Wo Radeln reinstes Labsal ist
Die Tobelbachrunde im Herzen des Westallgäus erquickt alle Sinne
M● it einer Radtour durch das Westallgäu startet heute unsere Serie Sommerzeit, die Sie nun wieder fünf Wochen lang mit anregenden Reportagen aus der Region und vielen nützlichen Tipps durch die Ferienzeit begleiten wird. Die Tobelbachrunde ist die erste von sechs Fahrradtouren, die wir aus dem Bikeline-Radtourenbuch „Bodensee-Allgäu – die schönsten Radtouren zwischen Konstanz und Kempten“ausgewählt haben und im Rahmen der Serie jeweils samstags auf dieser Seite vorstellen werden.
Natürlich ist es bequem, wenn so eine Radtour wie in diesem Fall gleich vor der eigenen Haustür beginnt. Dabei haben wir die Tobelbachrunde im Herzen des Westallgäus mit Start und Ziel in Ellhofen nicht aus Bequemlichkeit ausgewählt, sondern und aus echter Begeisterung. Auch wenn ortsunkundige Radler auf der 33 Kilometer langen Strecke vielleicht ein wenig Geduld brauchen. Denn den Tobelbach bekommt man auf der Tobelbachrunde lange gar nicht zu Gesicht. Die etwas unglückliche Bezeichnung auf den Wegweisern ist aber wirklich das Einzige, was es hier eventuell zu bemängeln gäbe. Obwohl das Bächlein nicht ständig nebenher plätschert, ist diese Radeltour ein Labsal für Körper, Geist und Seele.
Pause im Biergarten
Stressig ist mitunter die Anfahrt vom Bahnhof Röthenbach. Gut zwei Kilometer führt die gut ausgebaute Straße durch den Wald, mit Leitplanke und ohne Radweg. Die langgezogene Rechtskurve am Kieswerk gilt es zügig hinter sich zu bringen. Um dann aber umso entspannter in Ellhofen anzukommen, das wir an dieser Stelle auch nicht treffender beschreiben können, als schon vor einem halben Jahrhundert der Ortschronist Anton Maier: „Malerisch ruht es da, eingebettet in grüne Matten, am Fuße zweier kleiner Höhen. Sein ernster, massiger Kirchturm mit den grünen Dachreiterlein lugt ziemlich sorglos und heiter in die österreichischen und schweizerischen Berge hinein, die als alte Nachbarn, stamm- und sprachverwandte Bekannte herübergrüßen.“Entsprechend heiter gestimmt geht die Fahrt weiter Richtung Simmerberg, bald im Schatten der stattlichen Ahornallee – einfach zum Genießen. Schon kommt linkerhand am Ortseingang von Simmerberg der hoch aufragende Ziegelbau der Bräustatt samt Biergarten in den Blick. Hier zur Stärkung eine Rast einzulegen, bevor die Route bergan ein Stück der Alten Salzstraße folgt, ist möglich, aber nicht zwingend.
Blühende Bauerngärten
In unserem Radtourenbuch, das jede Kurve akribisch beschreibt und jeden Ort in einem Höhenprofil säuberlich markiert, rangiert die Steigung unter „nennenswert stark“. Trotzdem bleibt das gute Gefühl, dass die insgesamt 526 Höhenmeter eigens für uns in bekömmliche Häppchen portioniert wurden. Auch die vielen einladenden Gasthäuser entlang der Route passen dazu. Und natürlich die schmucken Kirchen und Kapellen, die diese Landschaft mitprägen, für Besucher stets geöffnet, zwecks besinnlicher Einkehr. Und zur Beruhigung für Radler, denen in diesen Wochen nicht selten ein Gewitter im Nacken sitzt.
Der erste Anstieg wird mit dem Blick auf die Nagelfluhkette belohnt, die hinter sanften grünen Hügeln in der Sonne glänzt. Bis zum nächsten erhabenen Aussichtspunkt vor der Abfahrt nach Stiefenhofen, kann es noch eine Weile dauern, je nachdem, wie viel Zeit man auf dem Schlenker von Simmerberg über Oberreute vertrödelt, in kleinen Weilern, die Beule, Hopfen oder Isenbretshofen heißen. Ewig schade wäre es, dort nicht abzusteigen, um die blühenden Bauerngärten gebührend zu bewundern und ein bestimmt glückliches Huhn inmitten seiner Kükenschar.
Der Allgäuer Kräutergarten Artemisia liegt eigentlich etwas abseits der Route, aber ein kleiner Abstecher lohnt hier allemal, und sei es nur für ein Stück Käsekuchen in der Teestube. Die Hopfener Sennerei ist nach über 100 Jahren wirklich kein Geheimtipp mehr. Eher schon nebenan die liebevoll restaurierte Pestkapelle von 1650. Natürlich ist sie geöffnet, für alle Fälle steht auf dem Schild an der Tür, dass man in Haus Nr. 6 oder 7 einen Schlüssel bekommt.
So zufrieden, gestärkt, entspannt, fast selig beschwingt kann es weitergehen. In Stiefenhofen wird man an diesem frühen Sonntagnachmittag sogar mit Blasmusik begrüßt. Dann aber zwischen „Rössle“und Kirche scharf links abbiegen und bequem dem Radweg Richtung Rutzhofen folgen, wo rechts schon wieder eine Abfahrt wartet, diesmal mit Ausblick weit hinein nach Oberschwaben. An solch einem Tag könnte man sich schon mal fragen, womit hat man das verdient. Denn so einen richtig schweißtreibenden Anstieg gab es noch nicht.
Der kommt dann doch noch, aber erst hinter Grünenbach und der Eistobelbrücke, wo links vor der Bushaltestelle die kleine Straße nach Gestratz abzweigt, und zwar über Untersteig und Obersteig. Nach dem knackigen Anstieg durch den Wald fühlt man sich in dieser stillen, freundlichen Landschaft einmal mehr aller Sorgen enthoben. Fast unwirklich schön liegt Gestratz eingebettet
zwischen den grünen Hügeln. Die Kirche St. Gallus mit den mittelalterlichen Fresken ist ein Kleinod und des Anschauens wert. Aber hier erwartet den Radler auch endlich der Tobelbach, der ihn nun ein Stück des Wegs über Oberschmitten nach Röthenbach begleitet. Am Friedhof entlang der steile Anstieg durchs Osterholz nach Ellhofen erfordert zum Schluss nochmal alle Kräfte. Unsere Empfehlung: Das Fahrrad abstellen und zum Ausklang ein Stündchen im Ellhofer Tobel verweilen und die Füße kühlen.
Eine genaue Beschreibung dieser Tour mit detaillierter Karte und GPS-Daten gibt es in dem BikelineRadtourenbuch „Bodensee-Allgäu – Die schönsten Radtouren zwischen Konstanz und Kempten“, das im Verlag Esterbauer erschienen ist und 12,90 Euro kostet.