen. Es wäre schlimm, wenn gleich zum Start Lehrer fehlen“, so der Bürgermeister. Eventuell sollen zwei angehende Gymnasiallehrer an der Rosenschule aushelfen, zudem Personal mit pädagogischer Ausbildung. „Das wäre immerhin etwas“, sagt Maier, „Aber es ist alles ziemlich unbefriedigend.“
Ein Video zum Thema finden Sie unter
●» www.schwaebische.de/lehrermangel-friedensschule