„Doch nicht nur eine alte Hütte“
Geschichtskenner Karl-Martin Ruff taucht in die Historie des Alten Rat- und Schulhauses ein
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TROSSINGEN - Nicht erst einmal stand das Alte Rat- und Schulhaus bereits vor dem Aus. Um das Haus davor zu bewahren, in Vergessenheit zu geraten, gründete 2017 eine Handvoll Trossinger die Altes Rat- und Schulhaus (IGaRuS). Doch schon viel früher stand dem Gebäude ein Abriss bevor. Karl-Martin Ruff hat die Geschichte des Hauses nun für den Ortsseniorenrat beleuchtet.
Karl-Martin Ruff kennt sich aus in der Trossinger Geschichte, wie das nur wenige tun. Bei den Heimatschützern, die es inzwischen nicht mehr gibt und die sich vor IGaRuS um das Alte Rat- und Schulhaus gekümmert haben, hatte Ruff den Schriftführerposten inne. Bestens geeignet also, um die 500 Jahre alte Geschichte des Gebäudes zu erläutern.
Abbruchreif und kurz davor, platt gemacht zu werden war das Alte Ratund Schulhaus, als die Häuser „Auf dem Schulberg“gebaut werden sollten. „Damals stand noch das Lebenshaus und dieses Haus und dann war nichts mehr“, sagte Karl-Martin Ruff. Kurz vor dem Abbruch wurde eine Bestandaufnahme gemacht. „Dabei stellte sich heraus, dass das doch nicht nur eine alte Hütte ist, sondern ein Gebäude von hoher Bedeutung.“
Aus alten Dokumenten ging hervor, dass dieses abbruchreife Haus einmal das Rathaus gewesen sein musste. Ruff erzählte, dass sich im Stadtarchiv ein Dokumentenband fand, der von der Entstehung des historischen Hauses im Jahr 1579 zeugte. Die Existenz dieses Dokumentenbandes sei bemerkenswert, weil während des 30jährigen Krieges viele Dokumente verloren gingen.
Lebendig, interessant und anschaulich berichtete Ruff von vielen Begebenheiten und Entwicklungen aus jener Zeit, nicht nur rund um das Alte Rat- und Schulhaus. So ließ er zum Beispiel einfließen, dass im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen des 30jährigen Krieges viele Häuser in Trossingen niedergebrannt wurde. „Nur die Gebäude im Kapf wurden verschont, die waren so ärmlich, dass sich das Anbrennen nicht lohnte“, berichtete Ruff.
Exkurs in städtischer Geschichte
Auch der Allmend-Streit war Thema, der die Trossinger lange Zeit beschäftigte. Demnach bildete die Butschstrasse früher einmal den Ortsrand. Auf die angrenzenden Wiesen trieben die Bauern ihr Vieh. Die ärmeren Leute wollten dort jedoch auch Gemüse anbauen. Der Streit wurde schließlich dem Schultheiß vorgetragen und im Ratssaal verhandelt. Von Karl-Martin Ruff war auch zu erfahren, dass der Unterricht der damaligen Zeit vom Provisor, vom Unterlehrer und vom Schulmeister gegeben wurden. Der Provisor war eine schlecht bezahlte Lehrkraft, dem Unterlehrer ging es schon besser und erst der Schulmeister konnte sich einen gewissen Wohlstand leisten. Er erklärte seinen Zuhörern auch, wie das historische Gebäude ursprünglich gebaut war und welcher Teil in früheren Jahren angebaut wurde.
Mit einem Zeitsprung gelangte er in die 1990er-Jahre, als das Haus von den Heimatschützern erstmals saniert wurde. Ruff erinnerte speziell an den glücklichen Zufall, dem es zu verdanken war, dass das Dach in seiner ursprünglichen Form wieder gedeckt werden konnte: Die Alpirsbacher Doppelfalzziegel fanden sich nämlich in der Garage eines Nachbarn, der sie nicht mehr benötigte.
In der Gegenwart angekommen, begrüßte Karl-Martin Ruff das Engagement der Interessengemeinschaft Altes Rat- und Schulhaus, die sich jetzt um den Erhalt des Gebäudes verdient macht. Er erläuterte den Gästen die Möglichkeit, das Gebäude zu mieten und nannte Heidrun Woerner als Ansprechperson.
Zuletzt trug Ruff einen Liedtext über das Alte Rat- und Schulhaus vor, den er zur Melodie von „Das alte Haus von Rocky Docky“verfasst hat. Darin heißt es: „Dieses Haus wolln wir erhalten, dieses Haus ist es uns wert, Dieses Haus ist voll Geschichte, die seit alten Zeiten währt. Dieses Haus ist voller Leben, voll Musik, und wer einmal hier zu Gast war, der kehrt wieder gern zurück.“