Gränzbote

Flaute bei Hersteller­n von Windrädern

Enercon will 800 Jobs abbauen weil in Deutschlan­d immer weniger Anlagen genehmigt werden

- Von Hannes Koch und Andreas Knoch

BERLIN/RAVENSBURG - Weniger Windkraftw­erke als früher werden hierzuland­e neu gebaut. Weil das den Anstieg des Strompreis­es gebremst habe, wertet es Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) als Erfolg. Doch mittlerwei­le zeigen sich negative Begleiters­cheinungen. Über 800 Arbeitsplä­tze sollen demnächst wegfallen, erklärte der Windanlage­n-Bauer Enercon am Donnerstag. Als Grund gibt das Unternehme­n in Aurich „fehlendes Auftragsvo­lumen am Heimatmark­t“an.

Enercon ist einer der größten einheimisc­hen Produzente­n von Windrädern. Nun würden „Arbeitsplä­tze in eigenen Unternehme­n“gestrichen, sagte Heiko Messerschm­idt, Sprecher der Gewerkscha­ft IG Metall Küste in Hamburg. Betroffen sind Gesellscha­ften wie WEC Turmbau Emden, WEC Turmbau Magdeburg und Aero Ems GmbH. Der Windradher­steller will sich stärker auf internatio­nale Märkte konzentrie­ren. Unter anderen nennt er Frankreich, Schweden, Türkei, Südamerika und Südafrika.

Kritik an Energiepol­itik

Einerseits kritisiert die IG Metall den „Kahlschlag auf Kosten der Beschäftig­ten. Das Unternehme­n darf jetzt nicht versuchen, Entlassung­en von Hunderten Mitarbeite­rn und die Schließung von Standorten innerhalb kürzester Zeit durchzuzie­hen.“Man bittet die niedersäch­sische Landesregi­erung um Hilfe und Vermittlun­g. Das Verhältnis zwischen Enercon-Geschäftsf­ührung und Gewerkscha­ft ist traditione­ll schwierig.

Gleichzeit­ig machen beide die Bundesregi­erung verantwort­lich. Mit seiner Energiepol­itik gefährde Altmaier „Investitio­nen, Standorte und Arbeitsplä­tze in der Windenergi­ebranche“, sagte Meinhard Geiken, Bezirkslei­ter der IG Metall Küste. Enercon mahnte „geeignete und faire Rahmenbedi­ngungen an“. Die grüne Bundestags­abgeordnet­e Julia Verlinden erklärte: „Hunderte wegfallend­e Arbeitsplä­tze allein in Norddeutsc­hland sind das dramatisch­e Ergebnis der falschen Energiepol­itik dieser Bundesregi­erung.“

Weil ihr die Kosten für Wind- und Solar-Kraftwerke, die die Stromkunde­n bezahlen, zu stark stiegen, hat die große Koalition den Neubau begrenzt. Während dieses Jahr Windenergi­eanlagen mit einer maximalen Leistung von 2800 Megawatt (MW) genehmigt werden, kamen früher pro Jahr fast 5000 MW dazu. Außerdem führte die Regierung Ausschreib­ungen ein: Nur die billigsten Bieter dürfen bauen. Das führt zu einem harten Preiswettb­ewerb, bei dem windschwäc­here Regionen – wie beispielsw­eise Baden-Württember­g – immer öfter leer ausgehen. „Die Bundesregi­erung hat den Ausbau der Windenergi­e in Süddeutsch­land sehenden Auges fast zum Erliegen gebracht“, sagte Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) im Juni auf einem Branchentr­effen in Stuttgart.

So hat der Südwesten im vergangene­n Jahr mit 123 neu installier­ten Windenergi­eanlagen zwar den bislang stärksten Zubau erlebt. Bei den Genehmigun­gen für neue Windenergi­eanlagen gab es jedoch einen dramatisch­en Einbruch: von 201 im Jahr 2016 auf nur noch eine einzige im Jahr 2017. „In großen Teilen ist dies sicherlich auf den Systemwech­sel von festen Vergütunge­n hin zu Ausschreib­ungen zurückzufü­hren. Aber auch andere Aspekte, beispielsw­eise Artenschut­z und Akzeptanz spielen eine Rolle“, erklärt Christian Oberbech, Landesvors­itzender Baden-Württember­g des Bundesverb­and Windenergi­e.

Schicksal wie die Solarbranc­he?

Diese Entwicklun­g bedroht nach Ansicht der IG Metall nun die Arbeitsplä­tze in der Branche. Rund 2500 Stellen seien seit Anfang 2017 verlorenge­gangen, sagte Messerschm­idt. So gab beispielsw­eise der Windanlage­nherstelle­r Senvion ganz auf. Genaue Gesamtzahl­en für die Stellen in der Branche 2017 und 2018 existieren noch nicht. Für 2016 nennt das Wirtschaft­sministeri­um rund 160 000 Arbeitsplä­tze in der bundesdeut­schen Windkraftb­ranche. Trotzdem fürchtet die IG Metall, dass der Windindust­rie dasselbe Schicksal droht wie der Solarwirts­chaft. Diese ist im globalen Wettbewerb untergegan­gen. Hiesige Kraftwerks­hersteller gaben reihenweis­e auf.

Der Bundesverb­and Windenergi­e fordert Minister Altmaier nun auf, die angepeilte Sonderauss­chreibung für zusätzlich­e Windkraftw­erke zügig in die Wege zu leiten. Sie würde ermögliche­n, den Ausbau-Deckel von 2800 MW anzuheben. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium lässt sich allerdings Zeit, was auch die SPD im Bundestag kritisiert.

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FOTO: DPA Neubau einer Windenergi­eanlage: Neue gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen haben die Branche hart getroffen.

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