Skandal um verunreinigte Blutdrucksenker
Valsartan im Fokus der Gesundheitsexperten
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BERLIN (dpa) - Vor gut drei Wochen wurde bekannt, dass viele Bluthochdruckmittel, die auf dem Wirkstoff Valsartan basieren, mit einem potenziell krebserregenden Stoff verunreinigt sind. Doch darüber hinaus sind viele Fragen offen: Weder die deutschen Landesbehörden noch die Hersteller haben bislang Daten zur Dosis des Stoffes N-Nitrosodimethylamin (NDMA) veröffentlicht, der offenbar in den Produkten mehrerer Hersteller enthalten war. Nach ersten Stichproben-Analysen des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker sind die Verunreinigungen nicht zu vernachlässigen: In einzelnen Tabletten fanden sich bis zu 22 Mikrogramm NDMA.
Zum Vergleich: Bei Lebensmitteln wurde die NDMA-Belastung in den letzten Jahrzehnten stark reduziert. Wie Mitarbeiter des Zentrallaboratoriums in der „Pharmazeutischen Zeitung“schreiben, enthalte geräucherter Schinken maximal 2,5 Mikrogramm NDMA pro Kilogramm, für Bier existiere ein Richtwert von 0,5 Mikrogramm pro Kilogramm.
Der Ausgangswirkstoff für die inzwischen vom Markt genommenen Arzneimittel kam vom chinesischen Produzenten Zhejiang Huahai Pharmaceutical. Telefonisch war die Firma nicht zu erreichen. Noch am Dienstag betonte sie, dass es sich bei den Verunreinigungen um eine „extrem geringe Menge“handele. Der Pharmazeut und Dopingexperte Fritz Sörgel widerspricht. „Im Gegenteil: Es ist überraschend, dass sie so hoch ist“, sagt er.
Offensichtlich habe sich der Hersteller nicht mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen die Verunreinigungen auf die Gesundheit von Patienten habe, da bereits geringste Mengen problematisch seien könnten. Es sei „erschreckend“, dass die Substanz in so hohen Konzentrationen in Heilmitteln enthalten ist, erklärt Sörgel. Experimente haben bislang gezeigt, dass NDMA bei vielen Tierarten krebserregend ist. Die internationale Agentur für Krebsforschung der WHO und die EU stufen den Stoff beim Menschen als wahrscheinlich krebserregend ein.
Nicht ohne Rücksprache absetzen
Auch wenn noch offen ist, welches Risiko die dauerhafte Einnahme verunreinigter Präparate mit sich bringt, besteht nach Einschätzung zumindest kein akutes Gesundheitsrisiko, erklärt der Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Auf EUEbene analysieren und bewerten Arzneimittelexperten die Tragweite der Verunreinigung. Patienten, die valsartanhaltige Arzneimittel einnehmen, sollten sich laut BfArM mit ihrem Arzt oder Apotheker in Verbindung setzen. Wichtig sei, das Arzneimittel nicht ohne Rücksprache abzusetzen, da dies ungleich riskanter wäre. Da zahlreiche ValsartanPräparate ohne Verunreinigung auf dem Markt sind, wie auch andere Blutdrucksenker, werden Patienten derzeit auf diese Mittel umgestellt.
Valsartan ist ein häufig verschriebenes Arzneimittel: Wie ähnliche Substanzen weitet es die Blutgefäße und senkt so den Blutdruck, es wird auch bei Patienten mit Herzschwäche oder nach einem Herzinfarkt eingesetzt. Nach einer Schätzung der Bundesregierung könnten im vergangenen Jahr rund 900 000 Patienten das verunreinigte Mittel eingenommen haben. Am Donnerstag rief der deutsche Pharmahersteller Hormosan seinen Blutdrucksenker Irbesartan vorsichtshalber teilweise aus den Apotheken zurück, da er nicht ausschließen könne, dass einzelnen Chargen produktionsbedingt mit NDMA verunreinigt seien.