Gränzbote

Zuhörer wandeln auf den Spuren Cohens

Sven Görtz weckt Erinnerung­en an dessen Songs von Liebe, Religion und Tod

- Von Kornelia Hörburger

TUTTLINGEN - Sein „Hallelujah“ist 300 Mal gecovert worden und Leonard Cohen hat sich stets geehrt gezeigt, wenn gute Musiker seine Songs neu interpreti­erten. Er hätte wohl auch am Samstag seine Freude gehabt: Sven Görtz hat im „Sommer im Park“mit der literarisc­h-musikalisc­hen Hommage „So long, Leonard Cohen“an den legendären kanadische­n Song-Poeten erinnert.

Wetter, Stimmung und Programm ließen bei den 150 Besuchern, die der Einladung von „Stiefel“Christof Manz ins Zelt an der Donau gefolgt waren, keine Wünsche offen.

„Liebe, Religion, Sex und Tod“, hat Leonard Cohen thematisie­rt und in unvergessl­iche Melodien umgesetzt. Mit ihnen, und dazu mit vielen Anekdoten und Informatio­nen, weckte Sven Görtz Erinnerung­en an den vielseitig­en, stets elegant gekleidete­n „singenden Dichter“: Zaghaft bewegten sich vielerorts die Lippen im Publikum zu „Suzanne“, jenem Song, den Cohen nicht Suzanne Elrod, der Mutter seiner beiden Kinder, gewidmet hatte, sondern der Tänzerin Suzanne Verdal.

Ja-Antwort erhalten, ohne Frage gestellt zu haben

„So long, Marianne“durfte genauso wenig fehlen, Cohens Abgesang an seine norwegisch­e Lebensgefä­hrtin Marianne Ihlen. Eingang in sein Repertoire fand auch seine heiße Affaire mit Janis Joplin in der New Yorker Künstler-Absteige „Chelsea Hotel“. Viele Musen haben den „Ladies‘ man“ein Stück seines Weges begleitet. Görtz‘ Kommentar dazu lautete: „Er war wohl ein Mann, der häufig ein „Ja“als Antwort erhielt, ohne eine Frage gestellt zu haben.“

Sven Görtz liest im Hauptberuf Hörbücher ein. Seine warme, weiche Stimme zog auch die Zuhörer im Tuttlinger Zelt in den Bann – und scheint dazu prädestini­ert, Cohens tiefen Bass zu covern. Görtz versuchte jedoch nicht, Cohens rauchige, in den Höhen etwas kratzige Stimme zu imitieren. Er übernahm zwar Klangfarbe­n des Originals, doch er interpreti­erte die Stücke mit seiner eigenen, ausgebilde­ten Stimme in der Stimmlage des jüngeren Cohen, fügte auch hier und da kleine Variatione­n hinzu.

„Bird on the Wire“, „Who By Fire“, „First We Take Manhattan“und „Sisters of Mercy“standen unter anderen bekannten Titeln auf Görtz‘ Playlist, bis hin zum erst 2014 erschienen­en „Slow“: Schnelligk­eit und Hektik sei die Sache Cohens noch nie gewesen, erfuhren die Zuhörer hier aus dem Liedtext und aus Görtz‘ Moderation: Ruhig dahinfließ­ende Melodien transporti­erten sinnlich-bildhafte, akribisch überarbeit­ete Texte. Allein für sein „Hallelujah“habe er fünf Jahre gebraucht – für insgesamt 80 Strophen, von denen er letztlich vier verwendete.

1934 in Montreal als Sohn jüdischer Eltern geboren, habe sich der junge Cohen zunächst als Verfasser von Lyrikbände­n und Romanen etabliert, erzählte Görtz: „Hoch geachtet, aber mittellos.“Mit der Vertonung seiner Literatur wollte er zu Geld kommen: „In der Tradition der mittelalte­rlichen Troubadour­e lag er am Puls der damaligen Zeit.“Und landete gleich mit seinem ersten Album 1967 einen Riesenerfo­lg. Auf der griechisch­en Insel Hydra hatte er sich damals inmitten einer Künstlerko­lonie niedergela­ssen. „Er nahm an Drogen, was immer er kriegen konnte: Marihuana, LSD, auch Heroin“, erfuhren die Zuhörer.

Depression­en ein Leben lang

Depression­en und Drogen begleitete­n den Poeten ein Leben lang, zwangen ihn immer wieder zum Rückzug aus der Öffentlich­keit, bis er schließlic­h in buddhistis­chen Praktiken Halt fand, ohne dabei in Konflikt zu seinen jüdischen Wurzeln zu geraten. Zweimal feierte der Sänger grandiose Bühnen-Come-Backs von seinen Aus-Zeiten, zuletzt von 2008 bis 2013 mit weltweit 400 Konzerten. Cohen starb am 7. November 2016 in Los Angeles, zwei Monate nachdem sein letztes Album erschienen war.

Was von Cohen bleibt, fasste Görtz zusammen: Die Erinnerung an einen Künstler, dem die Wahrhaftig­keit seiner Songs als höchstes Gut galt. Der bunten Pop-Arrangemen­ts seine düstere, aufs Wesentlich­e reduzierte Klangästhe­tik entgegenst­ellte. Der heitere Gelassenhe­it ausstrahlt­e und sich seinen jugendlich­spielerisc­hen Sinn für Humor bewahrt hatte. Der uns unvergleic­hlich schöne Musik geschenkt hat.

Sven Görtz hat nicht versucht, Cohens Metaphern zu deuten. Jeder Zuhörer durfte seine ganz persönlich­en Bilder bewahren, bereichert um die noch einmal lebendig gewordene Erinnerung an einen besonderen Menschen, Dichter und Musiker.

 ?? FOTO: K. HÖRBURGER ?? Sven Görtz erinnerte mit einer literarisc­h-musikalisc­hen Hommage an Leonard Cohen.
FOTO: K. HÖRBURGER Sven Görtz erinnerte mit einer literarisc­h-musikalisc­hen Hommage an Leonard Cohen.

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