Er kann nicht allen helfen, will es aber ...
Nach einem Benefizlauf in Tansania will sich Thorsten Pauli weiter für Arme einsetzen
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TUTTLINGEN - Den Halbmarathon in Tansania hat Thorsten Pauli gewonnen. Trotz seines Sieges beim Muskathlon konnte sich der 41-Jährige aber nicht wie ein Gewinner fühlen. „Das Drumherum war zu eindrücklich“, erklärt der Tuttlinger, der für seine Teilnahme an dem Benefizlauf der Organisation Compassion im Vorfeld mehr als 10000 Euro an Spenden gesammelt hatte.
Sechs Tage ist der dreifache Familienvater in Afrika und erlebt hautnah, wie gravierend anders das Leben in Tansania und Deutschland ist. „Ich war froh, wieder zu Hause zu sein. Ich musste das Erlebte erst einmal verarbeiten“, sagt Pauli rückblickend. Er wird überall freundlich empfangen, die Lebensumstände der Menschen in Tansania belasten Pauli aber schon. „Die Menschen sind auf eine andere Art glücklich. Wahrscheinlich glücklicher als wir“, meint der Berufsschullehrer, der über Compassion drei Kinder in Ecuador, El Salvador und eben Tansania als Pate unterstützt.
„Ob ich das meinen Kindern zumuten würde?“
Bereits am ersten Tag taucht er in das Leben der Tansanier ein. Er begleitet das Patenkind eines anderen Teilnehmers auf dem Schulweg. Eineinhalb Kilometer führen sie auf einer vielbefahrenen Straße durch einen Slum, ein Fluss muss wegen einer zerstörten Brücke durchschritten werden. „Als Familienvater habe ich selbst gedacht, ob ich meinen Kindern das zumuten würde“, sagt Pauli, der anschließend sogar zu dem Kind nach Hause eingeladen wird.
„Das war beklemmend“, erzählt er. In eineinhalb Zimmern leben auf wenigen Quadratmetern sechs Menschen. Im Wohnzimmer, das direkt durch die Eingangstür betreten wird, steht ein Schrank, ein schmales Sofabett – in dem vier Kinder schlafen – und ein niedriger Sessel. Nebenan steht bei der Kochstelle ein Bett für die Mutter, die ihre Habseligkeiten in zwei, drei alten Koffern verstaut hat. Viel ist es offensichtlich nicht und selbst für die stromlose Behausung muss die Mutter Miete bezahlen, erfährt Pauli. Wasser gibt es ebenfalls nur gegen Geld. Es sei denn, die Familie holt es sich in einer weiter entfernten freien Wasserstelle.
Einen Tag später besucht Pauli den vierjährigen Paulo – Patenkind von ihm und seiner Frau Christine. „Es war schon ein Höhepunkt, ihn zu treffen“, sagt der Tuttlinger, den die Lebensumstände des Kindes wieder berühren. „Soviel Lebensfreude hatte ich nicht erwartet“, sagt er, nachdem er die Lehmhütte gesehen hat, in der Paulo, seine Eltern und zwei weitere Kinder leben. „Das ist eigentlich nicht genug, dass es zum Leben reicht“, meint Pauli, der sehr gastfreundlich empfangen wird, über die Lebensumstände. „Sie haben das Wenige, was sie haben, noch geteilt“, erklärt er. Immerhin würde die Familie noch etwas Land und eine Kuh besitzen. „Die Milch können sie dann noch verkaufen“, sagt der Lehrer.
Ein Fußball in Tansania – Ein Knäuel aus alten Müllsäcken
Besonders emotional ist der KidsFun-Day, der einen Tag vor dem Wettkampf stattfindet. Bei diesem Projekt wurden mehrere Stationen aufgebaut, an denen die Kinder spielen können. Thorsten Pauli hilft bei einem Fußballparcours mit. Die Heranwachsenden bekommen Bälle geschenkt. „Das war das Größte für sie. Die Kinder dort kennen keine echten Fußbälle“, erzählt der Tuttlinger. Das alte Spielgerät – ein Knäuel aus alten Müllsäcken – hätten die Kinder sofort weggeschmissen. „Das war toll – herzzerreißend“, berichtet Pauli, der sich aber selbst bremsen muss. Von einem Kind wird er nach nur einer Erdnuss gefragt, zudem habe er noch Seifenblasen und Luftballons dabei gehabt. „Man muss schon aufpassen, was man gibt. Es kann passieren, dass es zu einem Aufruhr kommt.“
Beim Lauf hilft bergauf ein Marathonstarter
Am nächsten Tag kann er die Gedanken zunächst einmal beiseite schieben. Der Wettkampf steht an. Bereits morgens früh starten die Sportler. Die Temperatur bleibt an diesem Tag zwar unter 30 Grad. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit, sagt Pauli, sei man aber froh, wenn man früh mit dem Wettkampf fertig geworden sei. Lange Zeit läuft es für den Tuttlinger auf teilweise matschigem Boden gut. Erst bei einem Anstieg zum Ziel geht ihm etwas die Puste aus. „Ich bin froh, überhaupt oben angekommen zu sein“, bilanziert er später. Zum Glück ist er zeitgleich mit dem Marathonstarter Erik Sütterlin aus Lörrach am Anstieg. „Er hat mich den Berg hochgezogen.“Nach zwei Stunden, zehn Minuten und 15 Sekunden ist Pauli im Ziel. Als Erster von 20 Teilnehmern im Halbmarathon. „Das hat mich auch überrascht. Aber viele, die über meine Distanz gestartet sind, sind vorher nicht so viel gelaufen“, erklärt der Muskathlon-Gewinner, für den sich das Training fünfmal die Woche vorher ausgezahlt hat. „Ich war gut vorbereitet.“
Nach dem Besuch eines Kaffeeproduzenten geht es wieder zurück nach Deutschland. Pauli erfährt, dass für die kleinen Produzenten das FairTrade-Label eher ein Problem ist. „Das kann sich ein einzelner Kaffeeproduzent nicht leisten. Der Prozess der Genehmigung ist sehr teuer“, sagt er. Weil Europa aber auf dieser Auszeichnung bestehen würde, schlössen sich mehrere Kaffeebauern zusammen. Die Leidenschaft der Produzenten für ihren Kaffee trotz der Schwierigkeiten hat Pauli begeistert.
Pauli will über Tansania berichten und Mitstreiter gewinnen
Gleiches gilt auch für ihn. Auch wenn er durch seine Teilnahme an dem Benefizlauf Menschen bereits geholfen hat, ist sein Wunsch nicht abgekühlt wie das sprichwörtliche Getränk. „Ich kann nicht jedem helfen. Das ist gar nicht so einfach zu akzeptieren. Deshalb will ich weitermachen“, sagt Pauli, der hofft, in Vorträgen Mitstreiter gewinnen zu können. Mit dem Laufen hat er schon weitergemacht. „Ich wollte den Halbmarathon gerne unter zwei Stunden laufen. Das hat bei Run&Fun geklappt“, erklärt er. Nach einer Stunde und 57 Minuten war er im Ziel. Bei seinem Hilfsprojekt steht er noch am Anfang.