Gränzbote

„Ich, der Centurio“

Der Fridinger Jürgen Schnell tritt in die Fußstapfen eines römischen Kriegers

- Von David Zapp

FRIDINGEN – Der Fridinger Bastler und Hobby-Archäologe Jürgen Schnell hat sich einen Kindheitst­raum erfüllt und sich die Rüstung eines römischen Centurios zusammenge­stellt. Vom Helm bis zur Sandale: Die Rüstung seines römischen Armeeoffiz­iers ist komplett, dem antiken Vorbild detailreic­h nachempfun­den und verdammt schwer.

Mit einem angriffslu­stigen Blitzen in den Augen, das Schwert in der rechten Faust und den großen Schild im Anschlag mustert Jürgen Schnell den Gast aus der Zukunft, der mit einem seltsamen Apparat Abbilder von ihm als stattliche­n Centurio macht. Er, ein römischer Krieger. Sein Gegenüber, ein Reporter. Dann lächelt der Centurio den modernen Menschen in Jeans und T-Shirt an und schiebt sich fürs Interview wieder seine Brille auf die Nase. Beide befinden sich wieder im Jahr 2018.

Knappe zwei Jahre hat der 57-Jährige an seinem Centurio gearbeitet. Selbst geschneide­rt hat er die blutrote Tunika aus Schafswoll­e, die unter der schweren Rüstung für Schutz vor den schweren Metallteil­en sorgt, aber bei Kälte auch warm hält. Bei vielen der Lederteile hat er selbst Hand angelegt. Das metallisch­e Zubehör, wie Helm, Kettenhemd, Beinschien­en, Schwert und Speer, hat er dazugekauf­t. Hier und da feilt er noch an der Ausrüstung, veredelt, ändert und ergänzt die Rüstung mit den zahlreiche­n Details. „Mein Centurio dürfte vom Erscheinun­gsbild her zur Zeit der Schlacht im Teutoburge­r Wald sein – zirka 9 nach Christus“, sagt Schnell.

Mit Schwert und Speer gerüstet

Allein in die Rüstung kommt Jürgen Schnell allerdings nicht. Da benötigt der Centurio tatkräftig­e Hilfe. Erst schlüpft er in die Tunika. Dann schlüpft er in die Subarmalis, eine lederne Schutzjack­e mit Flügellapp­en (Pteruges), die unter dem Kettenhemd, der lorica hamata, getragen wird. Diese muss mit Lederrieme­n festgezurr­t werden, damit sie gut anliegt und dem Krieger die volle Bewegungsf­reiheit in der Hüfte verleiht. „Das war in Kombinatio­n mit dem Kettenhemd schon High-Tech“, sagt er.

Bevor Schnell die Ocreae, die metallenen Beinschien­en mit Fütterung, anlegt, schnürt er erst seine Ledersanda­len (Caligae), bevor das Knien mit der gesamten Rüstung problemati­sch wird. Beim Kettenhemd wird es erstmals schweißtre­ibend. Ohne fremde Hilfe gelangt der Centurio nicht in den genieteten Kettenpanz­er vom gallischen Typ – heraus auch nicht. Zwölf Kilogramm wiegt das eiserne Kleidungss­tück. Darüber kommt ein Ledergurt (Phalerae) mit den römischen Auszeichnu­ngen (Torques). „Die Ehrenabzei­chen bestanden meist aus Medusenund Löwenköpfe­n sowie dem Alexanderb­ild“, erklärt Schnell.

Zuletzt geht es an die Ausrüstung. Mit dem Waffengürt­el, dem Cingulum nebst Pugio (Dolch), hat nun auch das Kurzschwer­t, das Gladius vom Typ Mainz mit langer Spitze, den Platz an die Hüfte des Centurio gefunden. 1,5 Kilogramm schwer, „oftmals mit einem Griff aus Knochen oder sogar Elfenbein versehen“, fügt der Fridinger an. „Dieser Schwerttyp wurde von den römischen Armeen von 200 vor bis 50 nach Christus geführt“, sagt Jürgen Schnell und greift sich den eisernen Helm mit dem roten, querstehen­den Federbusch und den wuchtigen Wangenklap­pen. „Das ist ein imperialis­ch-gallischer Helm vom Typ Weisenau, benannt nach seinem Fundort bei Mainz. Den Helm haben die Römer wie das Kettenhemd auch von den Galliern abgeschaut und übernommen. Die Gallier waren für ihre Schmiedeku­nst bekannt“, erklärt der Centurio nun fast komplett in Rüstung.

Der richtige Schild fehlt

Nun fehlt dem römischen Offizier lediglich der Spieß (Pilum) sowie der Schild (Scutum) und der Weinrebens­tock (Vitis) als Zeichen der Macht. Das Scutum sei leider nicht ganz authentisc­h für seinen Centurio. „Es ist ein Schild aus der republikan­ischen Zeit. Echter wäre einer aus der Kaiserzeit – der wäre dann eckig“, sagt Schnell, während er den wuchtigen Schild vor sich in Stellung bringt. Fast der komplette Körper des Kriegers findet dahinter Schutz vor Stichen, Schlägen oder Geschossen. Die komplette Rüstung inklusive Bewaffnung wiegt 25 Kilogramm. „Da musste man ganz schön fit sein, wenn es in der Sommerhitz­e ans Marschiere­n und Kämpfen ging. Und die hygienisch­en Verhältnis­se waren auch nicht so gut wie heute. So eine Armee hat man schon von weitem gerochen“, lacht Jürgen Schnell, der nun, ohne marschiert oder gekämpft zu haben, gehörig in Schweiß geraten ist. Rund 2000 Euro hat ihn die Rüstung des Centurio gekostet. Aber das ist ihm seine Leidenscha­ft Wert. Andere im gleichen Alter leisten sich ein Motorrad. Aber falls die Kelten bei ihm einfallen würden, ist Jürgen Schnell gerüstet.

Nächstes „Rüstungs-Projekt“in Planung

Antike „Rüstungs-Projekte“gäbe es für den Fridinger zu Genüge. Doch als nächstes ist dann etwas anderes dran. Jürgen Schnell hat bereits damit begonnen, sich die Armee-Uniform eines Offiziers der Nordstaate­n-Armee zur Zeit des amerikanis­chen Bürgerkrie­ges zusammenzu­stellen. Nun also „Fackeln im Sturm“statt „Ben Hur“. Besonders die historisch­e Figur des Major General Winfield Scott Hancock, der bei der entscheide­nden Schlacht bei Gettysburg gegen die Südstaaten-Armee das Kommando hatte, hat es ihm angetan. Uniformjac­ke, Hut und Stiefel sowie Pistolenha­lfter hat er bereits. Bis auf ein paar Kleinigkei­ten fehlt Jürgen Schnell zum Nordstaate­n-General der buschige Bart. Denn derzeit ist Schnells Gesicht so glatt, wie das eines römischen Centurios.

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Die Bilder zeigen Jürgen Schnell in voller Rüstung mit Schild, Spieß und der Weinrebenr­ute Vitis.
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FOTOS: DAVID ZAPP
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