Dunkle Wolken über Aesculap?
Mutterkonzern B. Braun plant neue Struktur für den Bereich „Marketing und Vertrieb“
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TUTTLINGEN - Das Tuttlinger Medizintechnik-Unternehmen Aesculap und sein Mutterkonzern, die B. Braun Melsungen AG, planen die gemeinsame Auslagerung des Bereichs „Marketing und Vertrieb“. Dem Vernehmen nach betrifft diese Veränderung rund 300 Mitarbeiter von Aesculap. Diese Zahl will das Unternehmen aber nicht bestätigen.
Aesculap selbst hält sich derzeit bedeckt. Auf Nachfrage unserer Zeitung gibt es von Felicitas Janßen, Vize-Präsidentin für Globales Marketing und Vertriebsservice bei Aesculap, am Freitag folgendes Statement: „Bei B. Braun gibt es Überlegungen, die Marketing- und Vertriebsaktivitäten in Deutschland in einer Gesellschaft zu bündeln. Selbstverständlich sind die Betriebsräte der betroffenen Standorte Melsungen, Tuttlingen, Berlin und Glandorf sowie die Tarifpartner in diese Überlegungen involviert. Alle Mitarbeiter würden mit ihren Vereinbarungen in ihren bisherigen Tarifbereichen bleiben. Tarifliche Themen wären davon also nicht betroffen. Standortverlagerungen sind nicht vorgesehen.“Als Ziel der Umsetzung nennt Felicitas Janßen das vierte Quartal dieses Jahres.
Bei der IG Metall in Albstadt, die auch für den Kreis Tuttlingen zuständig ist, ist das Thema bereits aufgeschlagen. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aber schwierig, darüber etwas zu sagen. Dazu müssen wir erst Gespräche mit dem Vorstand führen“, sagt Gewerkschaftssekretär Georg Faigle, der nach der Pensionierung des bisherigen Ersten Bevollmächtigten, Walter Wadehn, nun bei der IG Metall das Tuttlinger Medizintechnik-Unternehmen betreut. Diese stünden für die kommende Woche an. Faigle betonte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Gewerkschaft viele Fragen habe, über die Klarheit geschaffen werden müsste.
Unterschiedliche Wochenarbeitszeiten
Eines davon dürfte für die Gewerkschaft von zentraler Bedeutung sein. Während die B. Braun Melsungen AG mit der IG Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) über den Tarifvertrag für die Mitarbeiter verhandelt, ist es bei Aesculap die IG Metall. Das ist ein feiner aber doch zentraler Unterschied: Bei der IG BCE gilt seit mehr als 15 Jahren eine betrieblich vereinbarte Arbeitszeit von 37,5 Stunden, bei der IG Metall sind es hingegen 35 Stunden. Mit dem Zukunftssicherungsvertrag verpflichten sich die Aesculap-Mitarbeiter 120 Stunden pro Jahr an Mehrarbeit zu leisten. Dafür gibt es als Kompensation eine Gewinnbeteiligung. Das ist bei den rund hundert Stunden, die die B. Braun-Mitarbeiter im Vergleich der beiden Tarifverträge mehr arbeiten müssen, nicht der Fall.
Im Gegenzug verpflichtete sich Aesculap bei der Unterzeichnung des Zukunftssicherungsvertrags Ende November 2015 für die fünfjährige Vertragslaufzeit auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Zudem will Aesculap von 2016 bis 2021 insgesamt 120 Millionen Euro in den Standort Tuttlingen investieren. Auch mit Blick auf die tariflich vereinbarten Entgelte mitsamt Urlaubsund Weihnachtsgeld in den beiden unterschiedlichen Tarifverträgen dürfte es interessant werden.
Gespräche stehen am kommenden Dienstag an
Der Betriebsratsvorsitzende von Aesculap, Ekkehard Rist, bestätigt, dass für den kommenden Dienstag ein gemeinsames Gespräch von Vorstand, Betriebsrat und IG Metall anberaumt ist: „Das Unternehmen hat bereits klare Signale gegeben, in welche Richtung es gehen wird“, sagt er auf Nachfrage unserer Zeitung. Dabei sei betont worden, dass es keine Auslagerung von Arbeitsplätzen geben und die Tarifbindung bestehen bleiben soll. Er geht davon aus, dass sich am Standort in Tuttlingen nicht viel ändern wird.
Die angedachte Auslagerung war schon einmal angedeutet worden, dass es nun aber so konkret wird, habe der Betriebsratsvorsitzende so nicht erwartet. „Entscheidend ist, wie die Fakten hinterher aussehen“, sagt Rist. Alles andere sei zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation.