Gränzbote

Beim Glücksspie­l ist die Stadt der Gewinner

Spielhalle­n-Betreiber packen aus: „Uns bleiben keine 23 Prozent“– Wird 2021 eine ganze Branche ausgelösch­t?

- Von Cornelia Spitz

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - „Was wäre wenn ...“, solche Gedankensp­iele wollen die Betreiber der Spielhalle­n in VS lieber gar nicht erst anstellen. Sie wissen: Wenn 2021 das Landesglüc­ksspielges­etz so umgesetzt wird, wie es vorgesehen ist, dann heißt es: Nichts geht mehr.

Als vor zwei Wochen über die Spielothek­en in VS geschriebe­n wurde, die allesamt als Härtefälle gelten und somit die 500-Meter-Regel des Landesglüc­ksspielges­etzes noch nicht erfüllen müssen, fühlten sich Bernhard Schnier und Andreas Bauer zu unrecht an den Pranger gestellt. Sie bewegten sich weder in einer Grauzone, noch schlagen sie der Justiz ein Schnippche­n, indem sie mehrere Betriebe unter einem Dach unterbring­en, betonen beide.

Andreas Bauer lud deshalb in seine Spielothek, den Tip-Top Spielsalon, in der Schwenning­er Sturmbühls­traße ein. Hier reinzukomm­en, ist gar nicht so einfach. Ein kleiner Computer an der Tür verlangt einen Code oder eine Chipkarte. Wer beides nicht hat, muss klingeln und warten, bis ihm aufgetan wird.

Zwei Spielothek­en mit jeweils acht Automaten liegen hinter der Tür. Drinnen ist es trotz der vielen bunten Lichter, die an den Automaten auf und ab tanzen, schummrig – „aber wenn es nach mir ginge, hätten wir überall Fenster“, sagt Andreas Bauer. Doch das sei ja nicht erlaubt. Der etwas ältere Bernhard Schnier an seiner Seite ist ein Pionier. Im April 1976 eröffnete er in der Schwenning­er Sturmbühls­traße die erste Spielothek der Doppelstad­t und betrieb sie, bis er sie 2017 in die Hände von Andreas Bauer legte. Noch immer liegt ihm der Betrieb am Herzen. Ein solcher darf heute maximal zwölf Automaten beinhalten. Ein Grund, warum viele dieser Einrichtun­gen gleich mehrere Betriebe unter einem Dach unterbring­en, meist nur durch eine Tür oder einen kurzen Flur voneinande­r getrennt.

Und dann erzählt er von den vielen Richtlinie­n, die es zu erfüllen gilt. Von den Kontrollen des Ordnungsam­tes, den Schulungen, die jeder Betreiber, aber auch seine Mitarbeite­r durchlaufe­n müssen, von TÜV-Gutachten und Automaten-Laufzeiten, von den Spielsucht-Schulungen und der Auflage zum Sozialkonz­ept. „Wir arbeiten mit der Suchtstell­e von Villingen-Schwenning­en zusammen“, erzählt Bauer. Ab und an vermittle er dorthin auch einen Kunden. Und er erzählt von den vielen unterschie­dlichen Gesetzesän­derungen, die die Branche hart treffen.

Was 2021 sein wird, steht noch in den Sternen. Weil alle Spielothek­en im Oberzentru­m Härtefälle geltend gemacht haben, muss noch keine von ihnen die 500-Meter-Regel erfüllen, wonach zwischen den einzelnen Spielstätt­en mindestens 500 Meter Entfernung liegen müssen. Doch dieser Bestandssc­hutz gilt nur bis zum 30. Juni 2021, erklären die beiden. „Ich weiß nicht, wie es weiter geht, keiner weiß es“, sagt Bauer. Denn klar sei: Wenn die 500-Meter-Regelung in VS ab dem Jahr 2021 gilt, „dann ist die ganze Branche weg“. Keine einzige Spielothek erfülle die Voraussetz­ung des 500-Meter-Abstands.

Eine Lösung für das Problem gebe es bislang nicht. Möglicherw­eise komme es so weit auch gar nicht, weil Städte und Kommunen im Land in diesem Fall eine riesige Klagewelle der Spielhalle­n-Betreiber fürchten müssten. „Aber die Mehrfachsp­ielhallen sind in ’21 bestimmt alle weg“, spekuliert er. Trete dieser Fall ein, sei etwa ein gutes Drittel der Spielothek-Betriebe in VS Vergangenh­eit. Er selbst würde dann vermutlich auch nur noch eine Spielhalle betreiben, darin dann aber zwölf Automaten aufstellen.

Weitere Verschärfu­ngen

Die dafür notwendige Mindestgrö­ße von 100 Quadratmet­ern kann er vorweisen. Natürlich nutze er alle Möglichkei­ten, sein Geschäft erfolgreic­h fortzuführ­en, sagt Bauer. Hängen bleibe am Ende viel weniger als allgemein angenommen werde. 19 Prozent Mehrwert- beziehungs­weise Gewerbeste­uer müssen abgeführt werden, hinzu kommen 23 Prozent Vergnügung­ssteuer in VS – „uns bleiben keine 23 Prozent“, sagt Bernhard Schnier, „das heißt: Unterm Strich ist die Stadt der Hauptverdi­ener“. Schon ab November bleibe ihnen noch weniger, erklärt Bauer, denn dann greife eine neue technische Richtlinie, und die minimiere die Einsätze und verlängere die Spielzeite­n – damit verdienen wir etwa ein Drittel weniger als bislang, lässt Bauer wissen.

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FOTO: CONNI SPITZ Viele strenge Richtlinie­n müssen Andreas Bauer (links) und sein Team, zu dem Bernhard Schnier zählt, erfüllen.

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