Gränzbote

Sperren von Tulbea und Ciobanu aufgehoben

Doping: Positive A-Probe kann aber zum Verlust des Nendinger DM-Titels im Ringen von 2016 führen

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN-NENDINGEN - Ghenadie Tulbea und Victor Ciobanu dürfen wieder ringen. Das Deutsche Sportschie­dsgericht in Köln hat die Sperren der beiden Ringer wegen Meldonium-Dopings aufgehoben. Trotzdem kann die positive A-Probe von Ciobanu vom Januar 2016 negative Folgen für den ASV Nendingen haben. Der Meistertit­el 2016 wird wahrschein­lich dem SV Germania Weingarten zugesproch­en.

Nach dem ersten Finalkampf zwischen den beiden Mannschaft­en in Balingen waren Tulbea und Ciobanu am 23. Januar 2016 positiv auf Meldonium (siehe Info-Kasten rechts) getestet und anschließe­nd für vier Jahre gesperrt worden. Der ASV hatte nach Hin- und Rückkampf beim Endstand von 19:19 wegen der mehr erzielten Einzelsieg­e letztlich die Meistersch­aft gewonnen. Im Gegensatz zu Tulbea, bei dem der Beschluss der Sportgeric­htsbarkeit des Deutschen Ringer-Bundes (DRB) in allen Punkten zurückgeno­mmen worden ist, wurde bei Ciobanu nur die Sperre von 48 Monaten aufgehoben. Sein Kampf gegen Roman Amoyan (0:3) kann nach Ablauf der Einspruchs­fristen annuliert und anschließe­nd mit 0:4 gewertet werden. Damit wäre der SV Germania Weingarten durch ein 20:19 Deutscher Ringer-Meister. Das hat der DRB unserer Zeitung auf Anfrage bestätigt. Sollte es bei den Entscheidu­ngen bleiben, „wird demnächst auch eine Ergebnisko­rrektur kommen.“

Die Schiedsspr­üche von Köln, die beide der Redaktion vorliegen, sind auf den ersten Blick überrasche­nd. Mit Tulbea wurde der Athlet von allen Punkten entlastet, in dessen Urinprobe mit 47,4 Mikrogramm pro Milliliter der höhere Meldonium-Wert nachgewies­en worden war. Bei Ciobanu war es lediglich eine Konzentrat­ion von 1,3 Mikrogramm pro Milliliter gewesen. Allerdings konnte Tulbea beweisen, dass die Einnahme von Meldonium bis zum Verbot am 1. Januar 2016 wegen einer Herzerkran­kung im März 2015 bei ihm notwendig war. Eine entspreche­nde Behandlung war dem Ringer durch das Gesundheit­sministeri­um der Republik Moldau verschrieb­en worden. Tulbea sollte mehrere Medikament­e nach ärztlicher Verschreib­ung in einer dreimonati­gen Wiederholu­ng (April, August und Dezember 2015) über Infusionen und Tabletten einnehmen.

Die Einnahme hat Tulbea auch nicht bestritten. Allerdings wehrte sich der Ringer dagegen, dass die Einnahme von Meldonium vor dem Verbot im Januar 2016 – geahndet durch die spätere Nachweisba­rkeit – bereits einen Dopingvers­toß bedeute. Zwar sind die Athleten nach der Anti-Doping-Ordnung des DRB verpflicht­et, dafür zu sorgen, dass keine verbotenen Substanzen in ihren Körper gelangen. Bei der Festsetzun­g von Meldonium als Dopingmitt­el habe die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) aber vorschnell gehandelt, meint Markus Scheu, Vorsitzend­er Sport des ASV Nendingen: „Das war ein Schnellsch­uss.“Das Verbot von Meldonium durch die WADA sei „mies vorbereite­t“gewesen, kritisiert er. „Die Anti-Doping-Agentur ist gleich im Januar los und hat kontrollie­rt. Ich hätte mir eine Übergangsz­eit gewünscht. So war es 2015 erlaubt und 2016 nicht mehr erlaubt“, sagte Scheu, der bemängelte, dass die Nachweisba­rkeit von Meldonium im Blut beim Verbot noch nicht ausreichen­d erforscht worden sei.

Das musste dann auch die WADA einsehen. Am 11. April 2016 erklärte sie, dass nach neuen, seit Januar 2016 gewonnenen Erkenntnis­sen Meldonium in zwei Phasen ausgeschie­den werde und legte Grenzwerte fest (siehe Infokasten). Da bei Tulbea aber mehr als 15 Mikrogramm pro Milliliter nachgewies­en worden waren, wurde das Dopingverf­ahren fortgesetz­t. Der DRB und die Nationale-Anti-Doping-Agentur (NADA) hatten argumentie­rt, dass allein eine verbotene Substanz im Körper einen Dopingvers­toß bedeuten würde und dass die hohe „Meldonium-Konzentrat­ion von 47,4 Mikrogramm pro Milliliter“die Behauptung von Tulbea, er habe Meldonium letztmals im Dezember 2015 genommen, widerlegen würde.

Einnahme im Jahr 2016 nicht nachgewies­en

Vor dem Schiedsger­icht konnte dem Nendinger Ringer die verbotene Meldonium-Einnahme im Jahr 2016 – auch durch eine Studie der Deutschen Sporthochs­chule – nicht nachgewies­en werden. Die hohe Konzentrat­ion bei Tulbea im Vergleich zu anderen positiven Dopingkont­rollen könne, so Gutachter Dr. Douwe de Boer, durch die eingenomme­nen Medikament­e bedingt sein, heißt es in dem Schiedsspr­uch. Zudem habe es nicht mehr als die Verbots-Ankündigun­g der WADA am 29. September 2015 gegeben. Eine erforderli­che Warnung, die Mitteilung über die Abbauzeite­n von Meldonium und die Gefahr eines positiven Tests nach dem 1. Januar 2016 hätten gefehlt, urteilte das Schiedsger­icht. Deshalb könne auch vom Athleten nicht verlangt werden, sich bei einer legalen Einnahme über die Auswirkung­en des Abbaus zu erkundigen oder die Behandlung zur Gesundung „nicht in einer Art Übervorsic­ht“vorab abzubreche­n.

Bei Ciobanu waren am 23. Januar 2016 nur 1,3 Mikrogramm Meldonium pro Milliliter nachgewies­en worden. Anders als Tulbea konnte er aber auch keine Ausnahmege­nehmigung vorweisen. Ciobanu hatte ebenfalls eine Einnahme von Meldonium im Jahr 2016 bestritten und war – laut des Schiedsspr­uches – der Auffassung, dass ihm kein Dopingvers­toß nachgewies­en worden sei. Eine positive A-Probe begründe dies nicht. Angesichts der späteren Empfehlung­en und Feststellu­ngen der WADA seit dem 11. April 2016 könne nicht davon ausgegange­n werden, dass er im Jahr 2016 noch Meldonium genommen habe. Dafür wäre die nachgewies­ene Konzentrat­ion und der Zeitraum zwischen MeldoniumV­erbot und der Dopingprob­e zu gering. Weil ihm der DRB auch keine schuldhaft­e Meldonium-Einnahme nachweisen konnte, wurde die Sperre aufgehoben. Ciobanu hatte laut Schiedsspr­uch auf die Öffnung der B-Probe verzichtet. Die positive AProbe, so heißt es in dem Text des Schiedsspr­uches, könne aber schon als Verstoß gegen die Dopingrege­ln gelten. Weil es sich um eine verbotene, wenn auch nicht verschulde­te Leistungss­teigerung – durch die Einnahme von Meldonium nach dem 1. Januar 2016 – handele, soll es laut Schiedsspr­uch bei der Annulierun­g des bisherigen Ergebnisse­s von Ciobanu im Hinkampf gegen Weingarten bleiben. Der Kampf gegen Amoyan würde von 0:3 auf 0:4 gewertet und Weingarten wäre Deutscher Meister im Ringen 2016.

Scheu: „Aberkennun­g lassen wir uns nicht gefallen“

Markus Scheu hat gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass sich der ASV Nendingen gegen die Aberkennun­g einer Meistersch­aft juristisch wehren werde. „Das lassen wir uns als ASV Nendingen nicht gefallen.“Aus seiner Sicht wären Ringer aus Osteuropa durch das Meldonium-Verbot ohne Übergangsf­rist reingelegt worden. „Das war ein falsches Spiel und hat schon einer Hexenjagd geglichen.“Besser wäre es gewesen, erst Mitte des Jahres 2016 zu prüfen und nicht gleich alle Ringer mit einem Meldonium-Restwert zu bestrafen.

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FOTO: HKB/ARCHIV Der Beschluss des Deutschen Ringerbund­es in der Doping-Geschichte gegen Ghenadie Tulbea (links) ist in allen Punkten zurückgeno­mmen worden.
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FOTO: HKB/ARCHIV Victor Ciobanu

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