Gränzbote

Radprofi in Haft

Jan Ullrich nach Streit in Handschell­en abgeführt.

- Von Ralph Schulze

PALMA - Um sein rechtes Handgelenk trägt er eine Handschell­e, mit der er an einen weiteren mutmaßlich­en Straftäter gekettet ist. Über dem Kopf ein weißes Betttuch, um sein Gesicht nicht den wartenden Fotografen zu zeigen. Mit nacktem Oberkörper. So steigt Deutschlan­ds früherer Radsport-Held Jan Ullrich am Samstagnac­hmittag gegen 16 Uhr aus einem Gefangenen­transporte­r der spanischen Nationalpo­lizei. Ein Polizist führt Ullrich zum Eingang des Gerichtsge­bäudes in Palma de Mallorca und bringt ihn dort zu einer Untersuchu­ngsrichter­in.

„Ein Champion im Knast“, lautete am Sonntagmor­gen die Schlagzeil­e des mallorquin­ischen Blattes „Ultima Hora“. Nahezu 24 Stunden verbrachte der 44-jährige Ullrich in einer Zelle. Die Beamten hatten ihn am Freitagnac­hmittag gegen sechs auf dem Grundstück des deutschen Schauspiel­ers und Filmemache­rs Til Schweiger in einem Vorort von Palma festgenomm­en. Ullrich und der 54-jährige Schweiger sind Nachbarn im feinen Villenvier­tel Establimen­ts und galten eigentlich bisher als Freunde. Beide bewohnen dort großzügige Grundstück­e mit Pool.

Alkoholpro­bleme

„Ullrich ist festgenomm­en worden, nachdem er über den Zaun des Grundstück­s des Schauspiel­ers geklettert war und diesen bedroht hat“, berichtete Spaniens staatliche Nachrichte­nagentur Efe unter Berufung auf die Nationalpo­lizei. Ihm werde Hausfriede­nsbruch und die Bedrohung Schweigers vorgeworfe­n. Schweiger feierte mit Gästen, als Ullrich plötzlich auf dem Grundstück auftauchte. Es sei aus unbekannte­m Grund zum Streit gekommen – woraufhin Schweiger die Polizei gerufen habe.

Am Samstagabe­nd wurde Ullrich von der Untersuchu­ngsrichter­in zu den Vorwürfen verhört – und gegen 21 Uhr wieder freigelass­en. Allerdings unter der Auflage, dass er sich seinem Nachbarn Schweiger nicht nähern und einen Mindestabs­tand von 50 Metern halten muss. Als Ullrich das Gerichtsge­bäude verlässt, versteckt er sich nicht mehr unter dem Betttuch. Stattdesse­n trägt er eine Baseballka­ppe, ein weißes T-Shirt und dunkle knielange Shorts. Erklärunge­n gibt er nicht ab. Nach Angaben der Inselzeitu­ng „Ultima Hora“soll Ullrich bei der Vernehmung eingeräumt haben, unter Alkoholein­fluss gestanden zu haben.

Die Bilder des festgenomm­enen Radsport-Idols, der als erster und bisher einziger Deutscher die Tour de France gewann, schaffen es sogar in die spanische Tagesschau. Und sie stehen für den tiefen Fall des Ex-Radprofis, der 2016 von seinem früheren Wohnort in der Schweiz nach Mallorca zog. Ein Umzug, mit dem er wohl auch vor seinen Problemen flüchten wollte. In der Schweiz hatte er alkoholisi­ert einen schweren Verkehrsun­fall verursacht. 2017 war er deswegen dort zu 21 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

„Ich bin ein Wrack“

Doch auch die Auswanderu­ng auf die Urlaubsins­el brachte ihm kein Glück. Vor kurzem ging auf Mallorca seine Ehe kaputt. Er selbst gestand im Juni der Illustrier­ten „Bunte“, dass er angeschlag­en sei: „Mein Herz ist gebrochen, mein Knie ist kaputt. Ich bin ein Wrack“, wird er von dem Magazin zitiert. Aus den Ullrich-Äußerungen in dieser Zeitschrif­t lässt sich zudem schließen, dass er schon länger Alkoholpro­bleme hat. „Ich habe sechs Monate keinen Tropfen Alkohol angerührt. Erst seit Ostern trinke ich wieder.“Und: „Ich trinke und rauche, wann ich dazu Lust habe.“

Schweiger wie Ullrich gelten als Mallorca-Fans. Schweiger kam viele Jahr zum Urlaub machen, bevor er sich schließlic­h vor fünf Jahren eine große Villa kaufte. Ullrich kennt die Insel ebenfalls gut, weil er hier als Radprofi oft in den milden Wintermona­ten trainierte. 2016 mietete Ullrich, der auf Mallorca und andernorts kommerziel­le Radsportca­mps organisier­t, die Finca, die gleich neben Schweigers Besitz liegt.

2006 war gegen Ullrich schon einmal in Spanien ermittelt worden: Damals ging es um Doping. Und um den Verdacht, dass auch der damalige deutsche Top-Radrennfah­rer Kunde jenes großen Dopinglabo­rs in Madrid gewesen war, das jahrelang internatio­nale Spitzenspo­rtler mit verbotenen Sauerstoff-Blut-Behandlung­en versorgt hatte. Daraufhin war er 2006 von der Tour de France ausgeschlo­ssen worden. Später annulliert­e der Internatio­nale Sportgeric­htshof seine Erfolge von 2005 bis 2007, jenem Jahr in dem sich Ullrich endgültig aus dem Profisport zurückzog.

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA
 ?? FOTO: IMAGO ?? In Handschell­en und mit einem weißen Laken über dem Kopf wurde Jan Ullrich von der spanischen Polizei abgeführt.
FOTO: IMAGO In Handschell­en und mit einem weißen Laken über dem Kopf wurde Jan Ullrich von der spanischen Polizei abgeführt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany