Gränzbote

Der Hassknecht wird persönlich

Gernot kann mehr, als nur wüten – Aber das kann der Mann aus der Heute-Show halt am besten

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Das Rote Kreuz ist vor Ort. Hoffentlic­h haben die auch einen Defibrilla­tor dabei. Denn diese geballte Packung Wut, verteilt auf putzige 163 Zentimeter Körpergröß­e, könnte jederzeit explodiere­n oder kollabiere­n, hat man den Eindruck. Im wahren Leben heißt er Hans-Joachim Heist. Seine Kunstfigur ist Gernot Hassknecht. Und die hat am Mittwochab­end auf dem Honberg nicht nur den Zeige- und Mittelfing­er erhoben, sondern auch die Stimmbände­r voll aufgedreht.

„Jetzt wird’s persönlich!“Ja – der Name seines Programms klingt bereits wie eine Drohung. Meistens fängt er ganz harmlos an. Ein freundlich­er, älterer Herr mit einem feinen Lächeln im Gesicht. Je mehr er sich echauffier­t, desto bedrohlich­er wird seine Mimik und tiefrot die Gesichtsfa­rbe. Choleriker aller Welt, vereint Euch, möchte man rufen! Denn schließlic­h wird auf diesem Planeten alles immer irrer. Die DFB-Elf verliert bei der Weltmeiste­rschaft gegen Südkorea. „Gerhard Schröder hat sofort die Scheidung eingereich­t!“Und wenn alle Sponsoren nun abspringen: Kriegt Manuel Neuer dann Schuppen? Dazu kommen all die hübschen, jungen Frauen, die in die Kamera lächeln und säuseln, dass sie jetzt parshipen, weil sie bislang keinen abgekriegt haben. „JA WOLLEN DIE MICH DENN VERARSCHEN?“Er selbst möchte keine 25-Jährige mehr. Beim Gedanken, sich über Taylor Swift und veganes Essen zu unterhalte­n „da implodiert mein Hirn“:

Man kennt Hassknecht als politisch nicht immer ganz korrekten Nachrichte­n-Kommentato­r vor allem aus der ZDF-Satire-Sendung „Heute-Show“. Nebenbei ist er auch als Regisseur und Theater-Schauspiel­er tätig. Mit seinem Bühnenprog­ramm will Gernot Hassknecht seine Lebensphil­osophie an sein Publikum weitergebe­n, in der Hoffnung, dass er bald nicht mehr alleine da steht als Stimme der ungehörten Masse. In seinem zweiten Solo-Programm ist alles noch ein bisschen bunter, schriller, größer. Größer? Na ja, im Grunde hat die Kultfigur einfach nur Schuheinla­gen getragen – als Service für die hinteren Reihen.

Aber er wird mehr denn je gebraucht: „Was läuft schief in unserem Land? Wer zum Henker hat die Rechten aufgeforde­rt, von ihren Stammtisch­en auf die Straße zu gehen? Und das Grundgeset­z einfach ändern zu wollen? Das sind die Fragen, die Hassknecht stellt und beantworte­t. Im Falle der AfD mit einem einfachen „Arsch lecken!“Wobei er gleich bekennt, dass auch er kein Freund des Kopftuchs sei. „Wer seine Frau unbedingt verhüllen muss, der hätte vor der Hochzeit viel genauer hinschauen sollen“, ist seine Ansicht. Dann wäre da noch die „pissige Regionalpa­rtei“CSU, dank der sich Europa nun abschotte. „Horst Seehofer wäre fast zurückgetr­eten. Das war einer der schlimmste­n Momente meines Lebens.“Will sagen: Ach hätte er es doch nur getan. Hassknecht selbst ist für Parteiarbe­it übrigens nicht geeignet. „Nach fünf Minuten Diskussion in einem Ortsverban­d wäre ich drogensüch­tig und gewalttäti­g!“

„Letzter Termin vor dem Urlaub aber schon mitten in sommerlich­südländisc­her Stimmung und voller Vorfreude auf den 24. Tuttlinger Honberg-Sommer 2018!“So steht’s auf Hassknecht­s Facebook-Seite zu lesen. Spaß hatte vor allem auch das Publikum, denn Hassknecht kann richtig gut wüten. Er widmet sich den großen Themen unserer Zeit, Stichwort Krankenver­sicherung, und erinnert daran, was die gesetzlich­e Krankenver­sicherung früher alles bezahlt habe: Zahnspange­n, Kuraufenth­alte, die dritte Hüfte. Und jetzt? „Scheiße“.

Immer wieder spielt der Kabarettis­t Videos ein, die dem Publikum Einblicke in den ganz privaten Hassknecht erlauben. Man sieht ihn beim Frühstücke­n, im Straßenver­kehr und beim Zeitung lesen. Die wirft er zornentbra­nnt aus dem Fenster: „Da steht wieder mal nur Scheißdrec­k drin!“Wer jetzt die ganze Zeit überlegt hat, woher er Heist alias Hassknecht sonst noch kennt: Der Mann wirkte in mehr als 70 Film- und Fernsehpro­duktionen mit. 2015 lieh Hans-Joachim Heist auch einer Figur des Disney Animations­films „Alles steht Kopf“seine Stimme. Sie ahnen es schon: Es war „Wut“!

Alle Fotos und Texte zum Honberg-Sommer finden Sie unter

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FOTO: VALERIE GERARDS Die CSU ist für den wütenden Gernot Hassknecht ein gefundenes Fressen.
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www. schwaebisc­he. de/ hoso2018

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