CDU-Kritik an Vorstoß zur Zuwanderung
Stichtagsregelung stößt auf Skepsis – Wirtschaft begrüßt Initiative von Sozialminister Lucha
●
STUTTGART - Zuspruch aus der Wirtschaft, Unmut in Teilen der CDU: Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) ist mit seinem Vorstoß für ein Einwanderungsgesetz auf Lob und Kritik gestoßen. „Die Idee ist nicht neu“kommentierte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart Luchas Eckpunktepapier. Bereits im Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Bund sei ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz vorgesehen, das sich unter anderem an wirtschaftlichen Erfordernissen sowie Qualifikation, Alter und Sprache orientiere. Manuel Hagel, CDU-Generalsekretär im Südwesten, sieht ein reines Punktesystem mit Skepsis. Zudem wünscht er sich einen restriktiveren Umgang mit denen, die bereits in Deutschland sind. „Ich bin gegen die Einführung eines Stichtages, ab dem automatisch ein Bleiberecht etabliert wird. Das würde unsere Bemühungen um eine freiwillige Rückreise vieler Migranten konterkarieren.“
Lucha macht sich für ein Einwanderungsgesetz nach Vorbild Kanadas oder Neuseelands stark. In einem Eckpunktepapier, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, befürwortet er eine Punkteregelung für künftige Zuwanderer und eine Stichtagsregelung für Migranten, die bereits hier leben, arbeiten und „sich nichts zu Schulden haben kommen lassen“.
Rückendeckung bekam Lucha von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Ein Einwanderungsgesetz sei dringend geboten. Zum einen beklagten Unternehmer, dass immer mehr Stellen unbesetzt blieben. „Zweitens: Wir brauchen endlich eine klare Trennung zwischen humanitärer und wirtschaftlicher Zuwanderung“, teilte Kretschmann mit.
Die Wirtschaft reagierte überwiegend positiv auf die Initiative. „Wir vom Handwerk brauchen dieses Zuwanderungsgesetz, um Rechtssicherheit zu haben“, sagte Karin Schmid, Geschäftsführerin Bildung und Mitgliedschaft der Handwerkskammer Ulm. Nur so könnten Betriebe geschützt werden, die in zugewanderte Mitarbeiter investiert hätten. Auch Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrieund Handelskammertags, sprach sich für Luchas Plan aus.
●
RAVENSBURG (se) - Aus der Wirtschaft im Südwesten wächst der Druck auf die Politik für ein neues Einwanderungsgesetz. Dutzende Unternehmen sind der „Initiative für Bleiberecht“eingetreten. Deren Mitglieder sehen das Einwanderungspapier von Sozialminister Manfred Lucha überwiegend positiv.
Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Bergsport-Ausrüsters Vaude und Mitbegründerin der Initiative, lobt Luchas Vorschlag. „Ich bin positiv überrascht“, sagte sie der „Schwäbischen Zeitung“. Auf ein Einwanderungsgesetz warte man seit Jahrzehnten. Grundsätzlich finde sie es „konstruktiv“, dass der Vorschlag aus Baden-Württemberg komme. Das Punktesystem, nach dem künftige Zuwanderer bewertet würden, sei ebenfalls positiv. Es schaffe Klarheit und Transparenz. Damit bekämen nicht nur hochqualifizierte Mitarbeiter eine Chance einzuwandern, sondern auch anzulernende Arbeitskräfte, die in BadenWürttemberg in Produktion, Gastronomie oder Pflege dringend gebraucht würden.
Diesen Aspekt betont auch der Leutkircher Brauereichef Gottfried Härle, ebenfalls Mitbegründer der Initiative. „Ich finde den Vorschlag sehr gut“, sagte Härle. Besonders die von Lucha vorgeschlagene Stichtagsregelung begrüßt er. Nach Luchas Plänen dürften Flüchtlinge, die vor Inkrafttreten eines Einwanderungsgesetzes nach Deutschland gekommen sind, hier arbeiten und integriert sind, bleiben.
Das sieht Markus Winter wiederum skeptisch. Winter ist Geschäftsführer des Industriedienstleisters IDS Holding und ebenfalls Mitglied der Bleiberecht-Initiative. Die von Lucha geplante Stichtagsregelung könne eine Sogwirkung haben – und vor Inkrafttreten des Gesetzes besonders viele Flüchtlinge nach Europa locken und so die Beziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarn belasten. Allgemein geht Luchas Vorschlag laut Winter aber „in die richtige Richtung“. Vieles sei aber noch „schwammig beschrieben“.