Keine Lust mehr auf Einkaufsbummel
Modegeschäfte verlieren deutschlandweit Kunden – Das spüren auch regionale Händler
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RAVENSBURG - Sale, Sale, Sale: Die Modehändler in Baden-Württemberg und Bayern locken derzeit wieder mit drastischen Preisreduzierungen von 50, 60 oder gar 70 Prozent. Und die Kunden haben gute Chancen auf Schnäppchen. Denn das erste Halbjahr verlief für Boutiquen, Modehäuser und Markenshops in den Einkaufsstraßen deutschlandweit alles andere als gut. Es kamen deutlich weniger Kunden in die Läden als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Das spüren auch Modehändler im Südwesten.
Nach einer aktuellen Marktstudie des Branchenfachblatts „Textilwirtschaft“fielen die Umsätze der stationären Modehändler zwischen Januar und Juni um zwei Prozent, die Kundenzahl verringerte sich deutschlandweit um vier Prozent und die Zahl der verkauften Stücke sogar um fünf Prozent. Dabei trafen die Umsatzeinbußen nicht nur kleinere und mittlere Händler, auch der schwedische Modekonzern H&M etwa musste in Deutschland jüngst Erlösrückgänge von fünf Prozent hinnehmen.
„Viele große stationäre Händler haben im Augenblick Schwierigkeiten“, sagt der Handelsexperte Thomas Harms von der Unternehmensberatung EY. Und auch Modehändler im Südwesten haben mit der aktuellen Situation zu kämpfen. „Die ersten Monate im Jahr 2018 waren fürchterlich bei uns. Wir hatten extrem wenige Kunden“, sagt Claudia Diener vom Damenmodegeschäft Elfenreich in Tuttlingen. Das zweite Vierteljahr sei dann aber wieder besser gelaufen und mache Claudia Diener wieder Hoffnung.
Stefan Zimmer, Geschäftsinhaber des Modehauses Heka in Friedrichshafen und Cornelia Gangl, Inhaberin der Boutique Louise Fashion in Aalen haben das bisherige Geschäftsjahr etwas positiver erlebt. „Der Jahresstart war der Branche zwar nicht dienlich, aber aktuell haben wir erfreuliche Monate. Die Sommerkollektion kommt bei unseren Kunden sehr gut an“, sagt Zimmer aus Friedrichshafen. Auch Gangl aus Aalen ist bisher zufrieden. „Ich hatte bisher gleich viele oder sogar etwas mehr Kunden, als im vergangenen Jahr“, sagt sie.
Mode Reischmann liege mit seinen Standorten in Ravensburg, Ulm, Kempten und Memmingen „mit einem kleinen Umsatz- und Frequenzrückgang von jeweils etwa zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr“genau im deutschen Mittel, sagt Bernd Deuter, Marketingleiter der Reischmann Gruppe. Allerdings sei das nicht in allen Mode-ReischmannStandorten so. „In Kempten haben wir im ersten Halbjahr ein kleines Plus bei Umsatz und Kundenfrequenz“, sagt Deuter.
Frühling übersprungen
Dabei machten gleich mehrere Probleme der Branche im ersten Halbjahr zu schaffen: das ungewöhnliche Wetter, das nach einem März mit Rekord-Minustemperaturen im April praktisch übergangslos zu sommerlichen Temperaturen wechselte. So fiel der Frühling als Modesaison für Händler quasi aus. „Die Sprünge, die das Wetter macht, schlagen sich auf den Handel nieder. Das macht für uns den Abverkauf bestimmter Waren schwieriger“, sagt Deuter von Mode Reischmann. In diesem Frühjahr seien vor allem Übergangsjacken Ladenhüter gewesen. „Eine Daunenjacke hat in diesem Jahr einfach niemand gebraucht. Im einen Monat war es so kalt, dass man nicht ohne Winterjacke aus dem Haus gehen konnte, ein paar Tage später benötigte man schon gar keine Jacke mehr“, sagt Deuter.
Dazu kommt der Siegeszug des Online-Handels. Der Umsatz mit Bekleidung im Internet stieg nach Angaben des Bundesverbandes E-Commerce (bevh) im zweiten Quartal um neun Prozent auf 2,8 Milliarden Euro.
Markt ist gesättigt
Handelsexperte Harms sieht einen dritten Grund für das Ausbleiben der Kunden: „Die Kleiderschränke in Deutschland sind schon jetzt bis zum Bersten gefüllt. Der Markt ist gesättigt. Ein großer Teil der Kleidungsstücke, die gekauft werden, wird, wie Umfragen zeigen, gar nicht mehr getragen“, meint er. Das nehmen auch die Modehändler aus der Region wahr: „Im Vergleich zu früher, müssen wir Modehändler uns deutlich mehr einfallen lassen, um Kunden zum Kauf zu motivieren“, sagt Bernd Deuter von Mode Reischmann. Das funktioniere aber bei Mode Reischmann durch gezielte Aktionen und das Angebot von „Rundum-Paketen“mit zu der Kleidung passenden Schuhen und Accessoires sehr gut. In Claudia Dieners Geschäft in Tuttlingen kämen immer weniger Leute, um zu bummeln, erzählt sie: „Der Trend geht dahin, dass die Leute immer mehr auf Schnäppchen aus sind und sehr stark von Rabattaktionen angezogen werden.“
Mode scheint für viele Bundesbürger tatsächlich an Bedeutung zu verlieren. Nach einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag der „Textilwirtschaft“planen mehr als ein Drittel der Bundesbürger, in diesem Jahr weniger für Bekleidung auszugeben als 2017. Nur 22 Prozent wollen tiefer für ihre Outfits in die Tasche greifen. Vielleicht schaffen es die Modehändler ja mit ihren Rabatten, die Einkaufslust der Deutschen wieder zu wecken.