„Ich, der Centurio“
Der Fridinger Jürgen Schnell tritt in die Fußstapfen eines römischen Kriegers
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FRIDINGEN – Der Fridinger Bastler und Hobby-Archäologe Jürgen Schnell hat sich einen Kindheitstraum erfüllt und sich die Rüstung eines römischen Centurios zusammengestellt. Vom Helm bis zur Sandale: Die Rüstung seines römischen Armeeoffiziers ist komplett, dem antiken Vorbild detailreich nachempfunden und verdammt schwer.
Mit einem angriffslustigen Blitzen in den Augen, das Schwert in der rechten Faust und den großen Schild im Anschlag mustert Jürgen Schnell den Gast aus der Zukunft, der mit einem seltsamen Apparat Abbilder von ihm als stattlichen Centurio macht. Er, ein römischer Krieger. Sein Gegenüber, ein Reporter. Dann lächelt der Centurio den modernen Menschen in Jeans und T-Shirt an und schiebt sich fürs Interview wieder seine Brille auf die Nase. Beide befinden sich wieder im Jahr 2018.
Knappe zwei Jahre hat der 57-Jährige an seinem Centurio gearbeitet. Selbst geschneidert hat er die blutrote Tunika aus Schafswolle, die unter der schweren Rüstung für Schutz vor den schweren Metallteilen sorgt, aber bei Kälte auch warm hält. Bei vielen der Lederteile hat er selbst Hand angelegt. Das metallische Zubehör, wie Helm, Kettenhemd, Beinschienen, Schwert und Speer, hat er dazugekauft. Hier und da feilt er noch an der Ausrüstung, veredelt, ändert und ergänzt die Rüstung mit den zahlreichen Details. „Mein Centurio dürfte vom Erscheinungsbild her zur Zeit der Schlacht im Teutoburger Wald sein – zirka 9 nach Christus“, sagt Schnell.
Mit Schwert und Speer gerüstet
Allein in die Rüstung kommt Jürgen Schnell allerdings nicht. Da benötigt der Centurio tatkräftige Hilfe. Erst schlüpft er in die Tunika. Dann schlüpft er in die Subarmalis, eine lederne Schutzjacke mit Flügellappen (Pteruges), die unter dem Kettenhemd, der lorica hamata, getragen wird. Diese muss mit Lederriemen festgezurrt werden, damit sie gut anliegt und dem Krieger die volle Bewegungsfreiheit in der Hüfte verleiht. „Das war in Kombination mit dem Kettenhemd schon High-Tech“, sagt er.
Bevor Schnell die Ocreae, die metallenen Beinschienen mit Fütterung, anlegt, schnürt er erst seine Ledersandalen (Caligae), bevor das Knien mit der gesamten Rüstung problematisch wird. Beim Kettenhemd wird es erstmals schweißtreibend. Ohne fremde Hilfe gelangt der Centurio nicht in den genieteten Kettenpanzer vom gallischen Typ – heraus auch nicht. Zwölf Kilogramm wiegt das eiserne Kleidungsstück. Darüber kommt ein Ledergurt (Phalerae) mit den römischen Auszeichnungen (Torques). „Die Ehrenabzeichen bestanden meist aus Medusenund Löwenköpfen sowie dem Alexanderbild“, erklärt Schnell.
Zuletzt geht es an die Ausrüstung. Mit dem Waffengürtel, dem Cingulum nebst Pugio (Dolch), hat nun auch das Kurzschwert, das Gladius vom Typ Mainz mit langer Spitze, den Platz an die Hüfte des Centurio gefunden. 1,5 Kilogramm schwer, „oftmals mit einem Griff aus Knochen oder sogar Elfenbein versehen“, fügt der Fridinger an. „Dieser Schwerttyp wurde von den römischen Armeen von 200 vor bis 50 nach Christus geführt“, sagt Jürgen Schnell und greift sich den eisernen Helm mit dem roten, querstehenden Federbusch und den wuchtigen Wangenklappen. „Das ist ein imperialisch-gallischer Helm vom Typ Weisenau, benannt nach seinem Fundort bei Mainz. Den Helm haben die Römer wie das Kettenhemd auch von den Galliern abgeschaut und übernommen. Die Gallier waren für ihre Schmiedekunst bekannt“, erklärt der Centurio nun fast komplett in Rüstung.
Der richtige Schild fehlt
Nun fehlt dem römischen Offizier lediglich der Spieß (Pilum) sowie der Schild (Scutum) und der Weinrebenstock (Vitis) als Zeichen der Macht. Das Scutum sei leider nicht ganz authentisch für seinen Centurio. „Es ist ein Schild aus der republikanischen Zeit. Echter wäre einer aus der Kaiserzeit – der wäre dann eckig“, sagt Schnell, während er den wuchtigen Schild vor sich in Stellung bringt. Fast der komplette Körper des Kriegers findet dahinter Schutz vor Stichen, Schlägen oder Geschossen. Die komplette Rüstung inklusive Bewaffnung wiegt 25 Kilogramm. „Da musste man ganz schön fit sein, wenn es in der Sommerhitze ans Marschieren und Kämpfen ging. Und die hygienischen Verhältnisse waren auch nicht so gut wie heute. So eine Armee hat man schon von weitem gerochen“, lacht Jürgen Schnell, der nun, ohne marschiert oder gekämpft zu haben, gehörig in Schweiß geraten ist. Rund 2000 Euro hat ihn die Rüstung des Centurio gekostet. Aber das ist ihm seine Leidenschaft Wert. Andere im gleichen Alter leisten sich ein Motorrad. Aber falls die Kelten bei ihm einfallen würden, ist Jürgen Schnell gerüstet.
Nächstes „Rüstungs-Projekt“in Planung
Antike „Rüstungs-Projekte“gäbe es für den Fridinger zu Genüge. Doch als nächstes ist dann etwas anderes dran. Jürgen Schnell hat bereits damit begonnen, sich die Armee-Uniform eines Offiziers der Nordstaaten-Armee zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges zusammenzustellen. Nun also „Fackeln im Sturm“statt „Ben Hur“. Besonders die historische Figur des Major General Winfield Scott Hancock, der bei der entscheidenden Schlacht bei Gettysburg gegen die Südstaaten-Armee das Kommando hatte, hat es ihm angetan. Uniformjacke, Hut und Stiefel sowie Pistolenhalfter hat er bereits. Bis auf ein paar Kleinigkeiten fehlt Jürgen Schnell zum Nordstaaten-General der buschige Bart. Denn derzeit ist Schnells Gesicht so glatt, wie das eines römischen Centurios.