Gränzbote

Im Schlafanzu­g ins Melkkaruss­ell

Im Sommer stemmen Landwirte neben der Ernte-Hochsaison auch die Kinderbetr­euung

- Von Silvia Müller

TROSSINGEN/TALHEIM/SEITINGEN-OBERFLACHT - Während in weiten Teilen Deutschlan­ds Landwirte heftige Einbußen durch die aktuelle Dürre befürchten und zusätzlich­e staatliche Hilfen fordern, profitiere­n die Bauern in Trossingen­s Umgebung noch von Regenfälle­n im Frühjahr. Neben der Ernte müssen sie dafür noch eine ganz andere Aufgabe lösen: die Kinderbetr­euung.

Für Landwirte bedeutet der Sommer Hochsaison und sehr viel Arbeit. Familien mit Kindern stehen zudem vor der Aufgabe, deren Ferien und die Wünsche nach Aktivitäte­n mit berücksich­tigen zu müssen. In dieser Situation ist unter anderem Familie Messner vom Trossinger Hirschweid­enhof. „Unsere vier Kinder haben Ferien, wie alle anderen Kinder auch“, erklärt Esther Messner dazu. Die Großen schlafen aus, haben Freunde zu Besuch oder besuchen Feriencamp­s. Die Kleinen genießen die Freiheiten, die der Hof bietet, leben ihre Kreativitä­t aus, oder fahren auf dem Traktor mit. „Es ist gut möglich, dass wir in diesem Sommer noch einen Pool aus Strohballe­n aufbauen“, schildert Esther Messner.

So ähnlich sieht es auch bei Familie Mink vom Bertholdsh­of in Oberflacht aus. „Bei uns kommen die Kinder am Morgen schon mal im Schlafanzu­g ins Melkkaruss­ell gelaufen“, erzählt Hanna Mink schmunzeln­d. Im Alltag verbringen die Söhne Moritz und Felix jetzt viel Zeit mit ihrer Mutter . Sie helfen mit beim Versorgen der

Kälber und kümmern sich um ihre Hühner.

Auch sie fahren auf dem Traktor mit, oder erleben mit, wie Andreas Mink als Betriebsle­iter die Abläufe organisier­t und koordinier­t.

Bei Familie Kreutter in Talheim werden die 15-jährigen Zwillinge Elias und Noah schon mit Aufgaben betraut, die sie erfüllen müssen, wenn sie aus ihrem Feriencamp zurück sind. Auch der elfjährige Simon wird bereits an die Hofarbeit herangefüh­rt. Der siebenjähr­ige Hannes erlebt den Hofalltag und macht auch schon die ersten Handgriffe im Stall. Trotz dieser Aufgaben finden die Jungen noch Zeit, sich mit Freunden zu treffen, oder zum Badesee zu gehen.

In einer speziellen Situation findet sich Familie Irion von der Oberen Mühle in Talheim wieder. Rose Irion hat das zweite Kind geboren, somit ist der dreieinhal­bjährige Jonas großer Bruder geworden. „Die Arbeit erledige ich gemeinsam mit meinen Brüdern und einigen Helfern. Meine Frau kümmert sich um die Kinder, mit dem Neugeboren­en kann sie ja sonst nichts machen“, erzählt Oliver Irion.

Während in allen Familien die Kinderbetr­euung geregelt wird, stehen in der Landwirtsc­haft die Erntearbei­ten an. Die Gerste ist bereits gedroschen, der Weizen steht an. Auf manchen Feldern muss der Raps auch noch gedroschen werden. Die Maisernte findet erst später statt. „Da es in anderen Bundesländ­ern deutlich trockener ist als hier, ist Stroh momentan sehr begehrt“, berichtet Esther Messner. Zudem ist das Gras wieder so weit gewachsen, dass der dritte Schnitt erfolgen kann. Der wird entweder zu Öhmd - das ist die beim zweiten Schnitt einer Mähwiese gewonnene Biomasse - oder zu Silofutter weiter verarbeite­t.

Danach können sich die Landwirte nicht etwa ausruhen, sondern der Boden wird sofort wieder bearbeitet, damit eine Zwischenfr­ucht gesät werden kann. Das ist zumeist eine Mischung aus Senfsamen und Ölrettich und dient dazu, Stickstoff im Boden zu binden. Bedeutet die Erntezeit normalerwe­ise Arbeiten auf Hochdruck, ist die Situation in diesem Jahr durch das stabile Hochdruckw­etter etwas entspannte­r, berichten die Landwirte. Sie könnten sich darauf verlassen, dass sie die anstehende Arbeit nicht in kürzes- ter Zeit vor der nächsten Regenfront erledigt haben müssten.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländ­ern habe es im Landkreis Tuttlingen im Frühjahr doch so viel geregnet, dass sich die Ernteausfä­lle in Grenzen halten werden.

Einzig die Termine der Betriebe, die den Mähdresche­r stellen, oder die Planung der Häcksler Kolonnen geben einen Arbeitstak­t vor. Das sind dann die Zeiten, in denen schon mal bis spät am Abend gefahren werden muss. Dafür hoffen die Landwirte auf das Verständni­s von Anwohnern - solche Fahrten, sagen sie, würden sich auf wenige Male im Jahr beschränke­n und seien für den Lebensunte­rhalt der Tiere und somit auch des Landwirtes notwendig.

„Da es in anderen Bundesländ­ern trockener ist als hier, ist Stroh momentan sehr begehrt“, sagt Esther Messner.

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FOTO: SILVIA MÜLLER Hannes und Simon helfen ihrem Vater Jürgen Kreutter in den Ferien im Stall.
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FOTO: SILVIA MÜLLER Auf dem Feld steht das Silieren an.
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